Die Kalifornier begeistern in der ausverkauften Lanxess Arena ihre Fans und zelebrieren ihr Hit-Album "Morning View".

Köln (rnk) - "Uuuh, gleich zieht Brandon wieder sein Shirt aus", flötete meine damalige Freundin, im Jahr des Herrn anno 2001. Der Videoclip zu "Nice To Know You" lief den ganzen Tag auf Viva 2 und ziemlich am Anfang entledigte sich Incubus-Sänger Brandon Boyd sehr schnell seines Shirts. Es war eine Reminiszenz an den The Monkees-Film "Head", in dem die Band vor ihren Fans flieht und sich von einer Brücke ins kühle Nass stürzt. Das interessierte weder meine Freundin, noch wusste ich davon. Ich habe sie nur betont griesgrämig mit "UuUh, gLeicH zIehT BraAndon sEin SHirt aUs" nachgeäfft und war natürlich unfassbar neidisch auf den Surfer Boy.

Das "Morning View"-Album wollte ich aus kindischem Protest erst gar nicht kaufen, aber allein dieses Albumcover, was den sentimentalen Vibe des Titels so unfassbar gut wiedergab, änderte meine Meinung. Ein Glück, denn im Gegensatz zu meiner Freundin blieb dieses Album noch auf Jahre hinweg ein treuer Begleiter. Die melancholische Sommerstimmung ist sagenhafte 24 Jahre später erstaunlich gut gealtert. Es war der endgültige Durchbruch für Incubus, die zuvor als experimentelle Alternative-Rock-Band immer etwas zu schräg für den Mainstream galt und mit dem vierten Album endlich den verdienten Erfolg einfuhr.

Heute geht mein Blick von der Promenade auf die Deutzer Brücke und ich stelle mir vor, wie Brandon und seine Band nun wieder den Move aus "Nice To Know You" wiederholen. Es sind im April schon fast unangenehme 25 Grad, aber diese Sommer-Atmosphäre passt perfekt zur "Morning View"-Tour. Auf dem Weg am Rhein erregt ein kleines aufgemaltes Bild die Aufmerksamkeit der ersten Fans, die etwas die Zeit zum Konzertbeginn nutzen wollen. Es ist eine Werbung für das neue Incubus-Album "Something In The Water", ein Veröffentlichungsdatum steht noch aus. Das letzte Album "8" ist nun tatsächlich genau acht Jahre her und es wird wieder Zeit für neues Material, aber zuvor geht die Reise an diesem Abend noch einmal weit zurück.

Ein bisschen schwingt in der Lanxess-Arena auch die Hoffnung mit, dass man vielleicht auch etwas von den neuen Songs zu hören bekommt. Doch zuvor betritt im Halbschatten und viel Nebel die Künstlerin Lucinda Chua die Bühne. Ein Name, der wahrscheinlich vielen Konzertbesuchern nicht viel sagt. Wer die Netflix-Serie "Black Mirror" verfolgt, hat den traurigen Cello-Sound in der wirklich fabelhaften Folge "Eulogy" bereits gehört. Im kleinen Konzertsaal versprüht dieser intime Instrumental-Sound wahrscheinlich eine tolle Magie, aber im weiten Rund und im Geplapper der 20.000 Besucher geht die Wirkung etwas verloren. Das Publikum applaudiert trotzdem höflich. Incubus hätten für die Rock-Crowd auch einfach eine drittklassige Crossover-Band mitnehmen können. Eine eigenwillige, aber doch sehr sympathische Entscheidung also für eine spannende Künstlerin, die für den eigentlich geplanten Support-Act Paris Jackson einspringt. Ja genau, die Tochter von Michael Jackson, die mittlerweile selber zu Gitarre greift und gefälligen Indie-Pop spielt.

Mittelmäßiger Sound, begeisterte Fans

Angenehm pünktlich ertönen dann die Klänge zu "Nice To Know You", die ich als Fotograf leider nur durch eine dicke Stahltür höre. Wie bereits schon in diversen Foren geteasert, gibt es erst ab dem vierten Song das "Go" für die erstaunlich große Fotografen-Meute. Es ist verdammt eng im Graben, dafür fährt die Band nun ordentlich Laser auf, aber ansonsten bleibt große Poserei mit Equipment aus. Es gibt natürlich, wie man es bei Bands dieser Größenordnung gewohnt ist, eine große LED-Wand, ansonsten aber kaum Gimmicks, die mittlerweile bei so vielen Bands eher nerven als wirklich das Konzerterlebnis bereichern.

Etwas verloren zwischen der vollbepackten Bühne wirkt die Band trotzdem, als "Blood On The Ground" akustisch dargeboten wird. Es bleibt natürlich Geschmacksache, ob diese straighte Rock-Nummer akustisch so sehr dazu gewinnt, aber Brandon Boyd trifft die Töne immer noch genau richtig und wirkt entspannt. Er sieht übrigens mit fast 50 Jahren immer noch sehr knackig aus, das Shirt bleibt aber zum Glück an. Weniger knackig ist der Sound, aber das ist der Mehrzweckhalle geschuldet. Trotzdem kann man das besser abmischen. Schade, denn die Bassistin Nicole Row, seit 2024 nun fest in der Band dabei, erledigt ihren Job wirklich gut und harmoniert mit den alten Herren. Nur teilweise übertönt der extrem laute Bass-Sound alles andere. Vermutlich Nerd-Probleme, denn allen anderen gefällt's offenbar. Beim einzigen Deutschland-Konzert will ja auch keiner maulen - bis auf den Kritiker im Unterrang 206.

Ab in den Ozean

Es ist ein sehr bunter Haufen, irgendwo zwischen Skater-Dad und jüngeren Emo-Metal-Girls aus verschiedenen Ländern, die hier in die Domstadt auch ein internationales Fantreffen veranstalten. Ein kurzer Smalltalk mit Fans aus Litauen ergibt folgendes Fazit: Sound am Anfang war nicht so gut, insgesamt sei die Band aber viel besser drauf als noch vor zwei Jahren. Brandon wirkt nach meiner Einschätzung etwas müde nach der langen Tour, aber gibt sich trotzdem viel Mühe. Es ist vielleicht nicht die rockigste Show, die Incubus jemals ablieferten, aber tatsächlich bringt die Band ein grundentspanntes Flair mit. Über die esoterischen Visuals im Hintergrund kann man geteilter Meinung sein, aber eigentlich waren Incubus auch immer eine Band, die gerade bei meinen Kiffer-Freunden damals hoch im Kurs stand.

In dem ganzen Macho-Rock des Nu Metal waren Incubus immer eine angenehme, eher unpräteniöse Ausnahme. Richtig abgespacet wird bei "Aqueous Transmission". Gitarrist Mike Einzinger greift zur Pipa, einem chinesischen Instrument mit großer Ähnlichkeit zur Sitar. Die Finger gehen ihm leicht über das - auch das erfahren ich im Gespräch hinter mir - gar nicht so einfach zu bespielende Instrument. Einfach Augen schließen und davon treiben, wenn Brandon "Fuuurrther down the riveeeer" singt. Der Legende nach gab Steve Vai damals das Zupf-Instrument an die Band ab. Seine einzige Bedingung für das Geschenk war: "Schreibt was Cooles!". Ja, hat funktioniert. Es klingt immer noch toll, ob vor 25 Jahren auf Platte oder heute live.

... and the Hits!

In der Tour-Ankündigung hieß es als zusätzlicher Kaufanreiz noch "und die Hits". Da "Morning View" auch nur 60 Minuten dauert, wäre das sehr wenig Spielzeit für nicht gerade günstige Tickets gewesen. Sehr schön: Am Anfang von "Vitamin" liefern sie ein tolles Portishead-Cover von "Glory Box", das Brandon sehr gut meistert. Ansonsten endet der Konzertabend mit den ruhigen Stückern "Anny Molly" und natürlich "Drive" als Abschluss unspektakulär, dafür gab es im "Morning View"-Teil das rare Live-Stück "Have You Ever" zu hören. Es löst sich am Schluss alles in Wohlgefühl auf und das ist in diesem Krisen-Jahrzehnt verdammt viel wert. Für einem Abend war man mit der Band wieder am "Morning View Drive" in Malibu. Sorgenlos am Strand und vielleicht schon damals mit einem Gefühl, dass es nie wieder so leicht sein wird.

Fotos

Köln, Lanxess Arena 2025 Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett.

Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich) Vor ausverkauftem Haus spielen die Alternative Rocker "Morning View" von 2001 komplett., Köln, Lanxess Arena 2025 | © laut.de (Fotograf: Rinko Heidrich)

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