laut.de-Kritik

Sein schrulliger Pop ersäuft in Massen-Billigbeats.

Review von

Mika und ich – wir begleiten uns schon eine ganze Weile. Ich habe Mika live gesehen, ich habe Mika interviewt, habe "The Boy Who Knew Too Much" rezensiert. Ich besitze in den Tiefen meiner Festplatte sogar ein Foto, auf dem Mika und ich Arm in Arm in die Kamera grinsen. Ich mag Mika. Ganz ehrlich. Ich finde den ursympathisch mit dem ganzen Glitzer und den Übertreibungen und den Quietschfarben.

Und als jemand, der Mikas Leben und Karriere quasi von seinen Kinderschuhen an miterlebt hat, bin ich ganz verzückt von der äußerlichen Entwicklung des "Grace Kelly"-Sängers, der auch mal in Unterhosen durchs Bild hüpfte. Als ich nun "The Origin Of Love" in den Händen halte, kommen Muttergefühle in mir hoch: Stolz wie Oskar bin ich auf mein Kind, das mir hier mit Hemd, geordneter Frisur und erstem Blick entgegenseriöst.

Doch mein Stolz schwingt in leichten Missmut bis Unverständnis um, als die ersten Töne erklingen. Mika hat sich für "The Origin Of Love" gemeinsam mit Nick Littlemore (Empire Of The Sun) einem überseichtem Dance-Pop verschrieben. Dies beginnt bereits beim Einstiegstrack "Origin Of Love", geht weiter bei "Stardust" und endet mit "Celebrate" samt Pharrell Williams. Man mochte früher Mikas nasale, schrille Stimme lieben oder hassen. Das spielt nun keine Rolle mehr. Sie geht (wie beispielsweise bei "Origin Of Love") im Massen-Billigbeat unter oder wird vollends verzerrt im Roboterstyle wiedergegeben. Besonders schlimm grassiert das Effektgerät-Virus bei "Make You Happy", aus dem man sicherlich einen schönen Popsong hätte machen können. Nun kommt er aber so überladen daher wie die Taschen eines Kindes allein im Süßigkeitenladen.

Besser funktioniert das ruhigere "Lola". Mikas Stimme kommt hier authentischer rüber – erwachsener klingt der Song, zurückhaltender und nach ernsthaft erarbeiteter Popmusik. "Kids" überrascht mich, ob positiv sei mal dahingestellt. Gerade als ich überlege, meine Meinung über Mika und seinen More than happy-Pop zu ändern, erklingen wie auf Knopfdruck doch noch die altbekannten Chorgesänge.

Beim "Popular Song", einem Stück aus dem Musical "Wicked", versucht sich Mika neben Priscilla Renea im Sprechgesang. Das Duett wirkt dann eben wie aus einem Disney-Film und dementsprechend etwas flach, ist aber immerhin ganz witzig. Auch "Underwater" klingt okay – ohne die Pump-Pump-Pumper klänge es halt nur schöner. Das gleiche mit "Overrated": Netter Ansatz, aber sogar mein mütterlich-wohlwollendes Ohr ist von so viel musikalischem Kitsch überfordert.

Zu alten Hochtouren läuft Mika bei "Love You When I'm Drunk" auf. Für Mika-Verhältnisse schon fast Laid-Back-Sounds und karibische Anleihen gibt es bei "Step With Me". Es geht doch, mein Junge. Denn auch wenn Mika den Popsound damit sicherlich nicht neu erfindet, wummert es wenigstens nicht mehr in den Ohren.

Kinder versuchen sich ja häufig von ihren Eltern abzugrenzen – Eltern verstehen die Welt ihrer Sprösslinge irgendwann nicht mehr. Vielleicht ist es bei Mika und mir nun soweit. Und so möchte ich mit übertriebenem Pathos enden, den ich an Mika immer sehr zu schätzen pflegte: "This is the way you left me. I'm not pretending. No hope, no love, no glory, no happy ending."

Trackliste

  1. 1. The Origin Of Love
  2. 2. Lola
  3. 3. Stardust
  4. 4. Make You Happy
  5. 5. Underwater
  6. 6. Overrated
  7. 7. Kids
  8. 8. Love You When I’m Drunk
  9. 9. Step With Me
  10. 10. Popular Song
  11. 11. Emily
  12. 12. Heroes
  13. 13. Celebrate
  14. 14. Make You Happy (Miami Edit)

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