Nach Spiegel-Recherchen sind Hinweise über Kliemanns betrügerische Geschäftspraktiken beim Modehändler eingegangen.
Hamburg (dol) - War About You über die Herkunft von Fynn Kliemanns Masken informiert? Nachdem Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" gezeigt hat, dass der Modehändler Schutzmasken aus Bangladesch und Vietnam als europäische Ware verkauft hatte, wies Geschäftsführer Tarek Müller zunächst jedes Wissen darüber von sich. Auf Twitter schrieb er, dass sein Unternehmen und er "nie eine Info erhalten haben über Produktionen außerhalb Europas". Recherchen des Spiegel ziehen seine Aussagen allerdings in Zweifel.
Zwar haben weder Fynn Kliemann selbst noch sein Textilunternehmen Global Tactics ihren Großkunden über die wahre Herkunft der medizinischen Masken informiert, doch Hinweise sollen von Außenstehenden eingegangen sein. So soll eine Maskenproduzentin bereits im April 2020 der Einkaufsabteilung von About You erklärt haben, dass es unmöglich sei, Hygienemasken zum veranschlagten Preis von Global Tactics in Portugal zu produzieren.
"Ich denke, die Herren haben auch About You betrogen"
Im August 2021 habe ein beteiligter Textilproduzent About You gebeten, den Eingang von Masken der Firma Global Tactics zu bestätigen. Dazu hängte er ein Dokument mit allen Lieferdetails an. Explizit soll er im Mailverkehr auf eine potentielle Straftat durch Fynn Kliemann und seinem Geschäftspartner Tom Illbruck verwiesen haben: "Ich denke, die Herren haben auch About You betrogen." Das Unternehmen habe darauf nie geantwortet. Kliemann kämen diese Nachrichten entgegen, wie der Spiegel kommentierte, "stützen sie doch die These, dass viele Beteiligte mutwillig wegschauten, weil sie die schöne Geschichte von den fair hergestellten Masken so gern glauben wollten".
Für Kritik sorgte auch die Spende einlagiger Masken mit brüchigen Nähten. 110.000 dieser ungeeigneten Schutzmasken hatte Global Tactics umsonst erhalten und an Flüchtlingscamps vermittelt. Wiederholt hat Tom Illbruck bestritten, Spendenbelege dafür eingefordert zu haben. Dem Spiegel liegen Mails vor, die das Gegenteil beweisen. So stellten etwa Ärzte ohne Grenzen einen Spendenbeleg über 15.000 mangelhafte Masken aus, die an die griechische Insel Samos gingen. Einen weiteren Beleg verlangte der Unternehmer für 35.000 Schutzmasken für Moria.
"Gesamtgesellschaftlich bitter"
Mittlerweile sind mehrere Strafanzeigen gegen Fynn Kliemann eingegangen. Neben dem FC St. Pauli prüft nun auch die bislang mit ihm kooperierende Baumarktkette Toom rechtliche Schritte gegen den YouTube-Handwerker. Und auch der Westdeutsche Rundfunk lotet juristische Möglichkeiten gegen den Sänger aus. Nachdem im April 2020 in Nordrhein-Westfalen die Maskenpflicht eingeführt worden war, hatte die WDR mediagroup im Auftrag des Radiosenders 1Live 5.000 Schutzmasken zum Preis von je 1,81 Euro bei Kliemanns Unternehmen Global Tactics bestellt.
Immer mehr Unternehmen gehen auf Distanz zum umtriebigen Unternehmer. Sowohl der Spirituosenhersteller Berentzen, der ein Mate-Getränk über Kliemanns Onlineshop verkauft hatte, als auch der Whirlpool-Hersteller Nordpool kündigten die Zusammenarbeit auf. "Gesamtgesellschaftlich bitter", nannte die Nachhaltigkeitsbank Tomorrow die Vorgänge um ihren nun ehemaligen Werbepartner. So schade der "Generalverdacht von 'Wohlfühl-Kapitalismus' und 'Greenwashing'" vielen Projekten, die "ein enormes Potenzial haben, zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit entscheidend beizutragen". Sarah Bosetti stellt derweil die Frage, wie sich Kliemann retten lasse.
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