laut.de-Biographie
Steve Cropper
Für die Musikgeschichte stellte Steve Cropper manche Weichen. Zusammen mit Bassist Donald "Duck" Dunn, erscheint er rückblickend als extrem wichtiger Konstrukteur. Wofür ihn die Rock'n'Roll Hall of Fame, der US-Rolling Stone und viele andere ehren, als er schon weiße Haare hat. Es dauert auch lange, nachdem er schon 20 Jahre im Dienst rotiert, bis er sich 1980 einem großen Publikum optisch präsentiert und dabei sehr bekannt wird: Als er sich selbst im Kultfilm "The Blues Brothers" spielt. Schauspieler John Belushi, bluesaffin (und nebenbei Sänger), wollte Cropper. Nervte ihn. Der - very busy - lehnte erst mal ab; setzte sich aber dann schließlich doch in Bewegung.
Während des Kinoerfolgs gewinnt ihn Belushi sogar für eine Tournee. "Everybody Needs Somebody To Love" mausert sich zum amtlichen Hit aus Film, Soundtrack und Tour. Die Blues Brothers feiern nicht nur Blues. Mehr verschmelzen sie er ihn auf geschickte Weise mit Funk und Rock, und eine Menge Soul war auch noch enthalten.
Soul ist das ursprüngliche Spielfeld des 'Colonel' Cropper. Die Blues Brothers aber, noch ohne ihn und Duck Dunn, rutschen überraschend treffsicher in die Hairmetal-Hardrock-Welle der ausgehenden 70er mit Van Halen & Co. Einige dieser Bands haben ihre direkten Wurzeln im Rhythm and Blues. In Amerika goutiert eine große Hörerschaft auch das 'Original'. Und für die feurige, rockig angeschliffene Interpretation von Blues, R & B und Soul ist Cropper dann genau der Richtige.
Bereits die zahlreichen Erfolge von Aerosmith, die Wandlung der Kinks in den späten 70ern, zudem die frühe Suzi Quatro bereiteten ein Publikum für Sound in dieser Richtung, woran die Blues Brothers dann passgenau andocken.
Als Label, das allen vorweg marschierte, wenn's drum ging, Schwarz und Weiß zu Bunt zu vermischen, sticht schon Ende der 50er Jahre Stax (bzw. die Schwestern-Labels Stax und Volt) am Mississippi hervor. Steve Cropper spielt dort, auf den meisten Aufnahmen, für die zahlreichen Künstler*innen Gitarre, die keine eigene Band mitbringen oder nicht mit der anderen "Hausband", den Bar Kays auftreten und recorden. So profitiert z.B. Wilson Pickett von Croppers Diensten.
Dass Cropper eine Art Prototyp des ur-amerikanischen Südstaaten-Gitarristen verkörpert, erkannte John Belushi also ganz zu Recht. Aufgewachsen während seiner Teenager-Jahre im Herzen der Sumpf-Grooves, Memphis, Tennessee, atmete der junge Steve frühzeitig den Blues des Mississippi. Und vor allem die 'schwarze' Kirchenmusik dort soll ihn weggefegt haben.
Sein Taschengeld legt er dennoch in eine Fender Esquire an - nicht gerade kirchlich. Geboren am 21. Oktober 1941, entdeckt ihn mit 16 jemand in einem lokalen Club: Jim Stewart, der gerade eine Plattenfirma mitgegründet hatte, Stax. Stewarts Kompagnon suchte das Weite, und so brauchte Stewart in erster Linie einen Mitarbeiter mit Gespür für Talente und fürs Songrepertoire - einen 'A & R'-Angestellten, der das künstlerische Profil der Plattenfirma mit entwickelte. Gleichzeitig fiel auch auf, dass viele Künstler*innen ohne Band ins Studio eintrudelten.
Flugs hebt man die Hausband des Labels aus der Taufe: Booker T. Jones an der Orgel, Steve Cropper an der Gitarre. Als Rhythmus-Backing. Aber irgendwie auch als Lead-Gitarrist. Cropper mogelt sich fortan durch einen Kompromiss aus beidem, denn zwei Gitarristen will Stax für die Aufnahmen nicht finanzieren.
Die vier an den Tasten, an der Gitarre, dem Bass, den Drums, haben so viel Spaß, dass Booker T. & The M.G.s eigene Instrumentals jammen. Sie covern auch Songs ohne Vocals, derweil sich gerade ihre eigene Komposition "Green Onions" in Croppers ersten Hit verwandelt: Platz 3 in den USA, 7 in Großbritannien. Ohne Text. So dolle klingt es auch später nicht, wenn Cropper in den 80ern gelegentlich auf eigenen Alben und auf der Bühne singt. Eher nölig.
Bis dahin spielt er mehrere Alben mit Booker T. & The M.G.s ein, ko-komponiert Welthits wie "In The Midnight Hour" (Wilson Pickett), "Sittin' On The Dock Of The Bay" (für Otis Redding), "Knock On Wood". Letzteren Tune erst für Eddie Floyd, dann für Rufus & Carla Thomas, dann für die halbe Musikwelt - es wird nämlich rauf und runter gecovert. Der Sessionmusiker ist als Ko-Autor schwer im Geschäft. Naheliegende Folge: Er probiert es mit zwei eigenen Blues-Platten. Beide erscheinen 1969, die eine bei Volt und fast nur instrumental, die andere bei Stax und komplett ohne Gesang. Als Stax pleitegeht, stehen die Auftraggeber Schlange.
John Lennon allen voran, der schon zu Beatles-Zeiten ein großes Auge auf Cropper geworfen hatte. Cropper hatte mit Booker T. übrigens auch "With A Little Help From My Friends" und McCartneys "Eleanor Rigby" als Instrumentals gecovert; die Wertschätzung war also wohl gegenseitig. Zusammen mit Klaus Voormann spielt er 1975 auf Lennons Album "Rock'n'Roll".
Gitarren-Credits verdient sich der 'Colonel' (ein Spitzname aus Schulzeiten) außerdem bei: Mavis Staples, den Staple Singers, John Mayall, Ringo Starr, Leon Russell, Paul Simon, Etta James, Roy Orbison, Jerry Lee Lewis, B. B. King, Rod Stewart, Harry Nilsson, Sammy Hagar – das ist eine klitzekleine Auswahl - und bei Jay-Z's "So Ghetto", nicht zu vergessen.
Cropper versucht's zwischenzeitlich nochmal solo. Zeit bleibt dafür kaum. Er produziert ja auch, zum Beispiel John Cougar Mellencamp. 1998 dreht man die zweite Auflage der Blues Brothers, er ist wieder an Bord. Ganz zu Anfang hatten Booker T. & The M.G.'s mal einen Hit mit "Groovin'", von den Rascals. An deren Felix Cavaliere erinnert sich Cropper auf seine alten Tage und jammt 2008-10 mehrmals mit ihm Studio. 2011 folgen Aufnahmen mit Bettye LaVette, Sharon Jones, Bryan May und vielen anderen. Der Release heißt "Dedicated: A Salute To The 5 Royales". Ebenfalls 2011 kürt der US-"Rolling Stone" Cropper zu einem der wichtigsten Gitarristen der Welt: Rang 39!
Dabei ist gar nicht mal so recht ein Gitarrensolo aus seinem Schaffen erinnerlich. Doch die sprungfederhaften, subtilen und wirkungsvollen Riffs überzeugen. Um die Dimension zu zeigen: der Boss auf 96, Dave Davies auf 91, Tom Verlaine auf 90, Robbie Krieger auf 76, John Frusciante auf 72, Slash auf Platz 65, Rory Gallagher auf 57, Jerry Garcia auf 46, und Knopfler rangiert nur auf Position 44, hinter dem stoischen Steve Cropper.
Dann stirbt 2012 sein Wegbegleiter Duck Dunn, mit dem er zahlreiche Aufträge gemeinsam abarbeitete. Danach weitgehende Funkstille. Bei einer großen Zusammenkunft der Original Blues Brothers Band (2017, inklusive Dr. John als Gast auf einem Track) und auf Ringos Album "Goodnight In Vienna" (2018) tritt Cropper wieder in Erscheinung.
Während des Lockdowns entschließt er sich mit fast 80, alte Aufnahmen aus den Cavaliere-Sessions neu aufzupolieren und ein Album draus zu machen. "Fire It Up" wird super und löst ein riesiges Medienecho aus. Cropper hat an seinem Stil nicht das geringste Quäntchen geändert, er spielt wie 40 oder 60 Jahre zuvor.
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