Insgesamt 395 Autos fielen den Molotowcocktails vergangene Nacht zum Opfer, keine Rekordzahl für die randalierenden Jugendlichen. Rapper Sido siehts gelassen und bezeichnete den Ausnahmezustand nach einem Paris-Besuch als "große Party".
Berlin (bin) - Liebes Tagebuch. Heute war ich in Paris. Ich bin mit dem Aufzug auf den Eiffelturm gefahren (der ist vielleicht groß!), habe ein Croissant mit Marmelade gegessen und mir ein paar brennende Autos angeschaut. Die Jungs mit den seltsamen Flaschen und den Benzinkanistern waren alle total nett zu mir und wir hatten eine Menge Spaß!
Dein Sido
So oder ähnlich könnte der Reisebericht des aggrossiven Rappers aus Berlin klingen. Das "superintelligente Drogenopfer" setzte sich am letzten Wochenende ganz spontan in einen Flieger nach Paris. Die Seine-Metropole wird, wie einige andere französischen Großstädte, seit zwei Wochen jede Nacht von randalierenden Jugendlichen heimgesucht. Als Schöpfer von derben Hip Hop-Texten bewegt sich Sido dabei in anverwandten Sphären. Wie steht also jemand der Gewalt, Sex und Drogen sein Fachgebiet, sowie Berlin ein Ghetto nennt, zu den Unruhen? "Für die Kids ist das eine große Party", erklärt der Rapper dem Berliner Tagesspiegel "Ganz im Ernst, ich hab mich bei denen total wohlgefühlt. Das war sehr herzlich. Ich bin da mit eingetaucht."
Harte Maske, weiche Birne, wie der Berliner Kurier spottet? Anstatt die Krawalle, die viele Unbeteiligte in das Geschehen hinein ziehen, aus einem kritischen Blickwinkel zu betrachten, prophezeit Sido eine ähnliche Entwicklung für die deutsche Hauptstadt: "Aber ganz einfach, die Jugendlichen haben Recht, die lassen ihren Frust raus, und am 1. Mai haben wir in Berlin die Situation wie drüben." Gewaltverherrlichende Lyrics spielen seiner Meinung nach allerdings eine nebensächliche Rolle für derartige Erscheinungen, und so dreht er den Spieß einfach um: "Wir [die Rapper] machen seit Jahren auf die Probleme aufmerksam, und niemand zieht Schlüsse daraus."
Die Suche nach dem Schuldigen gehört für die zündelnden Jugendlichen in Frankreich schon der Vergangenheit an. Nachdem zwei junge Männer bei der Flucht vor der Polizei in einem Stromhäuschen umgekommen waren, hatten die Krawalle in den französischen Vororten begonnen. Innenminister Nicolas Sarkozy gab dem Krisenherd noch mehr Zündstoff, nachdem er verkündete, diese jungen Leute seien Abschaum, den er gerne mit dem Hochdruckreiniger vertreiben würde.
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