laut.de-Kritik
Spiel denselben Song nochmal.
Review von Julius StabenowIrgendwie irritiert schon der Titel des aktuellen Luciano-Albums. "Unlock"? Immerhin ist der Berliner kein Newcomer mehr, der gerade richtig durchstartet. Auch sonst fällt einem nichts ein, was irgendwie befreiend sein könnte. Im Gegenteil: Alles klingt wie immer, nur ausgebreitet auf ganze 27 (!) Songs. Warum es so viele gebraucht hat, erschließt sich nicht ganz, immerhin handelt es sich um das dritte Release in 2025. Macht zusammengerechnet 47 Lieder alleine in diesem Jahr, diverse Features nicht eingerechnet.
Dabei war Luciano nie ein Albumkünstler, sondern ein Hit-Garant mit einer einzigartigen Stimme und einem ausgezeichneten Gespür für die perfekte Mischung aus Melodien und Härte. Dieses Alleinstellungsmerkmal, das ihn vor allem auf "Majestic" ausgezeichnet hat, fast kein Song verzeichnet unter 15 Millionen Klicks, scheint nun verloren.
Dafür spricht auch, dass die ersten Singles zu "Unlock" bereits Ende 2024 erschienen, noch vor der "Gesegnet"-EP mit Apache 207 und dem Album "Banditorinho 2". Ein künstlerischer Befreiungsschlag sieht für mich anders aus. Eher wirkt es wie die ziellose Suche nach dem nächsten Hit, der aber einfach nicht kommen will. Klar, "In A Minute" fährt solide Zahlen ein, danach wird es aber dünn und den Vergleich mit früheren Werken brauchen wir gar nicht erst anzustellen.
Die Tunes plätschern vor sich hin, das Album klingt eher wie eine Playlist, als nach einem ernsthaft durchdachten Konzept. Nach wie vor hervorragend produziert, fehlen aber die Highlights. Die Überlänge verstärkt noch den Eindruck des musikalischen Einheitsbreis. Die Songs unterschieden sich kaum, Luciano springt soundtechnisch zwischen Drill, seichtem R'n'B und Afrobeats hin und her, während er sich inhaltlich um die bekannten Themen dreht: Frauen, ein protziger Luxus-Lifestyle und die Demons, die er aufgrund seiner Vergangenheit und trotz seines Erfolgs nicht verdrängen kann.
Darum geht es maximal oberflächlich in jedem einzelnen Song. Keine Variation, keine neuen Ideen, keine ernsthaft persönlichen Zeilen, keine versteckten Referenzen. Frauen sind entweder die Liebe des Lebens oder die Baddie aus den DMs, die ihn, den armen Rapper, dazu verführen, eben diese Liebe des Lebens zu betrügen, was er dann wiederum versucht, mit teuren Geschenken an seine eigentliche Herzensdame auszubügeln. Die Chanel Boutique am Kudamm reibt sich die Hände, so oft wie der Künstler dort Chanellis shoppt. Echte Gefühle: keine. Luciano kennt nur die Kälte und den Schmerz in seinem Herzen, wie er immer wieder betont. Hätte er nicht diese spezielle Delivery, dieses Album hätte auch von einer KI generiert worden sein.
Dringend benötigte Abwechslung liefern lediglich die internationalen Feature-Gäste, und Lucianos Netzwerk liest sich beachtlich: Dystinct aus Marokko, Shiva aus Italien, Tayc aus Frankreich, Oxlade aus Nigeria, Young Adz aus Großbritannien, sowie der Aachener Jazeek als einzige Kollabo. Wenn man das Album etwa auf dem Weg zur Arbeit hört, ohne auf die Titel zu schauen, erinnern oft nur diese Gäste daran, dass gerade ein anderer Track läuft – so sehr verschwimmen die immer gleichen Sounds und Flows.
Trotzdem sticht lediglich "Pretty Woman" mit dem Italiener Shiva etwas heraus. Beide Protagonisten rappen hier etwas aggressiver, mit mehr Hunger und schalten teilweise in den Battle Modus. Eigentlich weniger der Rede wert, aber dennoch zumindest eine kleine Überraschung.
Neben "In A Minute", das am ehesten einem eingängigen und trotzdem wiedererkennbaren Hit gleichkommt und durchaus Spaß macht, fällt noch "Verdrängen" positiv auf. Über die nahezu komplette Spielzeit drumless und atmosphärisch verhandelt Luciano auf dem Song mit eindringlichem Vortrag seine psychische Gesundheit und wird dabei überraschend ehrlich.
Während "Unlock" sonst auf einer Fassade aus Oberflächlichkeit, Luxus, bedeutungslosen Beziehungen und Drake'schem Gejammer über Erfolg fußt, lässt Luciano auf "Verdrängen" wirklich so etwas wie echte Tiefe zu. Beispiele? "Gefühle erzählen ist schwer, wie sollt' ich es lernen, trag' zu viel Last mit mir, doch handle es selbst" oder "Ich fühl' mich zu Hausе geborgen, doch hab' den Friеden verletzt, vielleicht bin ich noch das Kind, was alleine da sitzt". "Der Fall in meinem Inneren tief, Depression sind deep, die Suche nach echtem Gefühl oder kann ich es nicht?".
Im Vergleich zu den restlichen Texten wirken diese Zeilen fast wie eine Offenbarung, denn unter all den Private Jets und Birkin Bags findet sich scheinbar doch eine belastete Seele mit jeder Menge Selbstzweifel. Vielleicht erleben wir hier den echten "Unlock"-Moment, der sich vorerst aber noch unter vielen generischen Standard-Songs versteckt.
Trotz allem klingt das Album nicht unbedingt schlecht, aber eben nicht besonders und von Luciano schon tausendfach gehört. Würde man "Unlock" auf maximal 10 bis 12 Tracks einstampfen, hätte man zwar noch immer ein langweiliges Album, aber wenigstens ein paar Perlen für die Playlist, die so aber im Einheitsbrei untergehen.


3 Kommentare mit einer Antwort
"Der Fall in meinem Inneren tief, Depression sind deep"
Raffinierter Haus-Mouse-Reim!
Er war nie gut
Signed. Beats für Kids und Prollokarren, ballert halt schon. Aber Inhalt und Vortrag? Eieiei...
Kommt noch ne Rezi zum neuen Funkyboy Phil Album?