laut.de-Kritik

Mit einer Drum-Machine-App ins Reich der Dunkelheit.

Review von

Mark Lanegan ist kein monogamer Musiker. Vielmehr ist er ein Künstler für eine Nacht, ein tiefstimmiger Barde, der zwar den Blues predigt, sich dafür aber immer wieder gerne in Bereiche wagt, in denen ähnlich gestrickte Kollegen nicht mal einen Fuß reinsetzen würden.

Das unaufhörliche Suchen nach neuen musikalischen Herausforderungen ist dem ehemaligen Screaming Trees-Frontmann wichtiger, als das permanente Drehen im Kreis. Auch auf seinem neuen Album präsentiert sich der Sänger mit dem markanten Lou Reed-Timbre wieder experimentierfreudig und abseits gängiger Routen.

Statt sich mit anderen Mitmusikern den Kopf über neue Sounds zu zerbrechen, betätigt Lanegan anno 2014 lieber den Einzelgänger-Button. Nur mit Hilfe einer Drum-Machine-App und eingearbeiteten Gitarren- und Synthie-Klängen reist der Amerikaner zurück in die frühen Achtziger. Damals spielten Bands wie Echo And The Bunnymen und Joy Division eine große Rolle im Leben des Sängers.

Auch Größen wie Depeche Mode oder New Order flanierten seinerzeit auf den Pracht-Boulevards des Pop. Mark Lanegan macht sich all diese Erinnerungen zunutze und vereint sie mit seinem dunklen Bariton zu einem mystisch anorganischen Ganzen fernab der Neuzeit.

So flirren auf den Songs "Floor Of The Ocean" und dem düsteren Rausschmeißer "Death Trip To Tulsa" jede Menge linientreue Synthies umher, während sich zischende Beats und knarzige Effekt-Einschübe um Lanegans stoische Gesangsdarbietungen wickeln. Der Eigenbrötler aus Übersee suhlt sich wie kein Zweiter in schwermütiger Schönheit, auch wenn dem einen oder anderen Gang ins Dunkle ein hin und wieder aufflackerndes Licht sicher gut getan hätte ("Seventh Day", "Waltzing In Blue").

Der Umstand, dass sich letztlich immer nur dann ein Sonnenstrahl durch die dicken Wolkendecken kämpft, wenn Lanegans Stimme die alleinige Führung übernimmt, zeigt, wie undurchsichtig und vernebelt sich der Background präsentiert. Da ändern auch kurzweilige Elektro-Pop- und Indie-Rock-Einwürfe nichts dran ("The Killing Season", "Harvest Home").

Mark Lanegans neuester Studio-Streich ist ein schwerer Brocken geworden, an dem sich so manch eingefleischter Fan sicher die Zähne ausbeißen wird. Derweil brütet der Amerikaner sicher schon über der nächsten musikalischen Metamorphose.

Trackliste

  1. 1. Harvest Home
  2. 2. Judgement Time
  3. 3. Floor Of The Ocean
  4. 4. The Killing Season
  5. 5. Seventh Day
  6. 6. I Am The Wolf
  7. 7. Torn Red Heart
  8. 8. Waltzing In Blue
  9. 9. The Wild People
  10. 10. Death Trip To Tulsa

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Mark Lanegan

Er sei getrieben von der Suche nach dem perfekten Verhältnis zwischen Laut und Leise, versuchte Mark Lanegan einmal, sein disparates Werk auf einen griffigen …

3 Kommentare