"Anders als gedacht" bezieht sich weniger auf die Setlist oder die Energie der Band, als vielmehr auf das Feeling eines Clubkonzerts.
Kufstein (csl) - "Nicht mehr gedacht, die noch mal so intim sehen zu können ..." sprach mein extra aus München angereister Freund. Heißen soll das, dass das gestrige Konzert von Kettcar leider nur zu 70 Prozent ausgelastet war und dass dies für das Kufsteiner Kulturquartier, das auch für die etwa 400 Leute noch ein gutes "Na-dran-Erlebnis" bietet, sehr schade ist.
Um so bedauerlicher ist dies auch angesichts der Bekanntheit von Kettcar, der Tatsache, dass es das einzige Konzert im Umkreis von 200 Kilometern war, und Kufstein überdies sowohl von München, Salzburg als auch Innsbruck sowohl mit dem Zug als auch dem Auto gut zu erreichen ist. An dieser Stelle gilt es eine Lanze zu brechen für den Veranstalter stellvertretend für alle Veranstalter, die sich unermüdlich bemühen, abseits der Großstädte Kultur abseits des Mainstreams zu bieten, und damit seit Corona mehr denn je ein Wagnis eingehen.
Was das visuelle Konzerterlebnis betrifft: Gäbe es für eine Konzerthalle einen goldenen Schnitt, wäre die Halle im Kulturquartier nah dran, was Bühnenhöhe, Raumtiefe, Stufen im Saal und vor allem die Ausdehnung der Bühne und des Zuschauerraums in die Breite betrifft, man ist überall nah dran am Geschehen.
Dreimal "k" im Positiven
Zudem war das Konzert für mich deshalb speziell, weil es ein Heimspiel war von jemandem aus dem Nachbarort mit "k", der in seiner Schulstadt mit "k" seine Lieblingsband mit "k" sieht. Diese Review wird somit nicht einfach nüchtern distanziert ausfallen. Wenn dann noch zudem einer der besten Freunde zugegen ist, der aus traurigen Gründen vor zwanzig Jahren einen Kettcar-Konzertbesuch absagen musste, und jetzt mit seiner Frau, einer ebenfalls guten Freundin und beiden Töchtern im Publikum zur Musik schwelgt und tanzt, eröffnet sich das Potential, dass sich dieser Abend als Highlight im Kalender für die nächsten Jahre festsetzt.
Qualität statt Quantität (an Publikum)
Es gab nicht wenige Leute im Publikum, die bei den Songs der Jahre 2002 bis 2005 ebenso textsicher mitsangen wie bei zu Beginn gespielten "Auch für mich 6. Stunde", "Benzin und Kartoffelchips", "München", "Sommer 89" und sogar "Kanye in Bayreuth" mit intensivem Gesang untermalten. In "Balu" wurde in nach dem Hinweis von Marcus Wiebusch auf den letztabendlichen Gig im Burgenland und der Feststellung, desto weiter man von Wanne-Eickel weg wäre, umso mehr würde die Textzeile vom Publikum gehaucht, der Name dieser Ruhrpottstadt in Kufstein nahezu herausgeschrien. Wollte man das Begemannsche Zitat "In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung" abwandeln, könnte man sagen: "In Städtchen mit Bergen haben die Leute Inbrunst."
"Rettung", "Der Tag wird kommen", "Anders als gedacht", "Balkon gegenüber", "Ankunftshalle", "Einer", "Im Taxi weinen", "Kein außen mehr" - die Leute vorne feierten, sangen mit, alle applaudierten frenetisch. Hätte man an dem Abend irgendetwas zu kritisieren, wäre es die Akustik zumindest zwei bis vier Meter vor der Bühne leicht seitlich, da hätte der Sound geringfügig lauter sein können.
Nur löst sich spätestens dann etwas zu leiser Sound in Wohlgefallen auf, wenn man mitsingt und die motorische Energie es kompensiert, wenn das Konzert eine gute Dramaturgie beweist, eine Klimax, es sich steigert. "Anders als gedacht", Landungsbrücken raus" und im Zugabenblock "Money left to burn", "Ich danke der Academy" und "Deiche". Nach 110 Minuten ist Schluss und niemand hat noch irgendwelche Einwände, scheint es.
1 Kommentar
Kennst sich jemand etwas in den Bereichen Konzerte, Booking usw. aus und kann etwas aus dem Nähkästchen plaudern? Mich würde die aktuelle Situation interessieren.