laut.de-Kritik

Der FC Barcelona unter den Alben: Zusammenspiel ist alles.

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Ein Riff, eine Melodie, ein Beat kann noch so gut sein: Ohne den richtigen Kontext nützt das gar nichts. Um mal die beliebten Fußballmetaphern zu bemühen: Ein einziger Spieler kann ohne die Hilfe seiner Mannschaft nicht gewinnen. Johnny Vic reicht mit seiner zweiten Satellites-Scheibe seine Bewerbung um den Titel "Pep Guardiola der Musik" ein. "Satellites.02" geht jedenfalls als der FC Barcelona unter den Alben durch. Zusammenspiel ist alles.

Ein trippelndes Glockenspiel eröffnet den bunten Reigen, formiert sich mit einem Gardetrommler zur forschen Militärparade. Klavier, Shaker, Bass, Synthesizer, Gitarre und Chor schließen sich dem Zug nach und nach an. Harmonien und Patterns schieben sich ineinander, verweben sich und erlöschen nach ziemlich genau zwei Minuten, wenn der Dirigent seine Stimme erklingen lässt.

Von jetzt an benimmt sich Vic wie ein Puppenspieler. Zieh' dort, mach' einen Richtungswechsel hier, kombiniere dieses Instrument mit jenem, steh' still. Überall ploppen die anfänglich vorgestellten Melodien auf, drehen sich in neuen Kombinationen und tauchen wieder ab.

Darüber schwebt Johnny Vics tiefes Timbre und versprüht stoische Ruhe, Geborgenheit und Nachdenklichkeit. Es hält alles zusammen, bildet die einzige Konstante in einem sich ständig wandelnden Klangozean. Und das war gerade einmal der erste Track.

Im Vergleich zu dem noch eher schlicht gehaltenen Debüt "Satellites.01" fährt Vic jetzt die ganze Bandbreite der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf. Bläser, Streicher, Elektronika: Was immer ihm gerade passend erscheint, integriert er in seine Stücke. Es gibt eingängige E-Gitarren-Tonfolgen ("Neon Sun"), folkige, bluesige Akustikparts ("Ghost Of A Memory"), quietschende Feedback-Attacken ("Something Bigger"), näselnde Flöten ("Beg Steal & Borrow") und stechende Beats ("Wasteland").

Ein Großteil der Platte spielt sich in melancholischen, still gehaltenen Bereichen ab. Als Trumpfkarte stechen aber vor allem die etwas beschwingteren Stücke. Wie "Something Bigger" spielt zum Beispiel auch "God Bless America" mit zum Tanzbeat mutierten Marschrhythmen, denen Blechbläser stimmungsvolle, gerade so am Kitsch vorbeischrammende Details hinzufügen.

Das Zusammenspiel von simpler Melodieführung, Synthies und Vics unaufgeregtem Gesang erinnert häufig an Coldplay. Vics Soundlandschaften sind allerdings noch einen Tick vielschichtiger als die seiner Landsmänner um Chris Martin. Gerade in punkto Dynamik eilt er den Superstars davon. Auch deshalb hält Vic "Satellites.02" bis zum Schluss spannend und überrascht immer wieder.

Letztendlich laufen sämtliche Fäden bei den ausgefeilten Arrangements zusammen. Diese grenzen durchweg an Perfektion, egal ob in schweren, bedrückenden Balladen oder in lockeren Momenten. Ersichtlich wird das insbesondere zu Beginn und Ende des Albums. Das flotte "Something Bigger" verkörpert das eine Extrem, "Hourglass" das andere. Das Klavier stagniert in einer Dreitonfolge, das Schlagzeug wiegt sich im sanften Dreivierteltakt, aus dem Hintergrund dringt der Synthie-Bass. Die zweite Hälfte dominieren pointiert eingesetzte Streicher, unter der Oberfläche wabern Soundeffekte und E-Gitarre fast schon psychedelisch. Im sorgfältig errichteten Harmonietempel prallen die kanonisch gegeneinander verschobenen Melodien aufeinander und führen "Satellites.02" zu einem letzten dissonanten Höhepunkt.

Trackliste

  1. 1. Something Bigger
  2. 2. Neon Sun
  3. 3. This Is All That There Is
  4. 4. God Bless America
  5. 5. Ghost Of A Memory
  6. 6. World At Your Feet
  7. 7. Madison Park Bell
  8. 8. Bone Trophies
  9. 9. Beg Steal & Borrow
  10. 10. Wasteland
  11. 11. Hourglass

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Gott, fast das halbe Review über den ersten Track. Völlig zurecht, danach hat mich das Album genauso mit genommen wie den Autor. Bisschen zu ruhig und düster manchmal. Seine Perfektion Instrumente miteinander zu verweben, reist es immer raus. Neben dem Alt-J Album das Beste, was ich dieses Jahr gehört habe. Eventuell sollte Johnny besser als Bassist bei Alt-J anheuern. Die Komplexität von Alt-J, würde die Perfektion von Johnny perfekt ergänzen. Man wird ja wohl träumen dürfen! ;)

    Gruß Speedi