laut.de-Kritik

Gruftrock-Geisterzug mit Volldampf auch auf holprigen Strecken-Abschnitten.

Review von

Geliebte Hammer-Studio-Movies! Die berühmte britische Film-Firma schuf in den sechziger und siebziger Jahren des Vorjahrhunderts eine große Anzahl noch heute geliebter Horror-Streifen. Einige Gesichter haben sich gar auf ewig ins kollektive Pop-Gedächtnis gebrannt, so etwa Christopher Lee als Dracula und der charismatische Peter Cushing als sein ewiger Widerpart van Helsing. Spannenden und gelungenen Grusicals wie die Werwolf-Mär "Der Fluch Von Siniestro" stehen allerdings auch Trash-Granaten des Kalibers "Dracula Jagt Mini-Mädchen" und die friedhofsneblige Gruft-Verführung "Nur Vampire Küssen Blutig" gegenüber.

Doch ob wohligen Schauder verbreitend oder mal nicht ganz so gut gelungen - die Hammer-Kundschaft konnte sich immer darauf verlassen, zu bekommen, was sie suchte. Ähnlich verhält es sich bei den finnischen Rockern HIM um Frontmann Ville Valo. Deren neuestes Opus "Venus Doom" bietet zwar allerlei wohlfeilen Gothic-Grusel - aber auch mal einen mit nicht so sicherem Händchen angesetzten Song-Eichenpflock ins erwartungsfroh schlagende Vampir-Herz.

Im Gegensatz zum gefühlvollen Alben-Vorgänger "Dark Light" steht hier verstärkt kräftige und rüde Gitarren-Arbeit im Vordergrund. Schon beim Opener und Titeltrack "Venus Doom" legen Ville Valo und seine Band-Recken ordentlich Tempo vor: Nach dem akustischen Entzünden eines Streichholzes bratzen die Gitarren mächtig los, und lassen der melodischen Song-Führung keinerlei Gelegenheit, in zu großer Süßlichkeit zu versinken.

"Love In Cold Blood" hingegen entpuppt sich als ziemlicher Rohrkrepierer: Aufgrund einer Vielzahl uneffektiver, uninspirierter Breaks kommt keine rechte Spannung auf. Der Einsatz von Villes zu übertrieben phrasierter Düster-Stimme nötigt eher zum Schmunzeln als zum Genießen. "Passion's Killing Floor" macht es dann wieder besser mit grablüsternem Bitt-Gesang und kräftigem Metal-Drive.

Der Schriftsteller Harold Lawlor ersann einst die poetischen Zeilen: "Welch winkendes Gespenst/Lockt mich in des Mondlichts Schatten/Und weist auf jene Lichtung dort?" Dessen Worte kommen mir wieder anrührend in den Sinn, während ich mich in die erste Single-Auskopplung "The Kiss Of Dawn" vertiefe. Hier ist wieder jener ganz spezielle HIM-Typus des Liebes-Flehens jenseits des Grab-Schattens zu genießen: "I'm reaching for your shadow/Drowning in the kiss of dawn/Touching the pain that you left me with/At the kiss of dawn".

Das dazugehörige Video illustriert den Titel mit romantischen Bildern eines weiblichen Gespenstes beim zeitlupenhaften Irren über einen nächtlichen Friedhof. Ganz klar: Hier greift Ville Valo wieder tief ans Hörer-Herz! Im Gegensatz zum darauffolgenden "Sleepwalking Past Hope": Der unausgegorene Mix aus Tempowechseln und unzusammenhängend aneinander gestoppelten Song-Versatzstücken überzeugt lediglich im stimmigen Refrain-Part.

Doch Versöhnung erfolgt sofort mit "Dead Lover's Lane". Dieser Song funktioniert wieder durch einen deutlich straighteren Aufbau. Die Richtung der Gitarren ist geradliniger, und die vielschichtigen Song-Details greifen wesentlich besser ineinander. Als Alben-Ruhepol überrascht dann der kurze Einspieler "Song Or Suicide" mit seiner zurückgenommenen Akustik-Ummantelung. Leises Saiten-Zupfen, Villes Stimme hautnah am Hörer - mehr braucht es nicht, um eine intime und warme Atmosphäre zu erzeugen.

Auf "Bleed Well" nimmt der Metal-Geisterzug dann erneut kräftig Fahrt auf in Richtung Stadt am Rande der Ewigkeit, um dann zum Alben-Ende den epischen "Cyanide Sun" - Bahnhof zu erreichen.

"Venus Doom" ist ein Album mit HIM-typischen Stärken und Schwächen. Verführerisch gibt Ville Valo den sinistren Gastgeber um Mitternacht, dem aber dann und wann doch ein Fauxpas unterläuft. Fans der Band sind mit dem neuen Opus fraglos gut bedient, und die üblichen Verdächtigen der Nasenrümpf-Fraktion werden ihre Beurteilung sicher schon vor dem Hören des neuen Outputs parat haben. Sei's drum: Im richtigen Umfeld wird "Venus Doom" garantiert für wohliges Behagen sorgen.

Vielleicht bei einem Teelicht-illuminierten Hammer-Movie-Abend mit Gleichgesinnten? Vor und nach Streifen wie "Das Grab der blutigen Mumie" und "Dracula - Nächte des Entsetzens" kann neben einem gut zelebrierten Feuerritual-Absinth dann auch Ville Valo für die düster-stilvolle Abrundung sorgen: "My heart's a graveyard Baby/And to evil we make love/On our passion's killing floor". Aber aufpassen, dass am Ende nicht van Helsing im Wandschrank lauert.

Trackliste

  1. 1. Venus Doom
  2. 2. Love In Cold Blood
  3. 3. Passion's Killing Floor
  4. 4. The Kiss Of Dawn
  5. 5. Sleepwalking Past Hope
  6. 6. Dead Lovers' Lane
  7. 7. Song Or Suicide
  8. 8. Bleed Well
  9. 9. Cyanide Sun

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33 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Hab das album jetzt einmal als prelistening bei mysoace.com gehört un ich fands richtig gut:) wieder ein typisches H.I.M. album aber in einer anderen stilrichtung:) ich glabe wenn man sagt ein mix aus doom und pop hat man es wohl ganz gut erfasst:)...was meint ihr denn so?...also ich werd mir das album auf jedne fall kaufen und denke auch dass 3 "gute" punkte durchaus realistisch sind:)

  • Vor 17 Jahren

    naja gefällt mir eher weniger
    love metal fande/finde ich echt genial, da stimmt von der ersten bis zur letzten sekunde alles.
    aber das hier ... hab doch etwas mehr erwartet, klingt alles wie schon 30 mal durchgekaut u die melodien, die stimme u die musik an sich überzeugen mich dieses mal irgendwie gar nicht

  • Vor 16 Jahren

    @Paavo-girl (« @Largo007 (« Ganz ehrlich, das hier ist die schlechteste Review, die ich je gelesen habe. Zuerst mal sollte man doch davon ausgehen, dass ein angeblich professioneller CD-Kritiker in der Lage sein sollte, die Tracklist richtig abzuschreiben. Dann hätte der Autor sicher gemerkt, dass HIM nie ein Lied namens "Blind Well" produziert haben.

    Des weiteren ist es doch auffällig, dass der Autor selbst Opfer der "Naserümpf-Fraktion" geworden ist, die ihr Urteil bereits vor Hören der Platte parat hat. Beispielsweise bekommt der Leser bei den Passagen über "Love In Cold Blood" und "Sleepwalking Past Hope" den Eindruck, dass der Kritiker krampfhaft versucht, eventuelle Schwächen herauszustellen, um die Standard-08/15-Bewertung von 3/5, die laut.de jedem HIM-Album angedeihen lässt, rechtfertigen zu können.

    Denn, Geschmack hin oder her, "Sleepwalking Past Hope" ist und bleibt der heimliche Höhepunkt des ALbums. Dem Piano-Intro, welches in jedem Film bei der Hollywood-typischen Emo-Stelle abgespielt werden könnte, folgen astreine Riffs, die handwerklich überzeugen und zu einem melodischen, wohlklingenden Refrain mit Ohrwurmqualität führen. Und nicht zuletzt zeichnet sich der Song durch eine ungewohnt große Bandbreite aus, wie die Bridge vor dem vermeintlichen Ende nach 6 Minuten und das darauffolgende, atemberaubend gute Instrumental zeigen. Lange nicht mehr gehörte, harte Klänge halten endlich wieder Einzug in eine HIM-Scheibe, in Verbindung mit dem wohl gefühlvollsten Refrain, den HIM je zustande brachten.

    Ähnlich griff der Kritiker mit seiner Rezension zu "Love In Cold Blood" ziemlich daneben. Die von ihm angesprochene Friedhofsatmosphäre entsteht unter anderem gerade durch das wirklich gute Intro dieses Tracks, das wiederum einige erstklassige Riffs aufweist, die man bei HIM lange vermisst hat. Auch das "Übertriebene phrasieren", welches der Autor entdeckt haben will, ist mir trotz intensiver Suche verborgen geblieben, im Gegenteil: der Refrain überzeugt stimmlich total. Durch das leichte Zittern in Valos Stimme fühlt man sich doch erst auf den Friedhof versetzt. Wer dies nicht nachvollziehen kann, sollte sich die Acoustic Version auf der "Kiss Of Dawn"-Single anhören.

    Und vor allem sollte man meinen, wer so inflationär auf Filme verweist, obwohl es eigentlich eine CD zu bewerten gilt, hat einige Grundgedanken des Review-Schreibens nicht begriffen. Diese CD ist doch nicht als Lückenfüller (!!) zwischen zwei Horrorfilmen zu betrachten. Wer den Sinn der Scheibe auf dieses Level herabwürdigt, kann ihren eigentlichen Wert auch nicht begreifen und wird vor allem nicht über seine Mainstream-Standard-Bewertung von 3/5 hinauskommen. »):

    [size=24:3d49027d02]WHAT ??????[/size:3d49027d02]http://www.clicksmilies.com/s1106/fragend/… »):

    Nach der langen Zeit seit Veröffentlichung von "Venus doom" muss man doch feststellen, dass die Reaktionen auf beiden Seiten etwas übertrieben waren.
    Sicher: Für eine Band wie him, die man ja noch nie unter die wirklichen Hardrock- oder gar Metalbands rechnen durfte, ist "Venus doom" mit dem düsteren, stellenweise an Type 0 Negative erinnernden Songwriting sicher eine ganz bemerkenswerte Platte innerhalb des oft verfluchten mainstream.
    Andererseits hatte der ursprüngliche Rezensent schon Recht; ein bissl sehr verschachtelt und aneinandergeklebt sind die Songs dann schon; daher wohl auch die teilweise enorme Länge einzelner Lieder. Man denke an "Love in cold blood" oder auch an den Titeltrack, eigentlich ein sehr klassiches Rockriff, das dann durch das versetzte Schlagzeug zu Beginn dann aufgemotzt wird, um dann völlig unvorbereitet in einen Klavierpart überzugehen. Auch fällt auf, dass die Instrumentalparts oft düster gehalten sind, während die Gesangsparts, insbesondere bei den Refrains, dann doch eher business as usual sind, so bei "Kiss of dawn" zum Beispiel.
    Aber dennoch, für Him-Verhältnisse weit mehr, als man erwarten durfte, waren doch bisherige Platten entweder wie "Deep shadows" so glatt oder doch zu unbestimmt wie die darauf folgenden Scheiben..

  • Vor 16 Jahren

    HIM oder her. Eigentlich braucht man nur zwei Alben. Greatest Lovesongs Vol.666 und Venus Doom.

    "Weniger" kommerziell ist im Rock 'n Roll-Genre grundsätzlich "mehr." So einfach ist das.

    Das letzte HIM-Album ist nach sehr viel Schmachterei und Samt-Rock eine absolut positive Überraschung.

  • Vor 16 Jahren

    Einige sind hier ernsthaft der Meinung ,,Dark Light" wäre das beste HIm Album. Da frag ich mich nichts mehr wenn man dann Venus Doom nicht mag. Denn Dark Light war wohl echt das schlechteste das HIM abgeliefert haben, die unpersönlichste Scheibe. Mit Venus Doom haben sie sich da echt in die richtige Richtung entwickelt. Denn man achte mal nicht nur auf die ,,Soundtrack-Qualität" die in dieser Kritik ständig ,,angesprochen" wurde sondern vor allem auch einmal auf das Booklet das wohl das schönste und persönlichste von HIM ist, ganz zu schweigen von der Musik, bei der diesmal nicht auf das Mainstream-Ding geachtet wurde.
    Es stimmt, meiner Meinung nach (und da werden mir einige treue HIM Fans sicherlich zustimmen) sind
    Greatest Lovesongs Vol. 666 , Love Metal und Venus Doom die besten Alben von HIM.
    Und da fällt die 3-Punkte Bewertung von Dark Light sehr auf.