In einer Feel Good-Hommage ans Tourleben spricht Dave Grohl mit Musikern über die Magie des Highway-Lebens. Ab heute auf Amazon Prime.
On The Road (rnk) - Autsch, das tut wirklich weh. "Rock'n' Roll ist die Möglichkeit, der Menschheit zu sagen: Ich bin hier! Ich existiere!" sagt U2-Gitarrist The Edge bereits am Anfang der Doku What Drives Us?, und die Bilder von einer jubelnden Masse brechen einem das Herz. So wie die aus Ländern, in denen eine schnelle Impfung endlich wieder Konzertbesuche erlaubt und Tausende wieder das Leben genießen. Im Kopf ensteht eine eigene Rückschau auf die besonderen Momente auf Festivals oder in Clubs.
Woran man in diesen Momenten nicht denkt: Es war auch für die heutigen Stars ein weiter Weg vom kaputten Leasing-Van zu dem Luxus eines Nightliners. Dave Grohl zeigt in seiner zweiten Doku nach "Sound City" noch einmal mit befreundeten Musikern den nicht immer einfachen Weg nach ganz oben. Der Foo Fighters-Sänger dürfte wohl der Inbegriff von gutem Live-Entertainment und Vollblut-Auftritten sein.
Der Anfang von Scream, der ersten Band Grohls und den noch blutjungen Rockern von Radkey, sieht absolut gleich aus. In einem engen Bully, eingequetscht zwischen Instrumenten und Gepäck. Dave möchte von den Künstlern und Freunden erfahren, warum sie sich damals und heute den Stress antun.
Der Anfang jeder Band scheint eine langweilige Provinz und ein Scheißjob zu sein. Wer möchte da nicht auf schnellstem Wege die Stadt verlassen? Eigentlich schön, dass Radkey genau dort an diesem Punkt starten, wo auch Metallica-Drummer Lars Ulrich oder AC/DC-Sänger Brian Johnson anfangen mussten. Du sieht deine Idole im Fernsehen, wirst in eine andere Welt mitgenommen und möchtest das alles verdammt nochmal auch.
Diese Story hat man wahrscheinlich schon öfter gehört, aber "What Drives Us?" lässt sich angenehm viel Zeit für die Geschichten und sorgt so für einen angenehmen Einstieg in die zweistündige Doku. Die Interviewpartner machen es ihm mit ihrer authentischen und unprätentiösen Begeisterung für das Thema auch sehr leicht. Wenn Flea mit weiten Gesten und Inbrunst davon schwärmt, dass diese Tage die geilsten seines Lebens waren, kauft man ihm das sofort ab.
Was für eine tolle Möglichkeit, als junger Mensch ein Abenteuer zu starten und neue Gegenden kennen zu lernen. Auch wenn der siffige Mief im Bus förmlich durch den Fernseher zur TV-Couch dringt, Bilder von den majestätischen Canyons und unendlichen langen Highways machen einfach unfassbar Lust auf dieses Adventure. Sehr unterhaltsam ist zudem die Animation der Hardcore-Legenden von Black Flag und. D.O.A., überhaupt kommen hier nicht nur Stadion-Stars zu Wort, auch Kult-Bands wie Minutemen und Minor Threat reden über das spaßige Chaos auf den vier Rädern.
Die bedauenswerten Kraftfahrzeuge sehen auf den 80er-Fotos hart abgerockt und kaputt aus, während Radkey - da nicht einmal geboren - in einem schicken und unpersönlichen Renault durch die Gegend fahren. Nach Survival und Abenteuer, wie L7-Bassistin und Daves Ex-Freundin Jennifer Finch ihr Nomaden-Leben bezeichnet, sieht das nicht aus. Onkel Grohl findet es sichtlich ungeil und schüttelt über derlei Komfort nur den Kopf.
Es gibt aber nicht nur lustige Generationen-Konfros. Die Sidestory mit Dead Kennedys-Drummer D.H. Peligro, der seinen Weg in die Sucht beschreibt, ist ein Mehrwert und Unterschied zu 08/15-Dokus. Ja, das ist schon sehr amerikanisch inszeniert, aber wenn ihm die Tränen kommen, weil er wieder zurück ins Leben fand, dann heult man eben als empathischer Mensch auch über dieses Happy End mit.
Auch andere Schattenseiten des Tourens werden nicht weggelassen. Black Flag-Bassistin Kiera Roessler beschreibt dieses komplizierte Miteinander als "Hochzeit mit verschiedenen Persönlichkeiten" Auch unvorhersehbare Missgeschicke wie eine kaputte Frontscheibe im tiefsten Winter führen bei Ringo Starr nicht zu einem lauten Gelächter, dafür aber später die klassischen Furz-Geschichten über seine Beatles-Kollegen. Ja sogar die haben gefurzt, was die so posh wirkende Sängerin St. Vincent zu einem erstaunten "Nooooo?!?" triggert.
Ansonsten bleibt "What Drives Us?" eine Feel Good-Hommage an den Rock'n'Roll und das Leben auf der Straße. Der Film möchte einen Feel Good-Vibe ohne großes Drama und mit viel Nostalgie transportieren, was auch aufgeht. Man nimmt den Musikern ab, wie sehr sie dieses Leben zwischen viel Fast Food, viel Benzin, wenig Geld und Gang-Zusammengehörigkeit liebten.
"What Drives Us?" ist ab sofort auf Amazon Prime zu sehen.
1 Kommentar mit 4 Antworten
'What Drives Us' ist eine wenig unterhaltsame, erkenntnislose Hommage an das Freiheitssymbol Van. Dave Grohl, der 'nicest Rock Dude on Earth', mystifiziert einen Gegenstand, den die meisten Interviewten nur noch aus der Vergangenheit kennen und dessen "Magie" die Zuschauer kaum nachvollziehen können. Ähnlich magisch: Hexenschüsse beim Ausräumen und Feedback auf der Bühne. So ein 'goldener Nebel der Vergangenheit' mag bei manch einer Doku der Fliesenkleber sein, bei dieser wirkt er jedoch seltsam überinszeniert.
Die Aussagen sind dabei stets maximal stereo: auf 'wie konnten wir dass nur aushalten' folgt 'es war eine grandiose Zeit' - gähn. Interessantester Moment: Brian Johnsons und Fleas Kindheit. Ehrlichster Moment: Der Dude von No Doubt erklärt uns, dass die Toilette im Bus ein Quantensprung war. Peinlichster Moment: der Drummer von Nirvana besteht darauf, dass Slash sich ernsthaft offiziell vorstellt.
Ansonsten fährt der lässig bebrillte Dave Grohl ziellos durch die Gegend, erklärt uns floskelig, wie krass intensiv diese Zeit war, addiert dazu leere Interviews mit The Edge und Lars Ulrich. Radkey entmystifizieren glücklicherweise diesen ganzen Schlonz ein wenig, wenn ihr Helekopter Dad sie durch die gesamte USA chauffiert und uns zeigt, wie 'Van Magic' 2021 aussieht - nämlich ähnlich glanzvoll wie bereits vor 30 Jahren, nur ohne Vergangenheitsschleier.
War sonst noch was? Ja, die uninteressante Information, dass man immer schon wissen sollte, wo man hin will, wenn man losfährt. Dass man darin kaum gemeinsam nächtigen kann. Dass man hin und wieder eine Pause einlegen sollte. Dass Grohl und Co. ähnlich gefühlsduselig über Vans reden können, wie ich übers Rauchen im Club oder mein Vater über Schlaghosen.
Die nächste Doku made by Grohl sollte sich mit der Epik des Gitarrenpleks oder der Faszination Cowbell widmen - wobei, warum spricht eigentlich keiner über die essentielle Wichtigkeit des "Mic Check, 1, 2" Guys?
Gewohnt qualitativ hochwertiger und naise abgefasster Meinungsbeitrag von dir, der mir sicher die Enttäuschung unterlaufener Erwartungen beim ein- und mittendrin wieder abschalten erspart.
Danke dafür!
Muss auch propsen, da schalte ich sicher nicht ein.
Danke für die Props, I gave my lifetime to save yours. Die Doku erinnert ein wenig an 'A Fat Wreck' aus 2016: die Namensliste liest sich großartig, die Interviews sind dagegen größtenteils nur Beweihräucherung, 'Good Old Times' Gelaber oder schlicht uninteressant.
Klar, Grohl meint es (wie immer) gut, er will Zeitzeugenberichte dokumentieren und uns alle an diesem 'Big Thing' teilhaben lassen. Interessanter als die kaputte Windschutzscheibe der Beatles ist dabei jedoch eher die Frage, ob wir diesen ganzen Firlefanz wissen müssen. In wie fern entzaubert sich der Mythos Rock'n'Roll schließlich selbst, wenn die Künstler sich so einem trivialen Thema hin geben? 2021 scheint alles wichtige bereits gesagt zu sein, für jeden der beteiligten Acts gibt es bessere, eigenständige Dokus.
Mein Tipp: Wer sich explizit für kranke Van Stories interessiert, dem sei die NOFX Band Bio 'The Hepatitis Bathtub and Other Stories' and Herz gelegt - auch, wenn man selbst kein Fan ist. Im Vergleich dazu kann Steven Tyler lange von seinem kleinen Scheibenwischer reden (oder von seinen Anwälten, was das Interview noch lächerlicher macht).
Dave kann doch nicht alles...shocking