laut.de-Kritik

Für dieses Mädchen muss noch Platz im Herzen sein.

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Wie viel Folkpop verträgt die Welt? Wie viel akustisches Herzeleid können wir noch hören, ohne selbst in die depressiven Abgründe eines Bon Iver zu rutschen? Wie viele Frauen mit glockenhellen Stimmen können wir noch in unsere Herzen schließen? Hat nicht Dear Readers Cherilyn McNeil schon all unsere Liebe für sich in Beschlag genommen? War es nicht schon eng in der Vorkammer, als Edward Shape mit seinen Magnetic Zeros auf die Bildfläche trat? Egal, wie vollgestopft unser Hauptorgan bereits ist: Für dieses eine Mädchen muss noch Platz sein. Für Maria Taylor.

Betrachtet man all ihren musikalischen Output, müsste da aber schon noch eine große Ecke unbesetzt sein. Mag uns auch der Name fremd klingen, Maria Taylor ist kein Neuling. Neben Karrieren in diversen Bandprojekten (unter anderem als eine Hälfte von Azure Ray) sang und schrieb sie für Moby auf dessen Album "18" und wandelt nun mit "Overlook" bereits zum vierten Mal auf Solopfaden.

Ein "Mädchen" ist Taylor mit ihren 35 Jahren eigentlich auch nicht mehr. Aber sie klingt eben so. So wunderbar unschuldig und manchmal ganz verletzlich, ohne ins Weinerliche zu entgleisen. Ganz im Gegenteil, verglichen mit eben aufgeführten Folk-Kollegen wie Bon Iver dreht sie regelrecht auf. Dabei bleibt ihre Instrumentierung mit Akustikgitarre, leisem Bass, Piano und Schlagzeug klassisch und bodenständig. Den Synthesizer setzt sie nur mit größter Vorsicht ein, er scheint dann um so cleverer platziert ("Masterplan").

Dabei tönt die amerikanische Herkunft aus jeder Pore Taylors. Die beruhigten Hippiesounds ("Happenstance", "This Could Take A Lifetime", "Along For The Ride") können nur in ihrer Heimatstadt in Alabama entstanden sein. Aus dem hektischen Los Angeles zog sie für die Aufnahmen nach Birmingham, AL zurück zu Geschwistern und Freunden, die alle beim Album mitwirken. Man kann es sich bildlich vorstellen, wie sie gemeinsam am Lagerfeuer sitzen, an den Songs Taylors tüfteln und ihrer Stimme lauschen, wie sie zwischen Selbstbewusstsein ("In A Bad Way") und hauchzarter Zerbrechlichkeit ("Idle Mind") schwankt.

Damit lässt Taylor uns das ein oder andere Mal mit offener Kinnlade zurück. "Masterplan" zum Beispiel beeindruckt so sehr mit aufblitzenden Drums und Taylors Zukunftsmalerei, dass es das darauf folgende "Matador" völlig überschattet. "Bad Idea?" ist die vertonte Lebensfreude, während "Idle Mind" oder "Happenstance" an Melancholie kaum zu überbieten sind. "In A Bad Way" liefert den Track für die Fahrt in den Sommerurlaub. Fenster auf, Fahrtwind, Sonnenschein, aus den Boxen schallt eben jener in akustischer Form.

So zeigt sich die Palette an Emotionen, die Maria Taylor primär mit Stimme und Akustikgitarre erzeugt, erstaunlich vielseitig. Damit beeindruckt sie nicht nur beim ersten Hören, sondern auch noch beim zweiten, dritten, vierten, fünfzigsten Mal. Bisher durfte Taylor uns höchstens im Hintergrund bei ihren Beiträgen für TV-Serien wie "Grey's Anatomy", "Private Practice" oder "Scrubs" die Gehörgänge kitzeln. Spätestens mit "Overlook" beweist sie, dass der Hintergrund eigentlich gar nicht ihr Platz ist. Ihr Platz ist eher in unseren Herzen. Da müssen Bon Iver, Cherilyn McNeil und Edward Shape eben noch ein bisschen zusammenrücken.

Trackliste

  1. 1. Masterplan
  2. 2. Matador
  3. 3. Happenstance
  4. 4. Like It Does
  5. 5. Bad Idea?
  6. 6. Idle Mind
  7. 7. In A Bad Way
  8. 8. This Could Take A Lifetime
  9. 9. Along For The Ride

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