laut.de-Kritik
Killer-Riffs vom Ex-The Blues Brothers-Gitarristen.
Review von Philipp KauseAnfang der 80er etablierte sich, etwas versteckt zwischen vielen größeren Trends, eine Verschmelzung von Hardrock, Memphis-Blues und Funkyness mit Bläsersätzen und scharfen Gitarrenriffs. Allen voran, verantworteten The Blues Brothers die Breitenwirkung dieser Subwoofer getränkten Rezeptur. Einer, der damals als Gitarrist vor (und hinter) der Kamera mitmischte, war der Gitarrist Steve Cropper, der nun ein bärenstarkes Soloalbum "Fire It Up" vorlegt. Sowas wie die Zusammenfassung der eigenen Lebensleistung, auf die er stolz sein kann.
Und diese Songs zieht er in bewundernswerter Coolness durch. Im Hause Stax lernte Cropper einst, zwo-ein-halb-minütige Hits auf den Punkt zu komponieren. Er briet die "Green Onions" in einem der populärsten Instrumentals der R'n'B/Soul-Geschichte. Heute konstruiert etwas längere Songs und präsentiert sie im stringenten spielerischer Flow.
Immer wieder, wenn ein Track vorschnell in eine Abblende mündet, kann man sich beim Zuhören nur schwer trennen, ss war doch gerade so schön. Andererseits folgt im Anschluss stets das nächste coole Ding, ausgestattet mit 1A-Melodien, einem smarten Vocals und einer unbeirrbaren 'Straight-Forwardness'. Läuft, flutscht und trägt kein Gramm Bläserblech oder Gitarrenholz zu viel auf.
Auch die Trommelfelle durchleben eine chillige Stunde. Sie schwingen gerade so ausgiebig wie nötig. Cropper findet die richtige Dosis Wohlfühlmusik, indem er einfach Mode aus der Zeit nach 1983 ausblendet. Dafür kassiert die Platte einen, den einzigen echten Kritikpunkt: Sie gerät flauschig anachronistisch. Natürlich alles Absicht. Denn der meiste spätere Bluesrock diverser Spielarten, von Swamp beeinflusst bis zu Prog-Blues-Fusionen, lässt in erster Linie die Amplifier über allem anderen dröhnen (Clapton und Van Morrison ausgenommen). Steve Cropper schlüpft in einen ganz anderen Schuh, ihn interessieren die Songstrukturen und Tonleitern mehr.
Ebenfalls speziell: Die meiste Musik dieser Art sortiert sich in der Regel um einen Lead-Gitarristen, der in langen Soli und mit Fingerfertigkeit sein Handwerk beweist. Cropper ist dagegen Rhythmusgitarrist, er begleitet. Höchstens, wenn es sich ergibt, übernimmt er mal die Melodieführung. Sein längstes Soli ("Out Of Love") dauert 24 Sekunden.
Den Gesang überlässt der bald 80-Jährige dem Kollegen Roger C. Reale. Dessen Timbre zieht viel Aufmerksamkeit von den Instrumenten ab, während sich der Gastgeber bescheiden zurückhält. In "I'm Not Havin' It" beispielsweise gibt es zwar zwei megastarke Rhythmriffs, doch ein Saxophonsolo hat ganz klar Vorfahrt.
Aus ursprünglichen Sessions formte Cropper im Leerlauf des Lockdowns ein sehr unterhaltsames Album. Der Jam-Charakter fließt dabei so stark ein, dass der Begriff Mixtape das Ergebnis besser zusammenfasst. "Fire It Up" flowt fast als Mixtape der ultimativen, funky R'n'R-Blues-Hardrock-Soul-Legierung. Der Longplayer gleitet verblüffend glatt von Anfang bis Ende.
Glatt ist hier nicht negativ gemeint: Man wartet vergeblich auf Aussetzer oder eine zweitklassige Nummer. Aber nichts dergleichen. Alles super. Einige Momente, die im Ohr haften bleiben: Der New Orleans-Style mit hohem Honkytonk-Klavier, Altsaxophon und Marschtrommel in "Say You Don't Know Me". Die röhrenden Vocals in "She's So Fine" mit Reimen wie "She was the right operator / gonna take me up sooner or later" sowie Croppers chromatisches Rhythmik, die er locker aus dem Handgelenk schüttelt. Die dezente, mellow düstere Gitarre im atmosphärischen "Two Wrongs", die an zwei Elvis-Hits, "Suspicious Minds" und "In The Ghetto", erinnert.
"Two wrongs don't make a right / no matter how you try": Da blitzt er wieder auf, der lässige Galgenhumor der Blues Brothers. In "The Go-Getter Is Gone" flasht der Text mit seinen vielen Stilfiguren. Der Sänger zerfleischt die Silben, hier zieht die Lyrik die mal tatsächlich mediokre Musik hoch. Zu diesem Zeitpunkt hat man das Album aber schon zutiefst lieb gewonnen. Cropper ist eigentlich Kult.
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