laut.de-Kritik
Von Liebe, Wahrheit und dem Guten im Menschen.
Review von Thomas HaasEs verwundert schon etwas, dass 2016 ausgerechnet aus der Gewalthochburg Chicago vornehmlich Alben entspringen, denen statt düsterer Momentaufnahmen und gewaltsamer Statusberichte ein positiv, spiritueller Geist innewohnt. Kanye hat es vorgemacht, Chance The Rapper hat es in dieser Hinsicht vielleicht noch intensiver betrieben. Es gibt allerdings noch einen Rapper, der bereits seit Jahren unbeirrt von Liebe, Wahrheit und dem Guten im Menschen predigt: Mick Jenkins.
Vor gut zwei Jahren im Dunstkreis von Joey Bada$$ Pro Era-Crew aufgetaucht, folgt Jenkins seinem rühmlichen Mantra: "Drink more water". Was in etwa so viel bedeutet wie: die Wahrheit aussprechen, aufrichtig durch die Welt gehen und sich nicht verblenden lassen. Nach zwei grandiosen Mixtapes "The Water[s]" und "Waves" ist "The Healing Component" der von langer Hand geplante Auftritt auf der ganz großen Bühne. Das zugrunde liegende Thema des Debüts: "Spread love".
"What do love got to do with the point? / It's the soothe in your water, it's the truth in your joint/ All that gold is overrated/ What do you do with your coin?/ We gon' try do spread some love with it", rappt Jenkins in "Spread Love" auf einer warmen und zugleich äußerst fragilen Produktion von Soulection-Soundpionier Sango. Manch einem mag der Vortrag das Chicagoers stellenweise zwar lehrerhaft vorkommen. Wer sich aber nur ein Videointerview von Jenkins zu Gemüte führt, wird verstehen: Er bemüht sich nicht verkrampft um Gutmenschentum und dergleichen, sondern ist schlicht und ergreifend authentisch in dem, was er tut.
Das kann im Umkehrschluss auch bedeuten, einen wichtigen und gleichzeitig bisher besten musikalischen Beiträge zur amerikanischen Debatte um Polizeigewalt und institutioneller Rassendiskriminierung zu leisten. Genau das nämlich ist "Drowning". Auf freudloser Instrumentierung von Kanadas finest Jazz-Band BADBADNOTGOOD nimmt Jenkins Bezug auf den Tod von Eric Garner ("I can't breathe, I can't breathe") und stellt im gleichen Atemzug die Autorität von Obrigkeiten infrage: "When the real hold you down, you supposed to drown right?/ Wait, wait, that don't sound right".
Diesen gewaltigen Standard hält "THC" leider nicht die komplette Zeit über durch. Zu sehr entschleunigen die ständig wiederkehrenden gesprochen Skits und Outros die Platte. Auch auf musikalischer Seite hält "The Water[s]" die vielleicht noch dringlicheren dunklen Momente bereit, "Waves" hingegen die smootheren Hooks und Bridges. Klar, "Communicate" auf einem funky Kaytranada-Beat, den mittlerweile auch der letzte Realkeeper aus drei Kilometern Entfernung zuordnen kann, funktioniert sowohl auf dem Dancefloor als auch im Albumkontext. Auch "As Seen In The Bethsaida" mit dem omnipräsenten theMIND macht dank satter Bassline vieles richtig.
Lyrisch behält Jenkins stets die übergeordneten Zusammenhänge im Blick. Er rappt über Liebe zu sich selbst (ebenfalls ein zentrales Thema in Kendrick Lamars), Liebe zur Familie, zu Freunden, zu Gott, zur eigenen Kultur oder schlicht zum Gegenüber. "This THC ain't just no fuckin weed, this ain't no weed / I think I might have what you want, yeah / You know I keep it watered for the tree, yeah / My niggas' only focus be on what they want/ But god as witness love is all you need / And that's just basics for you". Sollte man vielleicht einfach mal so stehen lassen.
1 Kommentar
Wave[s] ist kein Mixtape, sondern eine EP.
Zum Album: Grandios!