laut.de-Biographie
James Last
Das Wichtigste an Musik, James Last hat es in seiner Karriere oft genug erklärt, ist Ehrlichkeit. Lässt man Außenstehende zu oft in die eigene Arbeit reinreden, da ist sich der Musiker sicher, verbiegt man sich nur und bleibt früher oder später auf der Strecke. Nur wer sich selbst treu bleibt, findet zum Erfolg.
Dennoch weiß James im Interview mit der Süddeutschen Zeitung 2002: "Wenn wir nicht mit der Zeit gegangen wären, wenn wir statt dessen gemacht hätten, was die Plattenfirma sagte - was sie heute immer noch sagt! - dann würde ich jetzt nicht hier sitzen."
Wo Hans "James" Last im Jahr 2004 sitzt, im Jahr seines 75. Geburtstages, darf ungeschönt als goldener Thron der Unterhaltungsmusik bezeichnet werden. Nicht einmal der erfolgreiche, 1980 verstorbene Orchesterleiter Bert Kämpfert ("Strangers In The Night"), mit dem Last im Übrigen gut befreundet war, hätte ihm diesen Platz streitig machen können.
Statistiken klingen überwältigend: James Last-Platten hört man in über 150 Ländern der Welt, die damit einhergehenden Verkäufe bescheren dem Mann über 200 Goldene sowie 17 Platin-Schallplatten, China steht Kopf, wenn James mit Orchester anrückt und in Deutschland können 93% der Bevölkerung mit seinem Namen etwas anfangen. James Last ist der King of Easy Listening, der in den 70ern gar vom King of Rock'n'Roll um eine Kooperation gebeten wurde.
Außerdem stehen in seiner heimatlichen Trophäen-Vitrine, falls er nicht ganze Räume dafür eingerichtet hat, der Deutsche Schallplattenpreis, die Goldene Kamera, das Goldene Grammophon und das Bundesverdienstkreuz am Bande (1978). James Last Superstar. Rolling Stones, Beatles, Michael Jackson; niemand verkauft so viele Platten wie der gebürtige Bremer. Soll er in Interviews einen Musiker nennen, der ihn an Verkaufszahlen überbietet, fällt ihm meist nur Frank Sinatra ein.
Im Laufe seiner langen und an Superlativen reichen Karriere musste sich James Last viele Spitznamen anheften lassen, von denen sich der zurückhaltende Musiker allesamt distanziert: "Gentleman Of Music", "Partykönig", "Mr. Happy Sound" oder "Käpt'n James". Für Freunde, Kollegen oder Fans ist er seit Anfang der 60er Jahre einfach nur der Hansi. Die vielen Spitznamen ersinnten vor allem Journalisten und die Marketing-Abteilungen seiner Plattenfirma. Last wehrte sich nie, sondern freute sich einfach über die Musik, die hinter all den Verkaufsetiketten und Plattentiteln zum Vorschein kam.
Erst 2004 setzt er sich durch: "They Call Me Hansi" heißt das Album anlässlich seines 75. Geburtstags. Das Image des Dirigenten in Weiß ist passé: Pop-Fotograf Anton Corbijn, der schon U2 und Depeche Mode ins rechte Licht rückte, setzt Last in düsteren Schwarzweiß-Bildern als Lone Ranger, als deutschen Johnny Cash in Szene.
Last behauptet, so viel Hans Last sei in früheren Fotos bislang nie zu erkennen gewesen. Doch seine Energie gehörte eben immer der Musik, nicht den Sorgen um sein Image. So lässt er Anfang der 60er Jahre widerstandslos seine Plattenfirma Polydor gewähren, als diese den Namen James für die erste Langspielplatte erfindet und startet lieber eine sensationelle Karriere.
Am 17. April 1929 in Bremen geboren, kommt Hans erstmals als Zehnjähriger mit Musik in Kontakt. Seine Eltern erlauben ihm Klavierstunden, die er aber weniger schätzt. Viel interessierter studiert er an der Heeresmusikschule Bückeburg 1943 den Bass. Nach Ende des Krieges verfällt er der amerikanischen Jazz- und Swing-Bewegung.
Nach einem Zwischenstopp im Tanz- und Unterhaltungs-Orchester von Radio Bremen, gründet Last 1948 das Last/Becker-Ensemble und verfeinert weiter sein Bassspiel. Mitte der 50er ist er bereits so bekannt, dass Schlagersternchen wie Freddy Quinn und Caterina Valente ihn als Arrangeur engagieren. Zur ersten James Last-Plattenaufnahme dauert es aber noch bis 1965: "Non Stop Dancing" markiert das Debüt.
Fortan unentwegt als "Meister der guten Laune" tituliert, macht Last unbeirrt weiter sein Ding, komponiert, arrangiert, dirigiert. Sein Geheimnis, erzählt er einmal, "liegt in der Einfachheit, dem guten Rhythmus". Dauerhafte Vorwürfe, er schaffe nichts als "Kitschsound" und "Plastikmusik", wischt er beiseite, indem er an die glücklichen Gesichter der Menschen in seinen Konzerten denkt.
"Games That Lovers Play" ist seine erste eigene Hit-Komposition, die auch auf finnischer und japanischer Sprache erscheint. Albumtitel wie "Voodoo Party", "Auf Last Geht's Los", "Viva Vivaldi" oder "Polka Party" deuten die Stilvielfalt an, die sich Last im Laufe von bald fünf Jahrzehnten vornimmt. Ob "Macarena", das "Rocky"-Theme oder "My Heart Will Go On"; nichts ist vor James Lasts Interpretationsinteresse sicher.
Doch vor allem seine Tourneen machen den Mann zum Publikumsliebling, bevorzugt englische Fans reisen dem Mann ins Ausland nach, jener revanchiert sich mit zweieinhalbstündigen Konzerten. 1987 spielt Last erstmals in Gera, Cottbus und Ost-Berlin (auf DVD erhältlich).
Nach dem Tod seiner Frau Waltraud lebt der Musiker mit seiner zweiten Frau Christine im Sonnenparadies von West Palm Beach, Florida, inmitten eines riesigen Golfgeländes. Dort empfängt er auch die späten Ehren der jüngeren Generation. Hip Hopper Puff Daddy entdeckt den James Last-Song "Fantasy" und bittet um die Rechte, die Hamburger Band Fettes Brot lädt den Bremer gleich zu einer Kooperation ins Studio ein: Ergebnis ist der swingende Hip Hop-Song "Ruf Mich An" (1999).
2003 stößt Wu Tang Clan-Chef RZA auf die zeitlose Melodie des "Einsamen Hirtens", den Last einst mit Panflöten-Star George Zamfir gemeinsam einspielte. RZA schwärmt: "'Der einsame Hirte' ist eines der wandlungsfähigsten Musik-Arrangements, die ich jemals kennengelernt habe. Es beinhaltet verschiedenste Genres, von Spaghetti-Western über Samurai-Fechtkunst bis hin zu Hip Hop-Dichtkunst. Die Titelmusik für einen Meister."
Der Song inklusive RZA-Raps taucht später in Quentin Tarantinos "Kill Bill"-Streifen auf. Als im selben Jahr über ein Geburtstagsalbum mit prominenten Gästen diskutiert wird, ist noch lange nicht abzusehen, zu welchen Star-Ausmaßen das Projekt gedeihen sollte. Doch schließlich melden sich haufenweise Künstler für eine Last-Hommage: Herbert Grönemeyer, Tom Jones, Xavier Naidoo, Jan Delay und Pavarotti sind nur einige Namen.
Auch das Duett mit Elvis Presley findet sich darauf, "einer meiner schönsten Momente", wie Last selbst sagt. "Früher wollte ich sogar Rocker sein", lautet ein weiteres seiner ungezählten Zitate. Im Jahr 2004 ist James Last ganz nahe dran.
2008 betreiben findige Mitarbeiter im Hause Universal Archäologie und stoßen auf das Album "Well Kept Secret". Dieses entstand 1975 in Zusammenarbeit mit amerikanischen Jazz-Musikern in Los Angeles und zielte darauf ab, für Lasts Durchbruch auf dem US-amerikanischen Markt zu sorgen.
Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los: In den USA interessierte man sich kaum für den swingenden Deutschen, dem heimischen Publikum erwiesen sich die glitzernden Funk-Arrangements als um Jahre voraus. "Well Kept Secret" machte seinem Namen alle Ehre, verschwand in der Versenkung und spukte lediglich durch die sehnsuchtsvollen Träume einiger weniger kundiger Funk-DJs.
Denen bereitet die Wiederauflage der verschüttet gegangenen Perle im April 2008 besonderes Vergnügen. Unter dem Titel "James Last In Los Angeles" ist das gute Stück frisch poliert erhältlich: erstmals als CD, aber auch in bewährter Vinyl-Form.
Im Juni 2015 verstirbt James Last "nach kurzer schwerer Krankheit" im Kreise seiner Familie in seiner Wahlheimat Florida.
1 Kommentar
Denk ich an James Last seh und hör ich Marlon Brando in Apocalypse Now aus dem Halbschatten "Das Grauen..." raunen - wieviel tolle Musik hat der Mann mit seinem Orchester aufs allerübelste gemeuchelt, furchtbar. Kann aber nicht bestreiten, dass "In Los Angeles" was ganz anderes ist - vielleicht hätte er damals die eigenen Ansprüche/das eigene Können über den Erfolg stellen sollen...