laut.de-Kritik
Rap mit zwei Gesichtern. Und keiner merkt's.
Review von Alexander EngelenJustus League's on fire! Im Schatten der großen Namen der Rap-Industrie mausert sich ein Künstlerkollektiv zur "hardest working crew in showbiz" und keiner merkt's. Der lose Verbund um die neuen Underground-Helden Little Brother aus North Carolina arbeitet in höchster Frequenz und erfreut mit jedem neuen Release die Hip Hop-Fans. L.E.G.A.C.Y. beschreibt das Camp mit den Worten: "Hall of Justus is like Death Row in the 90ies". Zumindest gilt das für die Masse an Veröffentlichungen. Inhaltlich liegt die Hall Of Justus eher so weit von Suge Knights-Westcoast Label entfernt wie Los Angeles von Durham, North Carolina.
Im Zentrum des Justus League Camps steht Produzent 9th Wonder, der schon bei Jiggas "Black Album" an den Reglern drehte. Aus seinem äußerst musikalischem Inneren sprudeln Beats wie am Fließband, die stets einen wunderbaren Zauber ausstrahlen, indem sie die Leichtigkeit des frühen Neunziger-Raps mit Innovationen à la Trackmasters und Kanye West vermengen. Anfang Mai veredelte 9th noch komplett Kazés "Spirit of '94: Version 9.0" zu einer Ode an den straighten Street Hop, jetzt übernimmt er die Hauptarbeit am neuen Album von L.E.G.A.C.Y. (Life Ends Gradually And Changes You).
"Project Of Mayhem" folgt zwei roten Fäden: dem Sound der Neunziger und verschiedenen Szenen des Streifens "Fight Club". Da war Edward Norton gut darin, Seife herzustellen und Brad Pitt, sich selbst und ein Haufen anderer Streitsüchtiger zu verprügeln. L.E.G.A.C.Y. hingegen rockt die Mikrofone ohne Rücksicht auf Verluste. Das erste Drittel der Platte geht gut nach vorne, lässt den Kopf nicken und über die eine oder andere Punchline schmunzeln. Fazit: astreiner Wohlfühl-Rap.
Wahre Größe erreicht L.E.G.A.C.Y. jedoch bei den nachdenklichen Stücken, die 9th auf eine smoothe Essenz aus Drums und Sample zurückschraubt. "Cold As A Butcher" macht den Anfang. Das Tempo geht ein wenig runter, die Stimmung verdunkelt sich, der Protagonist beginnt mit seinen teils wehklagenden, teils traurigen Geschichten. L.E.G.A.C.Y. leidet unter emotionaler Kälte ("Cold As A Butcher"), findet keinen Schlaf ("Insomnia") und resümiert über all den Schmerz, den er bereits in seinem Leben fühlte ("Pain In Life"). Die Sängerin Kiesha Shontelle holt ihn betörend aus seinem Loch heraus ("Sista Girl"), um ihn jedoch gleich darauf auf "Broken Heart Disease" endgültig an einem gebrochenen Herz verenden zu lassen.
"Project Mahyem" hat - neben dem etwas missglücktem Titel - zwei Gesichter. Das eines hungrigen Rappers, der der Szene zeigen will, dass er ein Mikrofon nicht nur halten kann. Und das eines in sich gekehrten Denkers, der das Mikro dazu benutzt, sich das Erlebte von der Seele zu reden. In beidem macht L.E.G.A.C.Y. eine überdurchschnittliche gute Figur. Bitte, mehr davon. Aber auf das kann man sich bei den Jungs der Justus League ja verlassen.
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