Die gesammelten "Beiträge zur Popgeschichte" gehen in die siebzehnte Runde, Oberbegriff diesmal: Sex! Doch statt der platten Maxime "Sex sells" zu folgen, setzt sich die Testcard in gewohnt breiter Manier mit dem Thema auseinander, das ewig die Menschen bewegt.
Konstanz (mmö) - Die Testcard ist eine Pflichtlektüre für popkulturell Interessierte, keine Frage. Wer jetzt beim Thema der aktuellen Ausgabe eine schlüpfrige Anbiederung an den medialen Mainstream vermutet, irrt glücklicherweise. Denn auch dem Sex nähert sich die Redaktion bzw. die Essayisten mit der gewohnten Kompetenz. Und wie gewohnt kommt auch die Musik nicht zu kurz.
Einen interessanten Einblick in die Sprachlosigkeit deutsch singender Musiker, wenns um den Lendensport geht, gibt Chris Wilperts "No Sex, Please!". Exemplarisch handelt er diese Unfähigkeit, sich auszudrücken, an Tocotronic und Blumfeld ab, gesteht aber Jens Rachut Fähigkeit zu.
"Ich bin nicht schwul, und das ist auch cool so", der Beitrag von Jens Thomas über Homophobie im deutschen Hip Hop zeichnet zwar die Problemzonen nach, geht aber leider nicht über die üblichen Feststellungen hinaus in die Tiefe. Interessant und erhellend ist dagegen Matthias Schönebäumers Text "Pop that ass" über Detroit Ghettotech, auch wenn ich mir etwas mehr über die sexistischen Strukturen, die hier sicher auch greifen, gewünscht hätte.
Um eben jenen Sexismus geht es in Torsten Nagels "This is not a love song", der einen guten, wenn auch knappen Überblick über den "ganz alltäglichen Pop-Sexismus" gibt, der auch da auftaucht, wo man ihn nicht unbedingt vermutet: Im politisierten Punk.
Die queere Musikszene kommt mit einem Interview mit Lesbians On Ecstasy und einem Bericht über die Myspace-Kontroverse um die Band Kids On TV fast ein wenig kurz, beide Artikel bieten aber gute Einstiegspunkte in den homosexuellen Musik-Underground.
Und mit Andreas Richters "Wer sXe sagt, muss auch Sex sagen machen" über das problematische Verhältnis von Straight Edge zum Sex gibt es nicht nur einen treffenden Text, sondern auch einen, über den man prima schmunzeln kann. In den Tenor "Darum macht die Hosen auf, aber auch die Augen!" mag man nur einstimmen, und die Frage, was mehr Punk sei, "bei H&M einen Nietengürtel zu kaufen oder in der H&M-Umkleide zu ficken", beantwortet sich wohl von selbst.
Aber auch die Beiträge, die sich nicht direkt im Musikkontext bewegen, sind natürlich beachtenswert. So geht es um Pornographie und Gender-Perspektiven aus Sex, Sexarbeit und Migrantinnen oder das zweifelhafte Vergnügen, einem Bondage-Workshop beizuwohnen. Mick Schulz beispielsweise zeigt auf, was "man heute noch aus alten Bravo-Heften lernen kann" und kommt zu einigen interessanten Ergebnissen. Doch die liest am besten jeder selbst nach.
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