laut.de-Kritik
Schon wieder kurz obsessed gewesen.
Review von Yannik GölzMit Rico Nasty ist es doch irgendwie wie verhext. Die Frau ist seit Jahren dabei und baut immer wieder ein Momentum auf: Gefühlt alle zwei Jahre hat sie einen neuen Sound, eine neue Attitüde und mindestens einen wirklich geilen neuen Song. Und jedes Mal sind sich eigentlich alle einig, dass die könnte, wenn die Sterne mal richtig stünden. Doch jedes Mal, gibt es ein neues Album, bleibt es irgendwie nicht richtig kleben. Bubblegum-Trap, Emo-Trap, Nu-Metal-Revival, Hyperpop: Auf allen Wellen ritt Rico irgendwie mit, steuerte einen geilen Track bei. Aber die Alben schafften es nie wirklich in den Kanon.
Umso mehr tut es mir Leid, dass auch "Lethal" wieder auf die frustrierendste Art ein Miss ist. Dabei standen die Vorzeichen eigentlich gut. Nun bei Punk-Indie-Kultlabel Fueled By Ramen unter Vertrag steigt sie komplett auf die Idee von einem Rap-Rock-Album ein. Und wieder gibt es da ein paar wirklich gute, unterhaltsame Vorstöße. Aber als ganzes Album? "Lethal" verläuft doch wieder im Sande.
Als die Leadsingle "Teethsucker (Yea3x)" erschien, hat mir das neue Konzept absolut eingeleuchtet. Rico hatte in ihren besten Momenten schon immer eine punkige Note. Dieser Track kommt nun einem kompromisslosen Energieschub gleich: Kurz und knackig auf den Punkt. Klar, es nimmt die Pop-Punk-Nullerjahre-Nostalgie ein bisschen schamlos mit, aber ihre Stimme und die Attitüde machen es doch wieder fresh. Alle waren bereit für ein Album, dass zehn von diesen kurzweiligen Adrenalinschüben aneinanderreiht.
Und es ist nicht so, als würde "Lethal" das nicht versuchen. Es gibt diese Momente, in denen sie wirklich gut durchrappt und industrielle, harte Soundelemente auf ein Trap-Fundament bettet. "Grave", "Eat Me!" und "Who Want It" prügeln schon gut um sich. Die Energie ist da, die kurze Spielzeit hier eher ein Vorteil.
Aber in der zweiten Hälfte scheint es dann, als wolle Rico ein bisschen diverseren Geschmack beweisen - und verrennt sich komplett. "Crash" zum Beispiel klingt wie eine langweilige, generische Radio-Rock-Ballade. "Can't Win Them All" ist mit seiner komischen Mischung aus Pömp, Post-Grunge und Electronica näher an den Imagine Dragons dran, als es irgendjemand lieb sein sollte. Spätestens, wenn sie auf "Smoke Break", "You Could Never" und "Smile" ein Indie-Soundklischee an das nächste reiht, wird klar: Das hier ist kaum noch Inspiration. Das ist Cosplay.
Je deeper "Lethal" gehen möchte, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass die Grundmotivation hinter diesem Sound weniger ehrliche Lust war, andere Genres zu erkunden. Es fühlt sich eher an, als suche sie nach einem USP. Irgendwie nähert sich Rico den Einflüssen mit der gleichen, leicht TikTok-artigen 'Hits or else'-Keule.
Aber die Umsetzung gerät am Ende doch oft zu sloppy und zu lieblos, um eine richtig Chance auf ein Pop-Crossover zu haben. Es gibt keinen Moment, in dem dieses Album lebendig wird. Richtig fies betrachtet, fühlt sich "Lethal" selbst in seinen besseren Songs wie ein paar der Reihe nach übergeworfene Kostüme an.
Vielleicht ist das das generelle Problem von Rico Nasty: Die Frau hat alles Talent der Welt. Aber Album für Album scheint ihr die Geduld zu fehlen, so wirklich in ihrer aktuellen Sound-Obsession anzukommen. Ihre Musik charakterisiert immer dieser erste Schub, sich gerade in etwas Neuem und Aufregendem auszutoben. Das zeitigt dann auch einige verlässlich gute Songs pro Platte. Leider fühlt sich auch "Lethal" wieder an, als könne man einer Drei-Tage-Rabbithole-Phase beim Verschwinden zuhören.
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