laut.de-Kritik
Stimmungsvoller Jazzpop aus Italien.
Review von Giuliano BenassiManchmal steht der Erfolg am Ende schwer begehbarer Wege. Über zwanzig Jahre dauerte es, bis der italienische Pianist Sergio Cammariere die Früchte seiner Tätigkeit genießen durfte. Gute zwei Jahre musste er nach Veröffentlichung von "Dalla Pace Del Mare Lontano" warten, bis sich das Album in den höchsten Etagen der italienischen Charts etablierte - dank eines Liedes, das dafür gar nicht vorgesehen war.
"Tutto Quello Che Un Uomo" war nämlich sein Beitrag für das diesjährige Festival Di Sanremo, bei dem er unvermittelt den dritten Platz belegte. Obwohl eher eine Veranstaltung für leichtere musikalische Kost, ist die Platzierung kaum überraschend: Begleitet von seinem Flügel, jazzigen Arrangements und gelegentlichen Orchesternoten, singt der 42-Jährige nachdenklich über "Alles, was ein Mann" im Leben tun kann, um erfüllt zu sein. Kaum erstaunlich geht es darum, die geliebte Frau glücklich machen. Dass er dabei nicht nur das weibliche Publikum, sondern auch die Expertenjury überzeugte, spricht für Cammarieres musikalische Qualität.
Denn das Album ist mehr als nur eine Sammlung angeschnulzter Stücke. Cammarieres Songwriter Roberto Kunstler setzt sich neben Liebe auch mit mit anderen Fragen auseinander. So handeln seine Texte vom Vergehen der Zeit ("Tempo Perduto"), Abschied Nehmen ("Via Da Questo Mare"), existenziellen Feststellungen ("Cambiamenti Del Mondo"), aber auch von italienischen Eigenheiten. "Das Land des Tores" ("Paese Di Goal") bezeichnet er mit einem Schmunzeln seine fußballbegeisterte Heimat, "Einen klitzekleinen Songwriter" nennt sich Cammariere im abschließenden "Cantautore Piccolino".
Die enge Zusammenarbeit der Zwei macht sich nicht nur in der Glaubwürdigkeit der Interpretation bemerkbar, sondern vor allem im Zusammenspiel mit den Instrumenten. Genau hier liegt die Stärke des Albums: Texte und Musik passen zueinander, Inhalte und Stimmungen verschmelzen zu einer Einheit. Neben dem routinierten Klavierspiel Cammarieres ist es der Verdienst seiner Musiker; zu Kontrabass, Schlagzeug, Geige und dem eher exotischen Flügelhorn gesellt sich mit Alex Britti der talentierteste italienische Gitarrist der letzten Jahre zur Band. Obwohl er sich seinen Lebensunterhalt mit eher poppigen Kompositionen und hohen Chartsplatzierungen gesichert hat, ist er für anspruchsvolleren Jazz oder Blues immer zu haben.
Gute Musiker, intensive Stücke, eine Stimme, die manchmal etwas dünn wirkt, dennoch Persönlichkeit besitzt und stellenweise an Paolo Conte erinnert - die Zutaten sind alle da, um Cammariere auch im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen.
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