laut.de-Kritik

Eine wahre Ode an die Freude der Rapmusik.

Review von

J. Cole hat sich ein Label aufgebaut, das vor künstlerischem Potential und unterschätzten MCs nur so strotzt. Auch wenn ein J.I.D nach der XXL Freshmen Class 2017 langsam an Anerkennung zulegt, sind Namen wie die Earth Gang, Cozz, Bas und Omen nach wie vor Vorzeigekandidaten lange hochgelobter Rap-Acts, die könnten, würde doch nur mal der richtige Song kommen. Dass der Advent einer neuen Dreamville-Compilation Rap-Nerd-Herzen höher schlagen lässt, verwundert deswegen kaum. Trotzdem macht "Revenge Of The Dreamers III" mit Sicherheit keine Stars. Dieses Mixtape ist eine reine Ode an die Freude der Rapmusik.

Es muss eine Erfahrung gewesen sein, was da in diesen zehn Tagen im Januar in North Carolina von statten ging. Für die Sessions, die über 110 Songs hervorgebracht haben, flog das Hause Cole satte 100 Künstler ein, Untergrund-Rapper aus allen Fugen und Ecken der Vereinigten Staaten und Produzenten mit wenig Credentials aber einer Menge Hunger. Auch wenn die absurde Aneinanderreihung von Posse-Cuts im Grunde nichts als aberwitziger Wortsport ist, schwappt der Esprit dieser Jams auch auf Wachs zum Hörer über.

So viele Songs basieren auf der Competition um den härtesten Part, dass sich die Menge an verschiedenen Stilen und Charakteren heilsam anfühlt, um nicht in die Langeweile abzudriften. "Down Bad", "Oh Wow...Swerve", "Don't Hit Me Right Now" oder "Costa Rica" sind Bars-Feste, bei denen aus dem Nichts Gäste auftreten, die die Energie komplett verändern können. Manchmal ist es die eklektische Up-Tempo Energie von einem J.I.D oder einem Cozz, die dann wieder gegen smoothe Parts von Guapdad 4000 oder Bas stehen.

Beharrlich werden Rapper eingeladen, die man so nicht kommen sah. Aber wenn die Shows stehlenden Verses von Houstons Trap-Biggie Maxo Kream oder Chicagos Jazz-Rap-Weirdos Saba und Smino eines beweisen, dann, dass die Dreamville-Kuratoren einen verdammt guten Geschmack bezüglich Untergrund-Rappern haben. Auch Vince Staples, Smokepurpp und Ski Mask The Slump God blitzen für einen kurzen Fetzen Farbe auf, entfalten in ihren kurzen Beiträgen aber nicht ihr ganzes Potential.

Zwischendurch gibt es auch thematische Abwechslung, zum Beispiel, wenn TDEs Reason sich mit Dreamvilles Cozz darum wetzt, wer jeweils den Labelboss des anderen ausrauben wird. Die Soul-Hoffnungsträger Ari Lennox oder Baby Rose bringen Balladen wie "PTSD" oder "Self Love" ein, und J.I.D sorgt mit T.I für einen unterhaltsamen Storytelling-Nachfolger zu "Girls, Girls, Girls".

Alles schön und gut, aber die wirklichen Highlights sind die Tracks, die sich mit fast dokumentarischer Linse auf die Chemie zwischen den Rappern vor Ort beziehen. "Wells Fargo" und "1993" sind Tracks, die halbe Interludes sein könnten, so viel Geschrei aus dem Off und amateurhaftes Gegröle schafft es in das Endprodukt. Aber wenn eine undefinierbare Menge von eigentlich genialen MCs zum dritten Mal sturzbetrunken im Chor dieselbe Hook brüllt, oder Buddy jeden einzelnen Verse von so kompetenten Rappern unterbricht und niederschreit, weil sie ihn nicht beim Kiffen stören sollen, hat es schon etwas Magisches.

Am Ende versucht Cole mit dem Hit "Middle Child" und einem berührenden "Sacrifices" dem Ganzen ein kohärentes Ende zu verpassen. Und auch wenn beides fantastische Songs sind und gerade die Earth Gang und die Chicago-Gäste Saba und Smino noch einmal Hölle geben, wäre diese Rührseligkeit nicht nötig gewesen.

"Revenge Of The Dreamers III" ist musikalisch ansprechend, funktioniert aber gar nicht so dringend über die Reize eines Albums. Es ist die Cypher der Träume, ein so gigantisches und überproportioniertes Backpacker-Spektakel, das vor allem von der immensen kollaborativen Energie und der perfekt eingefangenen Stimmung lebt. Es ist die Heiligsprechung der Bars, das Zelebrieren eines harten Sechzehners, und das Beschwören des Wunsches, jeden im Raum unter den Tisch zu spitten.

Dieses Album wird jedem, der sich nur einmal mit 16 betrunken zu einem Freestyle hat hinreißen lassen, Lust zu rappen machen. Denn gerade im Feld der oft so verbissenen Oldschooler hat Rappen als Kunstform selten so viel Spaß gemacht.

Trackliste

  1. 1. Under The Sun (feat. J. Cole, Lute, DaBaby & Kendrick Lamar)
  2. 2. Down Bad (feat. JID, Bas, J. Cole, EARTHGANG & Young Nudy)
  3. 3. LamboTruck (feat. Cozz, REASON & Childish Major)
  4. 4. Swivel (feat. EARTHGANG)
  5. 5. Oh Wow...Swerve (feat. J. Cole, Zoink Gang, KEY! & Maxo Kream)
  6. 6. Don't Hit Me Right Now (feat. Bas, Cozz, Yung Baby Tate, Guapdad 4000 & Buddy)
  7. 7. Wels Fargo (feat. JID, EARTHGANG, Buddy & Guapdad 4000)
  8. 8. Sleep Deprived (feat. Lute, Omen, Mez & DaVionne)
  9. 9. Self Love (feat. Ari Lennox, Bas & Baby Rose)
  10. 10. Ladies, Ladies, Ladies (feat. JID & T.I.)
  11. 11. Costa Rica (feat. Bas, JID, Guapdad 4000, Reese LAFLARE, Jace, MEz, Smokepurrp & Ski Mask The Slump God)
  12. 12. 1993 (feat. J. Cole, JID, Cozz, EARTHGANG, Smino & Buddy)
  13. 13. Rembrandt...Run It Back (feat. JID, J. Cole & Vince Staples)
  14. 14. Sunset (feat. J. Cole & Young Nudy)
  15. 15. Middle Child
  16. 16. PTSD (feat. Omen, Mereba Deante' Hitchcock & St. Beauty)
  17. 17. Sacrifices (feat. EARTHGANG, J. Cole, Smino & Saba)

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