Zehntausende Festivalfans feierten übers Wochenende im Süden der Republik.

Neuhausen o. E. (laut) - Seit Donnerstag haben die Zwillingsfestivals Southside und Hurricane ihre Tore geöffnet - richtig los gehts am Freitag: Unsere Redakteure berichten für euch übers Wochenende aus dem Süden.

Um die 60 000 Festivalfans pilgern dieses Jahr wieder nach Neuhausen ob Eck. Wen wunderts, ein gut durchmischtes Line-Up wartet auf die Fans: Mit Headlinern wie Placebo, Florence And The Machine, Marteria und Casper ist für jeden was dabei.

Fotogalerie Southside

Wer sich beim ausverkauften Festival einen guten Zeltplatz sichern will, tut gut daran, schon zum Warm-Up am Donnerstag anzureisen. Erstaunlich viele Frühaufsteher besetzen am Donnerstagnachmittag mit Zelten und Pavillions den Acker bei Tuttlingen. Der perfekte Festivalstart sieht aber anders aus: Statt Sonnenstrahlen bietet sich beim Ausstieg aus dem Shuttlebus eine graue Wolkenfront. Die Regenschauer zerfurchen das Ackergelände, der Zeltaufbau kommt einer Schlammschlacht gleich. Aber sind wir mal ehrlich: Schlamm und Dreck gehören genauso zu einem Open-Air wie der Biertrichter und Moshpits.

Nachdem alle Heringe fest in den aufgeweichten Boden gerammt sind und das Zelt steht, pilgern die meisten Frühankömmlinge schon direkt zur Red Stage. Denn auch der Donnerstagabend hält sehenswerte Auftritte bereit.

Zugezogen Maskulin und Teesy eröffnen

Den Anfang machen die Indierocker von Trümmer. Rotschopf und Frontmann Paul Pötsch sorgt beim noch überschaubaren Zuschauerfeld für gute Stimmung. Direkt im Anschluss entern Zugezogen Maskulin die Bühne. Grim104 und Testo haben zunächst mit Soundproblemen zu kämpfen, ein Mikrofontausch hilft. Spätestens bei "Crystal Meth in Brandenburg" schlägt sich das zuerst skeptische Publikum auf die Seite der Rapper aus Berlin: Den ersten Moshpit beim Southside Festival überstehen alle Beteiligten ohne Verletzung.

Etwas softer gehts dann bei Pop-Rapper Teesy zu. Vor allem Festivalbesucherinnen stehen jetzt kreischend vor der Bühne. Mit weißem Hemd und Hosenträgern verbreitet der schnieke Sänger mit seiner Mischung aus Rap, Soul und Akustikgitarren nun mal romantische Stimmung. Den Abschluss des Warm-Ups macht dann das Crystal Fighters-DJ Set: tanzbeare Beats bis in die späte Nacht hinein.

Endlich Sonne am Freitag

Der Freitag bringt Erleichterung: Dieser warme gelbe Punkt am Himmel zeigt sich endlich und verwandelt die Schlammbäder wieder in begehbare Wege. Die Festivalbesucher freuts. Schon am frühen Morgen sitzen sie in ihren Campingstühlen und gönnen sich das bewährte Bierfrühstück.

Auch musikalisch hat der Freitag einiges auf der Pfanne. Da wären zum Beispiel die Vaccines, die am Nachmittag die Blue Stage übernehmen. Die Londoner spielen Hits aus ihrem Album "English Graffiti" und rocken die Crowd.

Milky Chance bringen die Besucher dann so richtig in Feierlaune. Das Duo verkündet stolz, dass das Southside das erste deutsche Open-Air für sie in diesem Jahr ist. Die Fans sind völlig aus dem Häuschen und tänzeln euphorisch zu den chilligen Vibes der sympathischen Jungs. Spätestens bei ihrem Hit "Stolen Dance" verwandelt sich ihr Auftritt zu einer einzigen riesigen Party.

Florence And The Machine, Paul Kalkbrenner u.a.

Eine echte Legende auf der Blue Stage: Noel Gallagher, Bruder von Liam und Begründer von Oasis, tritt mit seinen High Flying Birds auf. Schon vor seinem Gig singen die Fans "Wonderwall". Der Brite spielt dann auch einige Oasis-Klassiker.

Der Freitag hält aber nicht nur positive Nachrichten bereit: Ben Howard muss seinen Auftritt wegen Krankheit absagen. Kurzfristig springen die Deutschrocker von Madsen ein. Frontmann Johannes hat besonders Spaß und will die Bühne gar nicht mehr verlassen.

Der erste Headliner rundet einen gelungenen Festivaltag ab: Florence And The Machine beigeistern beim bis dato bestbesuchten Konzert. Frontfrau Florence schwebt in weißem Flatterkleid förmlich über die Bühne. Bei Nummern wie "Shake It Out" gibts dann kein Halten mehr: Mit Tamburin sprintet der Rotschopf barfuß über die Bühne und die Zuschauer gehen mit.

Für die nächste ausgelassene Party sorgt Paul Kalkbrenner. Die harten Bässe wabern durch die Massen, bis auch der Letzte seine besten Tanzmoves hinlegt.

Big Sean und Frittenbude drehen auf

Der zweite Festivaltag ist da. Ein kurzer Regenschauer am Morgen und die nasskalten Temperaturen trüben die Vorfreude etwas. Zum Glück starten Schmutzki am Nachmittag in der weißen Zeltbühne. Wem es draußen zu kalt ist, trifft drinnen auf den schwitzenden Schmutzki-Mob.

Die Punkrocker aus Stuttgart haben "Gänsehaut bis zum Po" und können ihr Glück kaum fassen: Vor über 10 Jahren noch als Gäste auf dem Southside, jetzt stehen sie vor einem vollen Zelt selbst auf der Bühne. Das wird natürlich gefeiert: Crowdsurfing ein Mal quer durch die Menge und wieder zurück.

Wer danach weiterhin stickige Luft dem Nieselregen vorzieht, kommt in einen seltenen Genuss auf dem Southside: Feinster Rap aus Amiland. Big Sean springt nach kurzem Warm-Up aufs DJ Pult und wird von einer tosenden Menge begrüßt. Der US-Rapper aus Detroit hat richtig Bock: Spätestens bei seinem Hit "I Don't Fuck With You" scheint dann jeder Rapfan zu sein. Zusammen mit seinem Maskottchen macht Sean seinem Namen alle Ehre: Große Unterhaltung.

"Hallo Deutschland!" - Frittenbude grüßen von der Blue Stage. Die Elektropunker rund um Frontmann Johannes Rögner mischen linkspolitische Botschaften mit harten Elektro-Beats. "Keine Grenzen, keine Heimat", beschwört der Bartträger. Die Fans sind begeistert.

Olli Schulz, Placebo und Casper am Abend

Die kleinere Red Stage stiehlt am Samstag den großen Bühnen fast die Show: Olli Schulz verursacht ein extremes Gedränge vor der Zeltbühne. An den Eingängen kein Durchkommen, alle wollen den Entertainer und Sänger live erleben. Der Berliner geht dann auch auf Kuschelkurs: Ein Wellenbrecher ist keine Hürde für Schulz, er mischt sich unters Publikum und grölt mit seinen Fans Grönemeyer-Hits.

Auf der grünen Bühne kommen die Zuschauer in den Genuss klassischer Rockmusik. The Gaslight Anthem aus New Jersey sorgen zunächst mit ruhigeren Klängen für entspannte Stimmung, bevor sie dann mit Hits wie "45" aufdrehen. Wer sich bis dato nicht in Trance getanzt hat, holt das spätestens bei Alt-J nach. Die Mischung aus Chillwave, House und Indiepop entspricht ganz dem Zeitgeist. Da die Musik eher sanftere Töne anschlägt, kommt die Lightshow dafür umso pompöser.

Der Abend bleibt weiter in britischer Hand: Placebo entern die Green Stage. Zu Frontmann Brian Molkos einzigartigem Organ in Kombination mit seinen Gitarrenkünsten rasten die Fans aus.

Wer dann noch nicht genug gesprungen ist, den zieht es zurück ins rote Zelt: Casper setzt erstmalig bei einem großen Festival auf DJ-Unterstützung statt Band. Die Premiere hat zwar hier und da noch ihre Macken, die schwitzende Masse kann trotzdem nicht genug kriegen: Entgegen der Anweisung der Veranstalter spielt der Rapper aus Bielefeld noch den "Jambalaya"-Remix, bis der Schweiß wortwörtlich von der Decke tropft.

Die Antwoord spielen verrückt

Der dritte und letzte Festivaltag bricht an. Am Sonntag kommen besonders die Rapheads auf ihre Kosten: Alligatoah, Cro, K.I.Z. und Marteria verteidigen die Ehre der Kopfnickerfraktion auf dem Southside. Und als wollte er uns damit ein Zeichen geben, spielt der Wettergott auch noch mit: Sonnenschein und warme Temperaturen entschädigen für die verregneten Tage.

Den Anfang auf der Blue Stage macht Alligatoah. Mit Gladiatorenkostüm grüßt er von einem aufwendig gestalteten Bühnenbild, das den Himmel darstellen soll. Und am Ende fragen tausende Zuschauer gleichzeitig: "Willst du mit mir Drogen nehmen?"

Ganz easy gestaltet sich der Übergang zum nächsten Act: Cro sorgt vor allem beim weiblichen Publikum für Stimmbänderstrapazen. Der Pandarapper heizt den vorderen Reihen bei "Rockstar" mit beeindruckender Pyrotechnik ein.

Wer die abgedrehteste Show des Southside nicht verpassen will, sollte sich dann schnell zur Green Stage begeben. Die Antwoord liefern mit Pokémon-Kostümen und freizügigen Tänzerinnen die ganze Palette ab.

Marteria liefert ein grandioses Finale

Als Special Guest liefert das Southside natürlich einen Hochkaräter: K.I.Z. erobern die Bühne wortwörtlich mit Soldaten und errichten eine Militärdiktatur. Die Berliner wussten schon immer zu provozieren und werden dafür von ihren Fans gefeiert. Die intonieren alle Hits: von "Hahnenkampf" bis "Ein Affe und ein Pferd".

Fast parallel dazu gibts auf der grünen Bühne rasante Rockaction: Das Farin Urlaub Racing Team titt auf und das Festivalgelände bebt. Der Ärzte-Frontmann ist auch außerhalb seiner Stammband beliebt.

Für Partygarantie sorgen am letzten Abend außerdem Jan Delay und seine Disko No. 1. Der Hamburger Rapper spielt sowohl Klassiker aus der Beginner-Ära als auch neue Hits und macht alle Genres durch: Ob Rap, Reggae, Funk oder Rock - Jan kanns.

Marteria markiert am späten Abend den krönenden Festivalabschluss. Der Rapper reißt die Menge mit bombastischer Bühnenshow mit. Auch sein Alter-Ego Marsimoto sorgt einige Songs lang für grünen Rauch. Am Ende will der Rostocker überhaupt nicht mehr aufhören, feiert mit seinen Fans und nimmt ein Bad in der Menge. Dann entlässt er das Festivalvolk schließlich in die Nacht, jedoch nicht ohne zu versprechen: "Wir kommen wieder". Uns bleibt nur zu sagen: Wir auch!

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