Ganz viel Westside im Ostberliner Pankow: Auf "High Rollers"-Nostalgietrip mit Obie Trice und D-12.

Berlin (fma) - "High Rollers" heißt Ice Cubes Tour, die ihn zuletzt nach Europa führte, um anschließend lange Zeit durch USA und Kanada zu touren. Das Line-up des Tourtrosses ändert sich dabei zwar stets, der Fokus bleibt aber auf den großen Namen - wenn auch nicht auf aktuell relevanten. In Deutschland (Oberhausen und Berlin) fehlte jedoch ein Act, der z. B. im Vereinigten Königreich noch dabei war: Cypress Hill.

Das schmerzt, war aber von vornherein klar - ungeplant ist am Freitagabend in der Berliner Max-Schmeling-Halle dagegen The Games Abwesenheit, er hatte kurzfristig absagt. Im schottischen Glasgow wurden noch "logistische Gründe" angeführt: Das Internet will herausgefunden haben, dass der Rapper gleichwohl lieber an einem FIFA-Videospiel-Turnier teilgenommen haben soll. In jedem Fall etwas schräg, den Event bis zur letzten Minute mit ihm zu werben - immerhin veröffentlicht The Game im Gegensatz zum Rest der angesetzten Acts nach wie vor auf stabilem Niveau.

Obie Trice: Detroit-Nostalgie

Doch auch diesen Kummer schiebt ein Mann aus Detroit alsbald beiseite: Mit Obie Trice betritt doch ein besonders nostalgischer Name die Bühne. Der Rapper ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, in der Shady Records im Begriff schien, eine anhaltend wichtige Rolle zu behaupten, links und rechts schossen Detroiter MCs geradezu aus dem Boden.

Trice betont die komplette Show über, wie gerne er säuft - heißen seine ersten beiden Alben doch "Cheers" und "Second Round's On Me". Beide Platten zeichnet eine juvenile Dynamik aus, die ein leicht versoffener 46-Jähriger so natürlich nicht mehr auf die Bretter bringt. Seine Stimme ist nach wie vor präsent, und manche Tracks stimmig ("Obie Trice / real name, no gimmicks" bleibt eine Mörderline).

Die Show krankt aber an den vielen, bemüht wirkenden Animationsversuchen und dem ununterbrochenen Geschrei des Hype Mans. DJ Invisible ist dagegen ein Lichtblick, er versteht sein Handwerk und krakeelt nicht andauernd. Es bleibt festzuhalten: Obie Trice hat Lust und gibt sich Mühe. Der Sound ist dagegen ambivalent: Die Vocals sind aggressiv nach vorne gemischt, der Bass dröhnt, die Mitten und Höhen gehen aber unter.

D-12: D wie dezimiert

Ein Umstand, der sich bei D-12 bemerkbar macht, die an der Gitarre den Sohn eines der Bass Brothers mitbringen. Das Instrument hört man stellenweise gar nicht. D-12 müssten heute eigentlich D-4 heißen: Proof wurde 2006 erschossen (und wird wie Eminem auch von Obie gehuldigt), Kon Artis und Bizarre versuchen sich an eigener Musik.

Kuniva und Swift sind insofern Nachlassverwalter in eigener Sache, was vor allem Letzterer mit seiner druckvollen Stimme vernünftig über die Bühne bekommt. Beide sind motiviert und haben Spaß, erneut bedient DJ Invisible die Maschinen. Wirklich gut ist das wie schon bei Obie nicht gerade, aber besser, da beide nicht versuchen, Rapparts aus dem Weg zu gehen. Die Tracks werden natürlich arg zusammengestutzt, da zwei Drittel der Crew fehlen, was will man machen.

De La Soul: Party statt Jazz

The Game wird dann gar nicht erst erwähnt, aber De La Soul trösten darüber schnell hinweg. Die Hip Hop-Truppe aus Long Island blickt auf ein wildes 2023 zurück. Bei den 65. Grammys wurden sie als Gralshüter des Hip Hop gefeiert, da fehlte bereits einer: Trugoy The Dove starb kurze Zeit später. Ebenfalls in diesem Jahr wurde endlich der Katalog der Band nach langem Streit um Samplingrechte digital verfügbar.

Maseo sieht nach wie vor fit aus und ist Life of the Party pur. Er alleine würde den Laden schmeißen, doch sein kongenialer Partner Posdnuos ist ähnlich gut drauf. Ein zwischenzeitlicher Soundcheck ändert am Problem des Soundbilds leider nichts: Jazz-Rap ist das jedenfalls nicht, eher schon Party-Rap, die Eleganz geht etwas verloren.

Dafür haben die New Yorker ein echtes Schwergewicht als 'Special Guest' im Gepäck: Talib Kweli! Der legendäre Conscious Rapper übernimmt im Verlauf der knappen Stunde auch zunehmend das Ruder. De La Soul liefern so eine anständige Party mit viel Nostalgie ab, nicht zuletzt dank der auf einen riesigen Hintergrund geworfenen Videos.

Ice Cube: der Abriss

Dann startet die Nostalgie so richtig durch: Ice Cubes Präsenz flutet den Raum mühelos, und der Abriss beginnt mit "Natural Born Killah", das den Weg vorgibt: hyperaggressiv und bellend. Kumpel WC gibt den kompetent tiefstimmigeren und zurückhaltenden Hype Man.

Die Songs sind gleichwohl nur noch an den Lyrics zu erkennen, denn nunmehr fehlen die Mitten und Höhen im Sound komplett. Das stört teilweise aber weniger, den Tracks wie "Bop Gun (One Nation)", "How To Survive In South Central" oder "The Nigga Ya Love To Hate" sind sowieso Bassungetüme. Cube liefert dazu wie eine Eins, er ist - wie alle anderen MCs an diesem Abend auch - glänzend aufgelegt und hat Bock. Er stürmt aufgrund von Lichtproblemen zwar kurz von der Bühne - diese wirken tatsächlich seltsam und eher dilettantisch als technisch bedingt.

Der MC kehrt aber schnell zurück, und man beweint, dass absolute Übertracks wie "Ghetto Bird" (man hört den den Vogel nicht), "Check Yo Self" (die Synthieline fehlt) und das abschließende "It Was A Good Day" soundtechnisch verhunzt werden. Ice spielt sogar "Straight Outta Compton" und "Gangsta Gangsta". Er betont seine Liebe zu Yella, Ren, Dre und Eazy-E. Der 2016 verstorbene Musikmanager Jerry Heller möge dagegen in der Hölle verrotten, und "No Vaseline" sei der beste Disstrack aller Zeiten.

Den gibt der Veteran aus Los Angeles dann auch gleich zum Besten, und ähnlich wie bei "Ain't Got No Haters" sitzt alles perfekt. Cube und WC holen sogar den Crip-Walk raus. Und so geht ein Nostalgietrip zu Ende: Im Ostberliner Pankow strömt nach dreieinhalb Stunden Rap-Konzert viel Westside auf die Straßen.

Von Franz Mauerer.

Fotos

De La Soul

De La Soul,  | © laut.de (Fotograf: Niko Dittmann) De La Soul,  | © laut.de (Fotograf: Niko Dittmann) De La Soul,  | © laut.de (Fotograf: Niko Dittmann) De La Soul,  | © laut.de (Fotograf: Niko Dittmann)

4 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 11 Monaten

    Der “Bruder” bei De la Soul, war kein Bruder, sondern Rap-Legende Talib Kweli für den Kanye West u.a. produziert hat als auch bekannt aus dem Duo Blackstar gemeinsam mit Mos Def. Schwach! Das war eine absolute Überraschung! Schwacher Artikel!

  • Vor 11 Monaten

    Ich war in Oberhausen und es war heftig gut. Der Artikel ist wirklich schlecht, wenn man nicht einmal TalibKweli und seine Hits kennt. Das war unfassbar überraschend und DeLaSoul + Kweli haben so gerockt. Dachte das ICE abstinken wird gegen die Jungs, aber ICE und WC haben richtig abgeliefert. Richtig aggressiv mit richtig Druck. Wahnsinns Show

    D12/Obie war noch nie mein Fall, aber war gut. DJ Invisible war sehr lustig und hat Spaß gemacht ihm bei seinem Handwerk zuzusehen.

  • Vor 11 Monaten

    Fand das Berlin-Konzert ziemlich stark - die Abstriche beim Sound mußte man wohl oder übel machen. Ging eher mäßig los mit Obie Trice und D12, aber meine alten Helden De La Soul mit Kweli und natürliche Cube+DubC (zum 3. mal live gesehen) waren Bombe!

  • Vor 11 Monaten

    De la soul war mein allererstes Konzert, in Düsseldorf Anfang der 90er. Wahnsinn, ne Ewigkeit her.