Rush - " R 30 - 30th Anniversary World Tour"

Die Band musste erst ihren 30. Geburtstag feiern, bevor sich die Herren Lee, Lifeson und Peart einmal wieder in europäischen Gefilden blicken ließen. Es wurde langsam Zeit. Das Trio sieht das wohl genauso, grüßt es seine Anhänger vom alten Kontinent doch mit einem Special Thanks im schön bebilderten Booklet, dass die Bandhistorie fotografisch nachzeichnet. "A personal thank you from Rush to our long-neglected European fans, for their patience and dedication". So lautet die wohlverdiente Erwähnung ihrer masochistischsten Anhänger.

In der schönen Frankfurter Festhalle ließ das Trio im vergangenen Herbst die Kameras laufen und präsentiert das Ergebnis auf "R 30", wie man es von den Kanadiern gewohnt ist. Die Zuschauer, die Zeuge dieses Abends waren, dürften Rush in jedweder Hinsicht positiv in Erinnerung behalten. Mangelnde Professionalität wäre das Letzte, was man ihnen bei ihren Performances vorwerfen könnte. Spielfreudig wie eh und je musizieren sie sich durch ein schönes Best Of-Programm. Ihren feinen Sinn für Humor haben sie - trotz heftiger Schicksalsschläge in den letzten Jahren - auch nicht eingebüßt, was die feinsinnig animierte Einleitungsfilmchen vor dem eigentlichen Konzert und das Intro mit dem Herrn im Sessel beweisen. Letzterer fordert die Band mit Nachdruck auf, doch endlich auf die Bühne zu kommen. Let the show begin.

Gleich zu Beginn des über zwei Stunden andauernden Sets wartet das Trio mit einer faustdicken Überraschung auf. In einem Medley pfriemeln sie sechs alte Klassiker, die das euphorische Publikum begeistert feiert. Auf der Videoleinwand sind derweil alte Hair-Crimes der Bandmitglieder zu sehen, inklusive eines Mammut-Schnauzers von Neil Peart, der den eines Tom Sellecks bei weitem hinter sich lässt.

Stets erscheint das Trio als dynamische Einheit, die das Bad in der Menge genießt und unter den Sympathiebekundungen ihrer Anhänger aufzublühen scheint. Da ist es dann auch mal so was von egal, dass nicht jeder Ton perfekt sitzt. Besonders Geddy Lee gönnt sich den einen oder anderen schrägen Ton. Um so schöner, dass Rush bei ihrer Jubiläumsveröffentlichung darauf verzichten, allzu viele Overdubs zu benutzen.

Kameraeinstellungen, Ausleuchtung der Bühne und akzentuiert eingesetzte, geschmackvolle Video-Projektionen machen das Konzert auch vom visuellen Aspekt her zu einer runden Sache. Ein Kompliment auch an Mark Morton, der mit sicherer Hand die Schnitte setzte. Feine Überblendungen statt hektischer Maschinengewehr-Cuts tragen seine Handschrift.

Über jeden Zweifel erhaben: Neil Peart mit "Der Trommler". Wie immer variiert er seine Schlagzeug-Eskapade, so dass sein Solo nach wie vor die einzige Drum-Egomanie ist, die man nicht nur ertragen, sondern auch genießen kann. Aus dem kompletten Set, das sie an jenem Abend in Frankfurt zum Besten gaben, mussten (aus Platzgründen oder wegen der Dopplung zur "Live In Rio"-DVD?) einige Songs weichen wie zum Beispiel "One Little Victory" und "Red Sector A".

DVD Nummer zwei wartet mit einigen alten Live-Aufnahmen auf, bei denen man noch diverse, damals zeitgemäße Geschmacksverirrungen bewundern darf. Neben einigen älteren Interviews und der Aufnahme in die Juno Hall Of Fame von 1994 verstecken sich noch zwei Ostereier auf der Disc, die jedoch nicht unbedingt der Brüller schlechthin sind. Dennoch ist das Unternehmen "R 30" rundum geglückt. Jetzt dürfen Lee, Lifeson und Peart auch endlich auf Ü30-Partys gehen. Viel Spaß dabei.