Der Drummer der Screenshots debütiert als Autor. Sein Roman erzählt von der Schicksalsgemeinschaft zweier Teenie-Außenseiter: lebensnah, liebevoll und voller Mitgefühl.

Köln (dani) - Alle, denen Kurt Prödel als Drummer der Screenshots ein Begriff ist, müssen möglicherweise umdenken. Es könnte lohnen, sich daran zu gewöhnen, ihn nur noch in zweiter Linie als Musiker zu betrachten. Nach dem literarischen Debüt, das er vorgelegt hat, darf er sich jedenfalls mit jedem Recht der Welt einen Romanautor nennen. "Klapper" (Park X Ullstein, 256 Seiten, gebunden, 22 Euro) ist ein Volltreffer: ganz wunderbar geschrieben, lebensnah, warmherzig und liebevoll, man möchte am liebsten jede einzelne auftauchende Figur in eine tröstende Umarmung ziehen.

Prödel erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei jugendlichen Außenseitern so zugewandt, voller Mitgefühl für seine aus unterschiedlichen Gründen gebeutelten Protagonist*innen, dass es eine*n unweigerlich und unverzüglich selbst in die eigene Jugend zurückkatapultiert. Back in the days, in denen ein kleines Drama die ganze Welt zum Einsturz zu bringen schien - bis das große Drama kommt und die Welt tatsächlich kollabiert.

Gemeinsame Basis: Counter Strike

Ein Typ wie Klapper sitzt wahrscheinlich in jeder Schulklasse: ein eigenbrötlerischer, schlaksiger Gamernerd mit ungewaschenen Haaren und einer ausufernden Kollektion schwarzer Metalband-Shirts, so sehr in seiner eigenen Welt abgekapselt, dass niemand so recht etwas mit ihm anzufangen weiß. Bis "die Neue" in die Klasse kommt, ein Mädchen mit Spitznamen Bär: ebenfalls ein bisschen neben der Spur, ebenfalls von ihrer Existenz herausgefordert, mit minimal funktionaleren sozialen Skills und etwas mehr Kraft ausgestattet zwar, aber doch genau so unendlich einsam wie Klapper. Allein, wie sich nur Teenies fühlen können.

Zu Klappers grenzenloser Verwunderung, wählt Bär an ihrem ersten Tag in der neuen Schule den freien Platz neben ihm: der Beginn einer Schicksalsgemeinschaft, zusammengehalten viel mehr von äußeren Umständen und dem Mangel an Alternativen, als unbedingt von gegenseitiger Sympathie. Es passt ja eigentlich auch gar nicht: Sie raucht und kifft, ihm ist das alles suspekt. Er ist linkisch und gehemmt, sie flieht vor der eigenen Unsicherheit in unnötige Machtspielchen. Er übertönt seinen Frust mit Slayer, sie mit Kollegah. Die einzige gemeinsame Basis, die Klapper und Bär finden: Counter Strike. Immerhin.

Zum Glück keine Teenie-Romanze

Dennoch: Junge, Mädchen, beide lost: Die Zeichen stehen unmissverständlich auf Teenie-Romanze. Oder? Na, zum Glück macht es sich Prödel nicht so leicht. Statt auf die erwartbare Love-Story einzuschwenken, lässt der Autor die jugendliche Liebelei nur als vage Möglichkeit in der Luft hängen und erzählt statt dessen eine andere Geschichte. Oder gleich ein halbes Dutzend davon, die immer da am lautesten sprechen, wo Prödel sie nur anreißt.

Mehr, als dass wir wirklich detailliert darüber ins Bild gesetzt werden, erahnen wir die psychischen Probleme von Klappers Mutter und die Anstrengung, die es kosten muss, um jeden Preis den Anschein eines heilen Familienlebens aufrecht zu erhalten. Im krassen Gegensatz zu dem sterilen, durchgetakteten, verkrampften Alltag in Klappers Zuhause steht das turbulente, lärmende, chaotische Familienleben Bärs. Doch auch hinter dieser bunten Fassade gähnen Abgründe, lauern Alkoholismus und Gewalt.

Hätten Klapper und Bär im Handlungsverlauf ein einziges Mal geschafft, ein richtiges Gespräch zu führen, sie hätten weit mehr Gemeinsamkeiten finden können als nur die Map eines Ballerspiels. Doch dazu kommt es nie, alle Beteiligten müssen für sich alleine klarkommen, mit ihrer Überforderung, ihrem Schmerz und letzten Endes mit Verlust. Den Leser*innen obliegt, das lähmende Schweigen allerorten zu betrachten, genau so hilflos darin gefangen wie die Beteiligten selbst.

Eine Art Happy-End

Der vielleicht größte Zauber dieses durch und durch menschlichen Romans steckt in der seltsamen Art von Happy-End, das Kurt Prödel seinem Titelhelden in dieser ganzen Tragik und Tristesse zugesteht. Zeitsprung ins Jahr 2025: Nein, Klapper hat keine Heldenreise hingelegt. Der traurige Nerd ist nicht zu einem strahlenden Siegertypen herangewachsen, der schmunzelnd auf seine Teenager-Dummheiten zurückblicken und das Geschehene souverän einordnen kann. (Bär übrigens auch nicht.) Dennoch bekommt Klapper die Chance, wenigstens einige lose Fäden noch einmal aufzunehmen, abzuschließen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Nach allem, das er hinter sich hat: eine tröstliche Aussicht.

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