Deutschlands wohl dienstältester linker Liedermacher starb gestern kurz vor seinem 80. Geburtstag.
Quickborn, Hamburg (ebi) - In Zeiten der Occupy-Bewegung könnte sie wieder mehr Bedeutung für die Jugendkultur gewinnen: die Verbindung von Musik, gesellschaftspolitischer Kritik und sozialen Anliegen. Genau dafür stand Franz Josef Degenhardt schon vor fast einem halben Jahrhundert mit seinem bekanntesten sozialkristischen Lied "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern".
Gestern starb der Liedermacher kurz vor seinem 80. Geburtstag zuhause in Quickborn bei Hamburg. Der von manchen als "dienstältester Liedermacher Deutschlands" oder "singender Anwalt" betitelte Künstler sei friedlich eingeschlafen, teilte sein Sohn mit.
Der 1931 im westfälischen Schwelm geborene studierte Jurist und überzeugte Kommunist war in den späten 60er und 70er Jahren eine der Stimmen der linken Protestkultur in der Bundesrepublik. Insgesamt legte er an die 30 Alben vor, verfasste aber auch Textbücher und Romane. Noch bis 2004 stand Degenhardt mit seinen Liedern auf der Bühne, schreibt die taz.
8 Kommentare
Ich kannte den zwar nicht so...oder nur dem Namen nach, aber - Beileid für die Familie und RIP.
, alter kämpfer!
Ein Poet, der es geschafft hat, das Kleine oder Unscheinbare mit immenser Wortgewalt ans Tageslicht zu zerren. "Väterchen Franz", der versoff'ne Chronist, der stets seiner Überzeugung treu geblieben ist. Einer der ersten, der sich in einer Zeit, die vom einlullenden Schlager dominiert war, nach klugen und kritischen Liedern sehnte und sie, da er sie in der Vergangenheit nicht suchen wollte ("Tot sind unsre Lieder / unsre alten Lieder / Lehrer haben sie zerbissen / Kurzbehoste sie verklampft / braune Horden totgeschrien / Stiefel in den Dreck gestampft") und in der Gegenwart nicht fand, einfach selbst verfaßte. Einer der prägenden Gestalten des deutschsprachigen Lieds, eine herausragende Stimme einer Zeit, die laut nach Veränderungen schrie ("Zwischentöne sind bloß Krampf / im Klassenkampf") - und die später die unvorteilhafte Grablegung einer generationsübergreifenden Bewegung vorhersah. Ein Kritiker, Spötter, Bänkelsänger aus Überzeugung, der die Scheinheiligkeit des Spießbürgertums ebenso beleuchtete wie die Geschwüre des Kapitalismus oder die Bequemlichkeit des Vergessens. Ein Schöpfer skurriler Schattenwesen, denen er verzerrte Erinnerungen, die leeren Phrasen einer verlogenen Gesellschaft oder eine andere Wahrheit als die öffentlich anerkannte in den Mund legte.
Er hat sicher nicht alles gesagt, was er sagen wollte, aber unter dem, was er gesagt hat, gibt es sicher vieles, das auch von anderen hätte gesagt werden sollen - oder noch immer gesagt werden sollte.
"Hör auf mit der Geschichte,
Kunst ist doch Genuß.
Nun gut. Väterchen Franz macht Schluß."
Gruß
Skywise
Edit: Bezeichnend dass man in einer gewissen großen Boulevardzeitung nicht mal eine kleine Meldung seines Todes findet
der mann hat als jurist das system und seine mechanismen durchschaut und sich nie daran verkauft, was sicherlich einfacher gewesen wäre.
ein leben f kunst und aufklärung.
wer da v d zeitgenossen den langweiligen miesepeter gibt, hat v der schillernden person und seinem wirken nix geschnallt, calamitus. wie schön, dass du dich davon nicht hast abbringern lassen.
väterchen franz war politisch und musikalisch schon nicht der schlechteste, aber trotzdem hier eine sehr kritische (psycho-)analyse seines gesamtwerks aus der titanic von 199? (hab's aus dem 2004er Sammelband; leider grad nicht zur hand)
http://www.christian-meurer.de/titanicarti…
(kann man nicht direkt verlinken, siehe artikelübersicht)