laut.de-Kritik

Beim Rückkauf der Fanseelen erlauben sich die Priester ein paar Schnitzer.

Review von

"Ich höre mir unser altes Zeug freiwillig nicht oft an. So was langweilt mich total. Alles, was ich will, ist, neue Songs zu schreiben und auf zu nehmen." So O-Ton Rob Halford. Sechs Jahre nach dem letzten Manöver "Nostradamus" und drei Jahre nach Abgang K.K. Downings nun also doch das kaum mehr für möglich gehaltene Comeback.

Das ebenso unrühmliche wie plötzliche Ende des Bundes mit Downing hätte die Band um ein Haar vernichtet. All zu gewichtig war dessen Rolle in Songwriting und Arrangement. Dazu die plausiblen Zweifel Halfords, ob es überhaupt möglich sei, echte Priest-Magie 40 Jahre nach "Rocka Rolla" für Studioalbum Nr. 17 noch einmal wieder zu erwecken. Die Lösung bestand darin, als Band enger zusammen zu rücken und den "Neuen", Richie Faulkner, von der ersten Sekunde an als vollwertiges Mitglied einzubinden. Das Ergebnis der ungewohnten Priest-Harmonie ist als Album wohl kein Meilenstein, hat dafür aber ein paar herausragende Einzelleistungen im Schlepptau.

Der Einstieg gelingt solide. "Dragonaut" und der Titelsong geben die einzig mögliche Richtung vor: Purer, sehr klassischer Heavy Metal regiert. Faulkner und Tipton harmonieren perfekt. Die klaffende Downinglücke ist Geschichte. Der Metal-God am Mikro knippst derweil zuverlässig die unnachahmlich typische Mischung aus Hohepriester und Ledermacho an. "Father of sin, I'll drag you all in!" Na, dann mal los!

Trotz hübscher Melodien und schicker Rhythmusgitarren lockt der Beginn noch nicht so recht hinter dem Ofen hervor. Mehr "Pegel halten" als Euphorie. Das ändert sich schlagartig mit dem grandiosen "Halls Of Valhalla". Alle metallischen Hymnen- und Heldenklischees, die Manowar der Welt noch noch nicht von den Knochen nagte, vereinen sich in diesem Lied, souverän mit Asgaard-Pathos und Liebe zum Detail inszeniert. Die ganz große Geste war schon immer eine ihrer Stärken. Dazu herrlich dramatisch aufgebaut und mit herrlich verschachtelten Gitarren verziert. Abslotuter Anspieltipp!

So geht das in einer Tour munter weiter. Prickelnde Perlen und mediokre Murmeln geben einander die Klinke in die Hand. Beim lahmen "March Of The Damned" etwa klingt Halford seltsam ozzyhaft sediert. Eher ein Marsch der Müden und Abgezehrten. Auch der eigentlich dynamisch angelegte "Metalizer" funktioniert nicht, da Halfords Stimme seltsam unorganisch über den Instrumenten schwebt. Hinter den vorpreschenden Gitarren schleppt sich der Sänger als Bremsklotz mit der Eleganz eines Brauereigauls ins Ziel. Das Lied wäre ohne Vocals wesentlich effektiver. Und das unentschlossen vor sich hinpeitschende "Crossfire" verdient sich redlich den Stempel "Rockismus statt Rocka Rolla".

Doch immer, wenn Judas Priest ihr Händchen für Atmosphäre mit dem anscheinend angeborenen Ohrwurmtalent kombinieren, macht es viel Spaß. Hier die volle Schlachtplatte mit schlammkrustigen Kettenpanzern in ganz alter NWOBHM-Tradition ("Sword Of Damocles"). Dort eine Highway taugliche Monstermelodie ("Down In Flames") in einem Meer monumentaler Sechssaiter. Allein das Duell strenger Rhythmusgitarren mit den melodischen Parts ist den Eintritt wert.

Auf der Zielgeraden erlauben sie sich keinen Tüdelkram mehr. "Cold Blooded"/"Secrets Of The Dead" sollten Freunden ihrer majestätischen Seite analog "Out In The Cold" oder "Blood Red Skies" gefallen. Und mit "Battle Cry" noch mal eine dieser leidenschaftlichen Bluttrinker- & Torfstecher-Hymnen, ohne die das Genre Metal nur halb so liebenswert wäre.

Wenn die Platte dann mit der zarten - auf ausnahmsweise angenehme Art weihnachtstauglichen - Bluesballade "Beginning Of The End" ausklingt, bekommt der Hörer ein ähnlich beklommenes Gefühl des Abschieds wie beim letztjährigen "End Of The Beginning" vom Album der Bruderband Black Sabbath. Anders als letztere erlauben sich die Priester beim Rückkauf der Fanseelen ein paar Schnitzer. Gleichwohl: Wer sich die Scheibe von 60 auf 40 Minuten zusammenschneidet, erhält acht, neun scharf gewürzte Comeback-Tracks. Der metal god ist längst nicht tot. Er bräuchte nur ab und zu ein Sauerstoffzelt oder den Darth Vader-Anzug.

Trackliste

  1. 1. Dragonaut
  2. 2. Redeemer Of Souls
  3. 3. Halls Of Valhalla
  4. 4. Sword Of Damocles
  5. 5. March Of The Damned
  6. 6. Down In Flames
  7. 7. Hell & Back
  8. 8. Cold Blooded
  9. 9. Metalizer
  10. 10. Crossfire
  11. 11. Secrets Of The Dead
  12. 12. Battle Cry
  13. 13. Beginning Of The End

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21 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ich find den Gesang von Halford durchgängig so unfassbar schwach; gerade beim Refrain des Titeltracks dachte ich mir nur noch, dass der mich doch verarschen will. Musikalisch viele langweilige Tracks, die es bei früheren Alben nicht mal als B-Seite gegeben hätte ("March of the Damned"), und ein paar wenige, die man sich vielleicht gut anhören kann, wenn man besoffen ist ("Halls of Valhalla"). Trotz geringer Erwartungen wurde ich von dem Album noch ordentlich enttäuscht - bestenfalls 2/5, aber wirklich nur unter Drogeneinfluss und einer gehörigen Portion Nostalgie.

  • Vor 10 Jahren

    Klingt ja doch beser als erwartet. Ich bin gespannt.

  • Vor 10 Jahren

    Hupps, wer ist da aus der Kiste gehüpft.....drinen wars wenigstens dunkel.

  • Vor 9 Jahren

    Irgendwie bleibt bei mir außer Dragonaut, Battle Cry, Metalizer und Never Forget nichts hängen. Auch nicht nach der 8. Rotation. Aber die Aufnahmequalität ist auch ziemlich beschissen, muss ich sagen.

  • Vor 9 Jahren

    Haha, Marsch der Müden und Abgezehrten, so sind sie halt die Zombis :-) Vielleicht ist der Gesang bei dem Song ja daher grad absichtlich so ;-) Find den Song saucool und die Riffs darin, einfach göttlich!
    An die anderen Nörgler hier:
    Hier gehn viele offensichtlich mit falschen Erwartungen heran und erkennen die meisterliche Musik nicht ;-) Und wenn dann noch jemand behauptet, man könne jedes schlechte Album nach mehreren Durchläufen mögen... Aber es ist doch oft grad so, daß genau diese Alben für immer hängen bleiben, die die sofort zünden werden schneller wieder langweilig...

    • Vor 8 Jahren

      Das heißt Alben wie "Sad Wings of Destiny", "Screaming for Vengeance" und "Painkiller" sind für dich seit Langem schon Langweiler...

  • Vor 3 Jahren

    Danke ich liebe das album und der kritiker hat scheinbar keine Ahnung von rock oder metal.

    • Vor 3 Jahren

      Und du nicht von Interpunktion sowie Groß und Kleinschreibung, zuviel Headbanging?

    • Vor 3 Jahren

      Wir versuchen schon seit Jahren per Userbegehren laut.de dazu zu bringen, Rezensenten ausschließlich den Alben zuzuordnen, die sie ausdrücklich präferieren. Mich persönlich nervt vor allem, dass es Bewertungen unterhalb von 5 Sterne gibt. Kunst ist völlig frei von jeglicher Bewertung!

    • Vor 3 Jahren

      Da muss ich die Unwissenden immer mit den Geheimtipps erleuchten...

      ...denn wenn ihr Rezis wollt, die der unkritischen Lobhodelei eures bedingungslos unterwerfenden Fandoms nur noch den passenden Jubelperser für die mehrfach täglich zu wiederholenden Anbetungen eurer Idole unterschieben, solltet ihr euch vielleicht mal näher mit der wunderbar wahn- bis schwachwitzigen Rezensionswelt der Verkaufsportale für Produkte eurer Idole befassen.

      Der sich selbst dabei bis heute unfassbar ernst nehmende größte Witzbold in Sachen Musikrezension war für mich lange EMP.

      Die schreiben wirklich "Rezis" zu Neuerscheinungen. Gar nicht mal so wenige waren das vor 20-25 Jahren. Obwohl ich wusste und weiß, dass es andere Gründe dafür gab und gibt, dass bei denen jede/r in der Red. alles an allen Neuerscheinungen einfach supigeil findet, hab ich mir immer vorgestellt, wie die da gemeinsam im Red-Raum ihre Lobgesänge und Textbausteine während ständig wechselnder und vom Arbeitgeber finanzierter Halluzinogen- und Metamphetamin-Sessions ersinnen, die natürlich stets moderiert und begleitet werden von nem Eso-Europäer, der dafür halbseiden ein schamanischen Ayahuasca-Format umstrukturiert hat, bei welchem er in den 90ern während eines dreiwöchigen Peru-Urlaubs mal Teilnehmer für ein Wochenende war.