laut.de-Kritik
Hauchzarter Gitarrentsunami mit Suchtfaktor.
Review von Dominik KrausEine sommernächtliche Freiluftbühne, wabernde Nebelschwaben im blitzezuckenden rosafarbenen Stroboskop. Eine Wand aus Gitarren und Rhythmus, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen berührender Sanftheit und orkangewaltiger Wucht auftürmt.
Am Mikrophon ein entrückt wirkender, schwarzgewandeter Mann, der mit geschlossenen Augen die Zeilen "This Is Not The End Of The People, This Is Not The End" einem Mantra gleich ein ums andere mal wiederholt.
Wie ich später erfuhr, handelte es sich bei besagtem Mann am Mikrophon um Tobias Hoffmann, gemeinsam mit der Band im Nebel als Ira unterwegs. Ziemlich beindruckend war das.
Obwohl ich eigentlich gar nicht unbedingt auf sehr lange Stücke und eher getragene Rockmusik stehe, konnte und wollte ich mich dem Sog des feingestrickten Gitarrentsunamis nicht entziehen. Leider führte die Band seinerzeit die neue CD noch nicht im Merchandise-Handgepäck.
Damals das letzte Stück des Konzertes, fungiert nun das fulminante "Empire In Your Bag" als Opener von "Visions Of A Landscape". Schon hier wird deutlich, dass die Stücke auch "aus der Konserve" nichts von ihrer unaufdringlichen Intensität verloren haben: moderne, epische, eigenständige Rockmusik, die sich nur schwer in eine Schublade stecken lässt. Prog-, Alternative-, Emo-, Sonstwie-Rock? Ira-Rock.
In diesem Zusammenhang gebührt Produzent Tobias Levin ein großes Lob. Er lässt das Soundgewebe gleichzeitig sehr dicht und massiv, zugleich aber zerbrechlich und fragil wirken. Auch die Dramaturgie der Stücke stimmt: Sie geraten, obwohl bis zu 12:47 Minuten lang, nie langatmig oder gar langweilig.
Weitab des KLF-Hitschemas (Strophe / Refrain / Strophe / Refrain / Variation oder Solo / Refrain / Refrain / Refrain) weben Ira die jeweiligen Parts der Stücke so geschickt ineinander, dass sie stets im Fluss bleiben und auch bei relativ deutlichen Stimmungswechseln nie ein Bruch entsteht.
Die beiden Gitarren beherrschen den Sound, erzeugen gegen- und miteinander weittragende Soundwellen und zeigen, welch breites Klangspektrum man auch mit einem überschaubaren Effektpark (Wah-Wah, Zerrer, Echo/Hall) aus zwei Sechssaitern holen kann.
Ebenso kongenial führen Bass und Schlagzeug durch die sechs Stücke das Albums. Gegenüber den Gitarren leicht nach hinten abgemischt, bilden sie das Fundament, auf dem die beiden schwarzen Jazzmaster ihre Töne und Riffs legen, und geben der Platte so den nötigen Groove.
Am Mikro spielt der in unzähligen Poetryslams wortgestählte Tobias Hoffmann sprachlich mit vielschichtigen Bildern und ambivalenten Gefühlen. Der Gesang ist rein vom zeitlichen Umfang recht sparsam gesetzt und erzielt dadurch eine wesentlich stärkere Wirkung, als dies bei einer verbalen Dauerkanonade der Fall wäre.
Jede weinerliche Attitüde elegant umgehend, setzt Hoffmann mit seinem interessanten, gleichgültig wie emotional wirkenden Gesang stets an der richtigen Stelle der Songs die richtigen Akzente.
So haben Ira mit "Visions Of A Landscape" bereits beim zweiten Album ihren eigenen, unverwechselbaren Stil gefunden, den fortzuführen sich in der Zukunft auf jeden Fall lohnen wird. Und ein in sich geschlossenes Werk geschaffen, das jederzeit hörenswert, an einigen Stellen gar brillant ist. Ein äußerst gelungenes, dem Sound der Band adäquates Artwork rundet den positiven Gesamteindruck optisch ab.
10 Kommentare
Der Review ist nichts hinzuzufügen: Pflichtkauf!
Heut auf der Arbeit die Review endteckt, danach ging ab zu Amazon, Bestellug ist aufgenommen.
War früher ein großer Toby Hoffmann Jünger (bins ja eigentlich immer noch). Der hat mein Interesse für Poetry Slam geweckt. Wie groß waren da Überraschung und Begeisterung als ich entdeck, dass der Typ auch noch ne Band hat. Viel größer waren Überraschung und Begeisterung, als ich deren CD dann auch noch zufällig im heimischen Plattenladen (Gott hab ihn selig) erstöber.
Wären deren wirklich gute Songs, nicht so arschlang, wäre einer von ihnen auf unserem Forumssampler gelandet.
Scheiße, freu ich mich auf das Album. Hoffentlich ist die Produktion diesmal ein bisschen besser und hoffentlich gibts noch die Spoken-Word Passagen. Wie schauts aus, blusi? Scheinst se ja schon zu haben.
Ne, hab sie noch nicht. Aber neben kurzer Songschnippseln haben mich die beiden Songs schon vollends überzeugt:
http://www.youtube.com/watch?v=hcmezTuX5hQ
http://www.youtube.com/watch?v=Y28AAvlv5S0…
So weit man das anhand von Drop Of Irony beurteilen kann, scheint die Produktion ziemlich gut zu sein...
Edit: Bäh, schon wieder diese grausige Werbung...
ja...nee!
klingt wiederlich.
ich war ja versucht mich über ein weiteren deutschen post-rock beitrag zu freuen und dann hört man rein und ist wiedereinmal überrascht wie peinlich so etwas ausfallen kann. irgendwie ist alles komplatt langweilig und einfallslos. selbst der hier vielgelobte gesang und text ist unterdurchschnittlich. sry für mich nicht einmal ansatzweise ein album der woche.
@huntedbyafreak (« ja...nee!
klingt wiederlich.
ich war ja versucht mich über ein weiteren deutschen post-rock beitrag zu freuen und dann hört man rein und ist wiedereinmal überrascht wie peinlich so etwas ausfallen kann. irgendwie ist alles komplatt langweilig und einfallslos. selbst der hier vielgelobte gesang und text ist unterdurchschnittlich. sry für mich nicht einmal ansatzweise ein album der woche. »):
probier mal den erstling von ira. sehr viel druckvoller, aber vielleicht kollabierst du dann an einigen stellen, wenn spoken word auf dt ausgeübt wird. nun ja, für mich geht das zweite album mit 4 pkt jetzt klar, wobei das erste besser ist. unterdurchschnittlich würde ich auf keinen fall sagen. aber jedem seine meinung
Es ist das. Es läuft. Es ist gut. aber aber -
der Ausbruch fehlt. Dieses Sich-Gehen-Lassen. Tobi schreit nicht mehr. Richtige Gitarrenwände gibt es auch nicht mehr. Bisschen schade, aber bin mir sicher, dass das wachsen wird.
Bleibe verbunden.
edit: Aber wenn diese krasse innere Anspannung, die sie aufwändig kreieren einfach nicht aufgelöst wird, weil dieser Ausbruch, von dem ich schon schrieb, eben ausbleibt oder halbherzig bleibt, ist schon hart. Bei Encore fällts mir grad auf.