Kiev Stingl - "Teuflisch"

Der Provokateur und Underground-Poet blieb zeitlebens ein Geheimtipp. Bevor Kiev Stingl Anfang der 80er mit seiner New-Wave-Scheibe "Hart wie Mozart" die Nonchalance eines Iggy Pop und eines Falco vermählt und Flaschen in TV-Studios herumwirft, kreiert er dieses damals wie heute von der Zeit verschluckte Debütalbum.
Rattles-Star Achim Reichel zerrt den 1943 in Hamburg geborenen Textdichter aus seinen Künstlercafés hinein ins Aufnahmestudio. Auf "Teuflisch" beeindruckt der Oberschichtensohn mit einem Faible fürs Zwielicht mit Beobachtungen über Rocker, Rotlicht und vor allem über Sex. Die visionäre Platte mit einer eigenwilligen Interpretation von Deutschrock, Blues und Krautrock floppt. Sein Lamento gegen Langweiler in Spießerjobs findet kein Publikum.
"Teuflisch" verteidigt den Künstler als Freigeist, der damals auf offener Straße grundsätzlich wenig zu lachen hatte. Den Song "Der Sommer ist längst vorbei" widmet Stingl dem von ihm verehrten Jim Morrison, The Velvet Underground verewigt er in einer Textzeile. In "Häng rum" schwärmt er auf einem minimalen Akustikgitarrengerüst einem fiktiven Freund namens Joe von den Freuden des Müßiggangs vor. Es sei angenehm, keine Ziele zu verfolgen und rumzuhängen, ob auf dem Klo, in Uschis Bett oder im "teuersten Nachtlokal". Es sind Lieder gegen den konservativen Mief der Bonner Republik, auch fünf Jahrzehnte später noch hörenswert.
Später arbeitet Stingl unter anderem mit Holger Hiller (Palais Schaumburg), Dieter Meier (Yello) und FM Einheit (Einstürzende Neubauten) zusammen. 2024 stirbt Kiev Stingl mit 80 Jahren.
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