laut.de-Biographie
Kabaka Pyramid
"The youths, they can't write, they can't read". Dass Jamaika ein schweres Bildungsproblem hat, wurde in seinem wichtigen Exportgut Reggae-Musik nie so deutlich angesprochen wie von Keron Salmon, der sich Kabaka Pyramid nennt. Geburtsdatum unbekannt, auf jeden Fall Teil des 'Roots Reggae-Revivals', einer Generation von Musikern, die zwischen 1981 (Protoje als der älteste) und 1992 (Chronixx als der jüngste) geboren sind. Auf Kabaka Pyramid ruhten ab 2011 große Hoffnungen:
Die Verschmelzung von Hip Hop und Reggae und Öffnung der Genres traut man ihm zu (in Deutschland seit Seeed ein alter Hut). Politische Texte, im Sinne dessen, das Erbe von Bob Marley und Peter Tosh anzutreten – bei Kabaka hört man sie heraus. Jamaikanischen Reggae seriös und ohne "explicit content" zu betreiben - seine Stärke. Man erwartete bei dem jungen Mann aus Kingston zunächst also einen Rastafari, der Conscious Rap mit der Ausstrahlung eines Bob Marley machen würde.
Kabaka ist einer der gefragtesten Festival-Acts aus der Karibik in Europa. Im deutschsprachigen Raum buchten ihn bereits mehrmals das Summerjam, neben vielen anderen. Um Kabaka kommt man nicht herum.
Dazu lohnt sich ein Blick in die Vorgeschichte: 1981 stirbt Bob Marley, 1992 setzt mit dem Erscheinen von "Iron Lion Zion" der posthume Kult um Marley ein, Nachfolger werden gesucht, seine diversen Söhne erscheinen auf den Bühnen Europas und der USA. Auf Jamaika kommt 1992 das Debütalbum von Garnett Silk heraus, den manche für den nächsten Stern am Roots-Firmament halten.
Leider stirbt Garnett bei einem Unfall im Haushalt, 1994. Dass weder Damian Marley noch Stephen oder Ziggy das Zeug zum 'neuen' oder nächsten Bob haben, wird noch in den 1990er Jahren klar. Ein Brite wie Macka B kann die Rolle nicht füllen - bringt dem Reggae in Europa in den '90er Jahren jedoch Nachwuchs-Fans. Streit um Slackness (Sexismus, Schwulen- & Lesbenfeindlichkeit, Gewaltverherrlichung) von Texten jamaikanischer Dancehall-Sänger lässt das gesamte Genre in den 2000er-Jahren auf einen Image-Tiefpunkt sacken.
Anfang der 2010er Jahre sind der jamaikanische und auch der europäische Markt reif für das nächste große Ding. Je mehr die Skandale um den angeblich bösen Dancehall abebben (im Zuge derer auch seriöse Artists wie Beenie Man in eine Schmuddelecke gesteckt werden), desto mehr sind die 'Roots' auf einmal wieder angesagt.
Auf Jamaika selbst läuft Roots-Musik vergleichsweise geringfügig im Radio. Im Ausland kommt das aber an. Die 'Roots Reggae-Revival'-Bewegung umfasst in ihrem engsten Kern Protoje, Chronixx, Jah9 und Kabaka Pyramid. Doch dieses Quartett gibt es offiziell gar nicht. Die vier Protagonisten verfolgen völlig unterschiedliche musikalische Ansätze und Geschäftsmodelle und stehen für unterschiedliche Camps, Kreativ-Werkstätten, in denen auch andere junge Acts betreut und marktreif gemacht werden.
Protoje steht mit seinem Team mehr für das ländliche Jamaika, für eine Hinwendung zum Soul & Funk der '70er, für einen hohen Bildungsanspruch. Chronixx jobbt als Adidas-Model und ist bei Virgin unter Vertrag. Jah9 ist eine Weltreisende, die sich stilistisch mehr und mehr mit Dub umgibt, von Hip Hop so weit entfernt ist wie Blumfeld von Heavy Metal.
Kabaka Pyramid kommt wie Protoje aus dem Hip Hop-Umfeld, bewegt sich aber immer konsequenter in dieses Terrain zurück. Im Interview sagt er, dass er sich auch als zugehörig zur "hip hop arena" fühle. Zu seinen Hobbies zählen Lesen (gerne Historisches, Non-Fiction, religiöse Werke wie die Bibel, Dokumentarisches über Afrika), Ballspiele mit seinen Bandkollegen von den Bebble Rockers und Yoga, wobei er Letzteres unter anderem wegen Rückenproblemen ausübt. Über Yoga singt er im Song "Liberal Opposer" auch ("I'm a [...] practitioner of yoga"), es bedeutet ihm sowohl spirituell wie auch für die Entwicklung seiner Atemtechnik viel.
Vor sozialkritischen Texten schreckt er nicht zurück ("Well Done", "Mister Politician Man"). Das 'Kabaka' in seinem Pseudonym steht für den Amtstitel des Königs von Buganda, bis 1997 Teil einer Region Ugandas war. Sie steht symbolisch für den Widerstand gegen Kolonialisierung und willkürliche Grenzziehungen. 'Pyramid' ist in der Namenskombination des Künstlers eine eher willkürliche Wahl, um seinen Bezug zur Geschichte, einem seiner Hobbies, zum Ausdruck zu bringen. Auf dem Song "Kabaka Vs Pyramid" (2016) stellt er zwei Figuren, Kabaka als Reggae-Helden und Pyramid als Rapper einander gegenüber und toastet und rappt über sich selbst aus zwei Rollen heraus.
2018 veröffentlicht Kabaka Pyramid "Kontraband", zuvor (2016) ein Mixtape mit Walshy Fire, schwach promotet, doch mit ein paar starken Ideen. "Lead The Way", eine EP mit immerhin zehn Tracks plus drei Bonus-Titeln, also mit 13 verschiedenen Tunes doch mehr, als viele Alben umfassen – 2013, überwiegend digital vertrieben, ein paar Vinyl-Pressungen, letztere längst vergriffen.
Die "Rebel Music EP", zehn Titel, wenn man das lange Intro und Outro jeweils mitzählt – 2011, verkauft sich anfangs gut in den USA. Die Bedürfnisse des amerikanischen Geschmacks bediente sie ganz gut. Kabaka hat 2014 einen Gastauftritt auf dem Album "Hit Me With Music" der Münchner Sängerin Sara Lugo und 2016 auf "Rebel Frequency" der Australierin Nattali Rize.
Nattali ist sein Support-Act bei einer US-Tournee im Herbst 2022, für die er sich nach unzähligen Gastbeiträgen auf anderer Leute Singles endlich wieder mit einem eigenen umfangreichen Album zu Wort meldet. "The Kalling" umfasst gemeinsame Beiträge von Stephen und Damian Marley, Damians Entdeckungen Black-Am-I und Answele, Jemere Morgan (Sohn eines Morgan Heritage-Sängers), Protoje, Buju Banton und weiterer Gäste und erscheint am 30. September '22.
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