laut.de-Kritik

Not und Elend gegen Not und Elend.

Review von

Hartmut Engler gab vor kurzem bekannt, dass er sich vorstellen könne, mit Erreichen des 60. Lebensjahrs das Pur-Zepter endgültig an den Nagel zu hängen. Kritiker der Band springen nach so einer Ansage natürlich sofort an den Computer, machen sich schlau und stellen mit Schaudern fest, dass es sich bei besagtem Termin um den 24. November 2021 handelt. Sprich: Es werden noch sechs weitere Jahre ins Land ziehen, ehe die Pur-Gegnerschaft ihren Hass auf die vier Herren aus Baden-Württemberg endlich in andere Richtungen lenken kann.

Des einen Leid ist aber ja bekanntlich des anderen Freud. Und so feiert man sich am anderen Ufer die Seele aus dem Leib. Dort wird man sich auch in den kommenden Jahren an harmonisch hin und her schaukelnden musikalischen Hoffnungsschimmern aus den Federn von Hartmut Engler, Ingo Reidl und Co erfreuen.

In beiden Extrem-Lagern herrscht also Klarheit. Doch auf was muss sich die breite Masse gefasst machen? Auf was müssen sich unbefleckte, bis dato noch nie mit Pur-Musik in Kontakt gekommene Hörer vorbereiten? Was kommt auf all die Menschen zu, die irgendwann durch Zufall zwischen die Fronten geraten?

Bange machen gilt nicht. So schlimm wird es nicht. Sicher, es wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin mit viel Ballast zu rechnen sein. Aber es kann durchaus auch sein, dass man - mit etwas Glück - mit Songs konfrontiert wird, die sich vor der soliden Minderheit deutschsprachiger Klangkunst nicht zu verstecken brauchen.

So stechen auf dem neuen Pur-Album "Achtung" beispielsweise Lieder wie die in Watte gebettete Mama-Hommage "Anni" und die akustisch vertonte Bonusversion des Titeltracks heraus. Wer würde es schon wagen einer 90-jährigen Mutter ans Bein zu pinkeln? Und mit einem Kinderchor, der sich zugunsten der Toni Kroos Stiftung aus der Hofpause verabschiedet, um mit Hartmut Engler zusammen "Achtung und Respekt" ins Mikrofon zu jauchzen, würde sich wohl auch niemand freiwillig anlegen.

Der Rest des Albums hingegen wird nur wenige Neueinsteiger auf den Pfad lotsen, an dessen Ende eine zahlenmäßig nicht zu unterschätzende Horde Feierwütiger steht, die von aufgesetzt melancholischem Tralala und Hopsasa gar nicht genug bekommen kann.

Bereits nach viereinhalb Minuten winkt man das erste Mal müde ab. Gemeinsam mit Neu-Buddy Xavier Naidoo im Arm appelliert Hartmut Engler an die Vernunft ("Wer Hält Die Welt"). Wir haben schließlich alles selbst in der Hand. Die Welt muss also nicht zu Grunde gehen. Wer allerdings derartigen Mumpitz benötigt, um über seinen Schatten zu springen und irgendwo mal mit anzupacken, der wird bei der Beseitigung der Weltprobleme eher keine große Hilfe sein.

In der Folge wird es nicht besser. Von jeglichen Ecken und Kanten befreiter Schlagerpop trifft auf Weichgespültes aus dem 0815-Archiv. Und mittendrin drehen sich Texte im Kreis, die in etwa den Tiefgangradius eines Schnorchels haben. So wird aus dem "Abenteuerland" das "Heimwehland". Schnief. Zwischen gehauchten Jadidadndas und Ohohos hat das Mitgefühl ausgefühlt und der Schornstein der Erde ausgedient. Es wird also höchste Zeit die Ärmel hochzukrempeln.

Vielleicht legen sich ja auch Manni aus München und Karin aus Kiel mit ins Zeug, auch wenn sie bereits einen im Tee haben? Oder Benny und Birte aus Berlin? Vielleicht aber auch Jana aus Jena? Sie alle stehen jedenfalls unter einem guten Stern. "Gemeinsam" machen sie die "Lichter Aus". Und das in Begleitung eines Soundtracks, der jede Menge Ü-Eier vor sich her rollt.

So klammern sich neben eingefahrenen Cowboy-Chords ("Vermiss Dich") und watteweichen Pianoläufen ("Manchmal Wenn Ich Traurig Bin...") auch Eurodance-Synthies ("Lichter Aus") und allerlei Effekte aus dem Elektro-Museum ("Achtung") an einen "Fallschirm", der aber ums Verrecken nicht aufgehen will.

Was folgt, ist ein harter Aufprall, sowie eine kurz darauf verbreitete Schadensmeldung, die selbst den erfahrenen Fernsehgarten-Reparaturservice vor schier unlösbare Aufgaben stellt. Irgendwann wird dann aber doch wieder alles zusammengeflickt. Und die Reise kann weitergehen. Voraussichtliche Zielankunft: November 2021. Kann nicht mal einer an der Uhr drehen?

Trackliste

  1. 1. Wer Hält Die Welt (Mit Xavier Naidoo)
  2. 2. Heimwehland
  3. 3. Vermiss Dich
  4. 4. Achtung
  5. 5. Guter Stern
  6. 6. Gemeinsam
  7. 7. Lichter Aus
  8. 8. Die Welle
  9. 9. Nimm Dir
  10. 10. Land In Sicht
  11. 11. Anni
  12. 12. Fallschirm
  13. 13. Manchmal Wenn Ich Traurig Bin...
  14. 14. Achtung (Bonus)
  15. 15. Wer Hält Die Welt

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14 Kommentare mit 29 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Naja, die Donots müssen nun beweisen, das sie besser sind und das nächste Album nicht zur billigen Kopie des letzten wird. Allerdings glaube ich das nicht... Was Pur angeht: Texlich und musikalisch sind die ja nun echt eingefahren. Da kann man ein Album aus vor dem Millenium mit heute problemlos nebeneinander stellen, würde keinem auffallen.

    Nochmal zu den Donots: Platte Texte? " ...trägst die Kravatte eng, wie ein Strick. Immer gut gekleidet für den großen Augenblick. Fällst gekonnte die Treppe runter und nimmst zu viel auf deine Schultern". - Junger Mann zum Mitleiden gesucht
    oder
    "Im Kopfkino läuft mal wieder nur Scheiße..."
    findest du platter als das Kram von Pur?

    • Vor 9 Jahren

      ja, weil worte wie kopfkino halt einfach zum kotzen sind

    • Vor 9 Jahren

      Sollten das jetzt die Beispiele für durchdachte Textzeilen sein?

    • Vor 9 Jahren

      hast du ein paar freshe textzeilen aus eigener feder über user statix parat bruder morpho?

    • Vor 9 Jahren

      Ja, hier:

      "Nochmal zu den Donots: Platte Texte? " ...trägst die Kravatte eng, wie ein Strick. Immer gut gekleidet für den großen Augenblick. Fällst gekonnte die Treppe runter und nimmst zu viel auf deine Schultern". - Junger Mann zum Mitleiden gesucht
      oder
      "Im Kopfkino läuft mal wieder nur Scheiße...""

      Wollte mir eigentlich was eigenes ausdenken, aber hier hat er sich einfach perfekt selbst zerstört.

  • Vor 9 Jahren

    Furchtbarer Schwabenschleim

  • Vor 9 Jahren

    In diesem Falle gilt mal wieder: Abtreibungen können Leben retten!