laut.de-Biographie
Miss Platnum
"Ich will Musik für den Augenblick machen. Party und Krawall. Heulen und Schreien. Tanzen. Lachen. Liebe. Sex. Das ganze Leben eben." Hehre Vorsätze, die irgendwo auf ihrem Weg über Bord gegangen sein müssen.
Auf der Bühne nennt sich die Berliner Soul-Sängerin Ruth Maria Renner Miss Platnum. Gemeinsam mit den Soundtüftlern von Moabeat erfindet sie minimalistisch-elektronischen Experimental-Soul, der vor abstrusen Ideen, Klängen und Beats nur so strotzt.
In die öffentliche Wahrnehmung katapultiert sich das Platnum-Experiment im April 2004 mit der Veröffentlichung "The EP" beim Szene-Label Sonar Kollektiv. Sechs Songs wecken das Interesse an den eigenwilligen Musikvorstellungen der gebürtigen Rumänin, die wagemutig mit allen gängigen Klischeevorstellungen von dem Gehör und der Seele schmeichelnden Soul aufräumt.
Mit elektronischer Kühle reduziert Miss Platnum ihre musikalischen Zutaten auf ein Minimum, um sie anschließend mit obszönen Effekten und kruden Synthesizer-Sounds anzureichern. Über dieses Songskelett legt sie den Mantel ihrer samtenen Stimme. Damit schenkt sie den Songs warmherzigen Charakter, der ihre Musik als Soul erst identifizierbar macht.
Zur Welt kommt Ruth Maria Renner 1980 im rumänischen Timisoara. Ihre Kindheit verbringt sie nach eigener Aussage auf einer Wetterstation in den transsilvanischen Alpen. Mit neun Jahren zieht sie mit ihren Eltern nach Berlin. Dort beginnt sie, sich durch die Black Musik-Geschichte zu hören und zu singen.
Aretha Franklin, Chaka Khan, Marvin Gaye, Stevie Wonder, Jimi Hendrix, Prince, und James Brown beeindrucken sie so nachhaltig, dass sie beschließt, Sängerin zu werden und mit ihrer Musik das Universum zu erobern. Die Welt ist nicht genug!
Ein eiserner Wille, ihr musikalisches Talent und ihre gesangliche Ausdruckskraft bringen sie schnell als Backgroundsängerin zu den Cultured Pearls, Elektrochemie LK, Lambchop und Moabeat. In Letzteren findet sie geistesverwandte Seelen, mit denen sie 2005 ihr Debüt "Rock Me" einspielt.
Der hölzerne Future-Soul, den sie darauf präsentiert, taugt allerdings nicht für die Formatradiostationen. Eine skurrile Ideenflut hat Platnum da auf CD gebrannt, mit absonderlichen Klangvorstellungen und extravagantem Songwriting.
Mehr Beachtung findet das zweite Album der Sängerin. "Chefa" erscheint im Mai 2007 bei Four Music. Hier findet sie ihre Nische, die den Schlüssel zum Erfolg birgt: Miss Platnum vermischt Volksmusik-Sounds aus Südosteuropa mit Hip Hop-Beats und R'n'B.
Sie kollaboriert unter anderem mit Pete Fox von Seeed und steht mit den Berliner Schwingern genauso auf der Bühne wie mit den Fantastischen Vieren. Ganz nebenbei feiert sie in ihrer rumänischen Heimat Charterfolge.
Ihr überschäumendes Temperament und ihre Bühnenpräsenz machen Miss Platnums speziellen Charme aus. Auch ihr 2009 erscheinendes Album "The Sweetest Hangover" schlägt noch gekonnt eine Brücke zwischen quirliger Balkan-Folklore und überaus clubtauglichem Pop.
Als Marteria 2010 mit "Zum Glück In Die Zukunft" Erfolge feiert, hat er Miss Platnum im Schlepptau. Mit ihm und Yasha tut sich die Sängerin zwei Jahre später für das Projekt "Lila Wolken" erneut zusammen - und verzeichnet einen Hit.
Doch, ach! Was ist bloß passiert? Die einst so dominierende Persönlichkeit der Miss Platnum hat sich zu einem Hookline-Mäuschen degradieren lassen und liefert überwigend völlig saft- und kraftlose Verse ab. Mit ihren inzwischen auf Deutsch gehaltenen Zeilen verkauft sie sich im Titeltrack - Erfolg hin oder her - vollkommen unter Wert.
Ein ganzes Album auf Deutsch legt Miss Platnum 2014 vor. "Glück Und Benzin" bestätigt den schwächelnden Eindruck, den "Lila Wolken" erweckte: Die Powerfrau von einst muss irgendwo verloren gegangen sein. Schade, dabei ging es doch einst um "Musik für den Augenblick ... Party und Krawall. Heulen und Schreien. Tanzen. Lachen. Liebe. Sex. Das ganze Leben eben."
Krawall will Miss Platnum auch 2014 beim Bundesvision Songcontest veranstalten: Sie vertritt Berlin mit ihrem Song "Hüftgold", in dem es darum geht, "dass man auch ohne Kohle und mit viel Swag richtig abfeiern kann." Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen.
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