43 Nationen kämpfen in diesem Jahr um die Krone des Eurovision Song Contests: 38 in zwei Halbfinalrunden, 25 schließlich im Finale. laut.de näherte sich schonmal der gewohnt schillernden Teilnehmerpracht.
Konstanz (mis) - Holland ist nicht im Finale. Wie den Fußballern bei den vergangenen EM-Turnieren ergeht es den Niederlanden auch beim ESC 2008: Teilnehmerin Hind Laroussi scheiterte mit ihrem öden Oriental-Pop "Your Heart Belongs To Me" bereits im ersten Halbfinale.
Auch der aufrüttelnde Refrain-Schlachtruf "Irlande, douze points" konnte dem irischen Truthahn nicht viel helfen. Aber keine Bange, es sind noch genügend Spaßvögel im Rennen.
Rumänien, Nico & Vlad Mirita "Pe-o margine de lume": Boccelli/Brightman-Kopie in unfassbar langweilig - hinteres Mittelfeld, bestenfalls.
Großbritannien, Andy Abraham "Even If": Flotte Soulpop-Nummer zwischen Simply Red und Londonbeat vom ehemaligen Müllmann und Castingstar Andy Abraham. Sein karibisches Blut macht "Even If" zur relaxten Fingerschnipp-Übung. Dank niedlichen Äußeren: Top 10 möglich.
Deutschland, No Angels "Disappear": Hier hätten beinahe fünf süße Manga-Jungs mit toupierten Frisuren gestanden, die Resteuropa gezeigt hätten, dass auch das männliche, deutsche Geschlecht einen Schminkstift adrett anzuwenden weiß. Stattdessen betritt die Bühne die erfolgreichste deutsche Castingband aller Zeiten, die Resteuropa zeigen wird, dass auch dem weiblichen deutschen Geschlecht nicht viel mehr einfällt als tiefe Dekolletes und nacktes Beinkleid. "Disappear" ist so austauschbar wie ein Mitglied der No Angels, Platz 10-15.
Armenien, Sirusho "Qele Qele": "Ich bin aus meiner armenischen Heimat gekommen, um den Wind der Berge und das Licht der Sonne zu bringen", singt die 21-Jährige. Versteht leider niemand, denn sie singt armenisch. Teilweise aber auch englisch, zur Sicherheit. Und: "Qele Qele" hat Mitklatschpotenzial, Folklore-Einsprengsel und treibende Percussion-Beats, sprich: Titelanwärter.
Bosnien-Herzegowina, Laka "Pokusaj": Mit vier strickenden Bräuten auf der Bühne hatte der humorgeschulte Straßenmusiker im ersten Halbfinale die Lacher auf seiner Seite. Vergleichsweise ernst dagegen sein Song "Pokusaj", der, unterstützt von seiner Schwester Mirela, zu den hochwertigen ESC-Beiträgen zählt. Leichtfüßiger Pop mit traditionellem Einschlag, Rita Mitsouko auf bosnisch, vorderes Mittelfeld.
Israel, Boaz Mauda "The Fire In Your Eyes": Wie in Bosnien-Herzegowina wählte eine israelische TV-Kommission in stiller Abstimmung ihren Kandidaten. Mit Castingshow-Gewinner, Viehzüchter und Moschee-Gebetssänger Boaz Mauda fiel ihre Wahl nicht ganz falsch aus. Mauda hat eine gute Stimme, nur ist seine auf Gänsehaut ausgelegte Ballade zu wenig eingängig. Klar ist nach dem Vortrag weniger sein gutes Abschneiden als eine der zahlreichen Bezeichnungen für ihn: "Jemenitische Nachtigall".
Finnland, Teräsbetoni "Missä miehet ratsastaa": "Die Seele eines Kriegers ist unzerstörbar", findet Riikka Lahtinen von Warner Music Finnland. Seine Krieger sind die Heavy-Metal-Bolzen Teräsbetoni, für die eine textile Bedeckung ihrer Oberkörper einer Beleidigung gleich kommt. Manowar-Fans und Eurodance-Geschädigte kommen hier wieder voll auf ihre Kosten. Musikalisch dank Lordis Vorarbeit und überaus schlauer "Hu-Ha"-Dschinghis-Khan-Zitate klarer Titelanwärter. Gegenargument: Der Titel "Missä miehet ratsastaa" ist nicht annähernd so locker mitgrölbar wie "Hard Rock Hallelujah".
Polen, Isis Gee "For Life": Ohne solche Titel kein Eurovision Song Contest. Sterbenslangweilig. File under: Celine Dion.
Frankreich, Sébastien Tellier "Divine" : Das Land des klassischen Chansons schnitt letztes Jahr schlechter ab als Roger Cicero. Höchste Zeit zu handeln. Mit Tellier gibt die Grande Nation die passende Antwort: Ein nach außen hin verratzter Hochzeitssänger mit Sakko über nackter Brust und ordentlicher Gesichtsfrisur macht auf cheesy Synthie-Pop. Überaus witzig auch ohne das Hintergrundwissen, dass Tellier Liebling des heimischen Feuilletons ist und Labelkollege von Air. ESC-Platzierung hängt ähnlich wie vor zehn Jahren bei Guildo maßgeblich von der Auftrittsgarderobe ab, bestenfalls zwischen 7 und 12.
Aserbaidschan, Elnur & Samir "Day After Day": Premiere für das Land vom kaspischen Meer. Ein Duo à la Rosenstolz mit Engelsflügeln und einem leidlich auszuhaltenden Stück Musical-Pop. Der politische Konflikt um Bergkarabach müsste nach musikalischen Kriterien klar an Armenien gehen.
Griechenland, Kalomira "Secret Combination": Kalomira, optisch eine Mischung aus Blümchen und der jungen Vicky Leandros, kommt aus New York und glaubt folgerichtig zu wissen, wie man richtig erfolgreich wird. Ihre Jessica Simpson-Kopie braucht leider niemand.
Spanien, Rodolfo Chikilicuatre "Baila el chiki chiki": Der spanische Reggaeton-Spaßvogel Rodolfo Chikilicuatre ist eine Art Manu Chao im Minimalelektro-Format. Sein Vortrag ist nicht frei von Charme, dem osteuropäischen Zünglein an der Platzierungswaage aber sicher kaum vermittelbar.
Serbien, Jelena Tomasevic "Oro": Vor drei Jahren beim nationalen Vorentscheid von der montenegrinischen Jury angeblich um die Teilnahme am ESC-Finale gebracht (nur von den serbischen Vertretern erhielt sie Punkte), spürt die 24-jährige Jelena Tomašević nun tiefe Genugtuung. Das alles ändert nichts daran, dass ihr theatralischer Vortrag mit bumslangweilig noch freundlich umschrieben ist. Doppelt tragisch: Sie ist die Titelverteidigerin nach dem serbischen Sieg 2007. Anschauungsunterricht gibts in der Disziplin: Wie schminke ich mich fünfzehn Jahre älter.
Russland, Dima Bilan "Believe": Timbalands Produktionsteam soll hier beattechnisch mitgewirkt haben. Dumm nur, dass das bei einer Ballade kaum jemand hört. Der Abräumer der russischen MTV Music Awards 2005 und Zweitplatzierte beim ESC 2006 hinter Lordi ist in seiner russischen Heimat eine große Nummer und ein ansehnliches Bürschchen, was sich auf die umliegenden Pop-Zwergenstaaten nur positiv auswirken kann. Titelanwärter.
Norwegen, Maria Haukaas Storeng "Hold On Be Strong": Teilnehmer des 53. Eurovision Song Contests, bleibt mal schön locker. Norwegen ist wieder dabei, stolzer Inhaber von zehn roten Laternen des Wettbewerbs. Die elfte ist mit dem Gähn-Beitrag von Maria Haukaas Storeng so gut wie gesichert.
Die Teilnehmer des zweiten Halbfinales am Donnerstag im Schnelldurchlauf:
Island, Euroband "This is My Life": Unwitziger Eurodance.
Schweden, Charlotte Perrelli "Hero": Die Siegerin von 1999 mit zweitem Anlauf. Eingängiger Dance-Pop fürs obere Tabellendrittel.
Türkei, Mor ve Ötesi "Deli": Die Politrocker komponierten extra für den Wettbewerb einen politfreien Song. Finale geht klar, mehr wohl nicht.
Ukraine, Ani Lorak "Shady Lady": Die 29-jährige hat seit 15 Jahren einen Plattenvertrag, außerdem ein Restaurant in Kiew und den Look eines Superstars. Ihr eingängiger wie unpeinlicher Popsong hat das Zeug zum Titel.
Litauen, Jeronimas Milius "Nomads in the Night": "Nomads in the Night"? Fliegt im Halbfinale raus!
Albanien, Olta Boka "Zemrën lamë peng": Auch nix Finale.
Schweiz, Paolo Meneguzzi "Era Stupendo": "Era Stupendo" heißt "Das war wundervoll". So sehr man es den Schweizern nach dem DJ Bobo-Debakel wünscht, mit Langweiler Paolo wirds schwer.
Tschechien, Tereza Kerndlová "Have Some Fun": Die Allerletzten vom ESC 2007 schicken eine hübsche junge Sängerin mit Dance-Pop ins Rennen. Einmal mehr gilt: Die (mangelnde) Garderobe macht die Punkte.
Weißrussland, Ruslan Aljachno "Hasta la Vista": Langweilig, nix Finale. Beziehungsweise: Hasta La Vista!
Lettland, Pirates Of The Sea "Wolves Of The Sea": Obacht: Eurodance plus Piraten-Choreographie plus Promille-Refrain. Da erzittern osteuropäische Wählscheiben. Auch ohne Johnny Depp: Die Pirates of the Sea mischen ganz vorne mit.
Kroatien, Kraljevi Ulice & 75 Cents "Romanca": Sympathischer, traditioneller Balkanpop-Beitrag. Der Namensgag des 75-jährigen Gastrappers ist universell und seine schrullige Performance sollte für die Top 10 reichen.
Bulgarien, Deep Zone & Balthazar "DJ, Take Me Away": Strophe: Elektro-Reggae, Refrain: tumber Kirmes-Techno? Was es alles gibt. Nix Finale.
Dänemark, Simon Mathew "All Night Long": Aussehen und Melodie bringen nicht viel, wenn man meint, den Song schon tausend mal gehört zu haben. Sorry, Simon.
Georgien, Diana Gurzkaja "Peace Will Come": Blinde Sängerin präsentiert die Popballade "Peace Will Come". Helfen tuts wahrscheinlich nichts.
Ungarn, Csézy Candlelight "Candlelight": "When I loooook intoooo yoour eeeeeys". Pianoballade, was sonst?!
Malta, Morena "Vodka": Song heißt "Vodka" und im Vorentscheid schlug Morena einen Act namens "Klinsmann" - kann so ein Song überhaupt verlieren? Auch nüchtern weiß man nach spätestens einer Minute: Ja!
Zypern, Evdokia Kadi "Femme fatale": Griechischer Laikó ist immer sympathisch und daher wie im Falle Bosnien-Herzegowinas eher chancenlos.
Mazedonien, Tamara, Vrčak & Adrian "Let Me Love You": Hinteres Mittelfeld für allenfalls mediokre Rap-/Pop-Vorstellung.
Portugal, Vânia Fernandes "Senhora do Mar (Negras Aguas)": Seit 2004 nicht mehr im Finale dabei. Dabei wirds bleiben. Grauenhaftes Gequäke mit einem Refrain, der an Army Of Lovers' "Crucified" in langsam erinnert.
Und Österreich? Die machen das, was sich viele ihrer Landsleute von den Fußballern gewünscht hätten; sie treten gar nicht erst an.
59 Kommentare
@hmm (« Schade das der Verfasser wieder so zwanghaft lustig sein will »):
brrrrrrrrr immer diese Kommentare. Wie wärs mal mit dem kommentieren des Artikels und nicht des Praktikanten. Ich finde den Artikel sehr informativ wenn auch etwas überladen die Kommentare zum Halbfinale mussten ja nicht sein. Aber so weiss man schon in etwa was einen am Samstag erwartet. Find ich doch ziemlich gelungen.
Der Kommentar zu den No Angels ist absolut passend da hätte man sicher was besseres finden können... Da graut einem jetzt schon vor der Platzierung...
@Swingmaster Jazz (« Praktikanten »):
wenn ich raten müßte, wäre ich versucht zu mutmaßen, daß es sich - rein vom duktus her - nicht um einen praktikanten handelt, sondern um den laut-chefbeauftragten für go-betweens fragen: don zapato
@grunzschwein (« @Anonymous («
Zu unserem Auslandsimage:
Ich hatte gedacht das ist besser den je. »):
Tja, wenn eine Frau Merkel mit der großen Geldbörse durch die Welt reist, dann sind die Deutschen immer beliebt. Diese Art außenpolitischer Haltung machen wir seit Anbeginn der Bundesrepublik. Hat aber nichts mit der Tatsache zu tun, dass wir immer noch die unbeliebtesten nach den Engländern sind.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/…
Dieser Artikel und diese Studie ging doch vor einer Weile durch die Medien, der sagt aber was anderes aus.
Solange du nichts vernünftiges entgegnen kannst, können wir das mit dem Off-Topic lassen.
@dein_boeser_Anwalt (« wenn ich raten müßte, wäre ich versucht zu mutmaßen, daß es sich - rein vom duktus her - nicht um einen praktikanten handelt, sondern um den laut-chefbeauftragten für go-betweens fragen: don zapato »):
danke, anwalt. dive for your memory