Die kanadische Musikindustrie musste eine Niederlage vor Gericht einstecken. Der Federal Court of Canada hat entschieden, dass Internet-Provider keine persönlichen Daten von 29 Tauschbörsen-Nutzern preisgeben müssen.

Toronto/Hamburg (xy) - Die Canadian Recording Industry Association (CRIA) hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, wie die RIAA in den USA Klagen gegen Personen einzureichen, die MP3s im Netz anbieten. Das ist nach der jüngsten Entscheidung des Federal Court of Canada nun erst mal nicht mehr möglich, Provider müssen in Kanada keine persönliche Daten von Tauschbörsen-Nutzern preisgeben. Richter Konrad von Finckenstein ist zur Überzeugung gelangt, dass Up- und Download von Musik nicht den Tatbestand der Urheberrechtsverletzung erfüllt.

Er verglich in seiner Urteilsbegründung den P2P-Tausch mit dem Aufstellen von Fotokopieren in öffentlichen Bibliotheken. Es gebe keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer Bibliothek mit urheberrechtlich geschützten Büchern und einem PC, der über Programme wie Kazaa Musik bereitstelle. Zudem würden die Netzuser ihre Mp3s nicht bewerben und aktiv aussenden.

Unterdessen diskutiert die Branche eine Studie der Harvard University, nach der Tauschbörsen nur begrenzt Einfluss auf Verkaufsrückgänge haben. Die Forscher untersuchten das Downloadverhalten von P2P-Nutzern im Langzeittest und verglichen dies mit Plattenverkäufen im gleichen Zeitraum. "Tauschbörsen können nur einen kleinen Bruchteil der Krise erklären" heißt es wörtlich in der Studie. P2P sei eher förderlich für den Absatz.

Dem widerspricht der Chef des deutschen Musikbranchenverbands IFPI Gerd Gebhardt in einem aktuellen Interview auf Spiegel Online: "Allein in Deutschland wurden letztes Jahr mehr als 600 Millionen Musiktitel aus illegalen Quellen heruntergeladen und weitere 325 Millionen CD-Rohlinge mit Musik bespielt. Da liegt ein Zusammenhang zu sinkenden Käufen auf der Hand."

Auf die Frage, ob man denn mit den Klagen nicht potentielle Kunden vergraule, antwortete Gebhardt, dass nicht gegen Kunden vorgegangen wird, sondern gegen illegale Musikanbieter: "Bei Karstadt wird ja auch kein Ladendieb laufen gelassen, weil er vielleicht gestern noch bezahlt hat."

Das Unrechtsbewusstsein sei bei Downloadern aber vorhanden. Fast alle wüssten, dass P2P illegal ist, würden es aber trotzdem tun, weil sie keine Angst hätten, erwischt zu werden. Das sehen die Betroffenen anders: Eine Spiegel Online-Umfrage zum Thema ergab, dass 92% von 27.000 Befragten der Meinung sind, dass illegale Tauschbörsen mit Gerichtsverfahren nicht totzukriegen sind.

Während die aktuelle Entwicklung unter Musikliebhabern heiß diskutiert wird, kämpft die Label-Lobby in Brüssel um eine weitere Verschärfung der Urheberrechtsgesetze. Noch ist unklar, ob die Musikindustrie ihren Willen bekommt, mittlerweile haben sogar die Parteien die Brisanz des Themas erkannt. So planen SPD und Grüne eine parlamentarische Anhörung zur Lage der Musik in Deutschland, die während der Popkomm im September abgehalten werden soll.

Andere gesellschaftliche Gruppen gehen schon viel weiter. Mittlerweile hat sich auch die zuständige Arbeitsgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac dem Aufruf zum Boykott der in der IFPI organisierten Labels angeschlossen. "Wer seine eigenen Kunden kriminalisiert und mit Strafverfahren überzieht, kann nicht erwarten, dass seine Produkte auch noch gekauft werden," sagt Oliver Moldenhauer von Attac. Doch genau diesen Zusammenhang wollen die Labels partout nicht sehen, wie die unselige 'Karstadt'-Äußerung des Herrn Gebhardt wieder einmal trefflich beweist.

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Der Chaos Computer Club ruft zum Boykott gegen die Musikindustrie auf. Die Hackervereinigung reagiert damit auf die erste Klagewelle deutscher Plattenfirmen gegen Tauschbörsen-Nutzer.

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