laut.de-Kritik
Tagträume eines Achtklässlers.
Review von Yannik GölzStellt euch vor, die beiden größten Rapper ihrer Generation machen ein Kollabo-Tape. So richtig "Watch The Throne"-Shit. Als hätte es 2005 ein Sido-Savas-Tape gegeben. 2012 Cro mit Casper. 2015 Kollegah mit Haftbefehl. Egal, was da qualitativ bei rausgekommen wäre: Es hätte die Szene in den Grundfesten erschüttert. Leute wären ausgerastet.
Anfang 2025 passiert gerade genau das: Apache 207 und Luciano arbeiten zusammen, nicht nur numerisch die größten Rapper unserer Zeit, sondern vermutlich in nüchternen Zahlen größer als alle eben Genannten (zumindest ohne Inflationsausgleich). Warum juckt es also absolut niemanden, dass die beiden auf "Gesegnet" für eine ganze EP zusammenkommen?
Erstens weil "Gesegnet" kein "Watch The Throne" ist. Es ist eine "Split Decision". Das war die kleine EP, auf der die aktuellen UK-Koryphäen Central Cee und Dave für ein paar Tracks Sparring zueinandergekommen sind. Wobei mit "Sprinter" einer der größten britischen Raphits überhaupt herauskam.
Aus "Gesegnet" wird kein "Sprinter" herauskommen. So viel trau ich den deutschen Musikhörenden gerade noch zu. Denn, zweitens: Dieses Machwerk juckt keinen, weil es sich nicht gerade wie eine Ehrenrunde anfühlt. Trotz gerade einmal einer Viertelstunde Spielzeit verkauft dieser koksnasige Akt der Selbstüberschätzung seine Protagonisten vor allem als charmelose, zweidimensionale Pappaufsteller von Stars.
Warum zur Hölle versucht dieses Album, so groß und wichtig zu klingen? Luciano hat auf seinem letzten Album ja schon zu manchem komödiantischem Effekt bewiesen, dass FDP-Phrasen sein Ding sind. Soll er halt machen, ist ja nicht so, als würde nicht ein Drittel der Deutschrap-Bundesliga im Moment eine Karriere mit FDP-Phrasen machen. Aber muss man sich wirklich einen auf das eigene, eingebildete Inspirieren wichsen, während im Hintergrund billige Gospelchöre erschallen, zu cheesy für den Trailer für einen C-List-Actionfilm?
Abgesehen davon stellt Apache das Kernthema dieser Tracks heraus: Auch, wenn sie ganz doll erfolgreich sind, ist das Leben immer noch fake und schwer, aber sie schaffen es, weil sie so blessed sind. "Cold As Ice" und "Bei Nacht", beides Viel-hilft-viel-Banger, bei denen es nicht wundern würde, wenn hier RAF Camora mitproduziert hätte, verbinden möchtegern-cineastischen Maximalismus mit einem Haufen Selbstmitleid. Apache führt die Tangos meistens, weil Luciano gefühlt immer wieder nur für ein paar austauschbare Triplet-Flows vorbeischaut. Die beiden haben so wenig Chemie, diese "Kollabo" hätte gut und gern mit höchstens zehn hin und her geschickten E-Mails realisiert werden können. Dubios, ob die beiden überhaupt je im selben Zimmer waren. Oder im selben Bundesland. So sehr der mehr als alberne Skit für "Tiefgaragen" uns davon überzeugen möchte. ("Wow! Luciano und Apache?! Und was für krasse Autos die alle fahren?!!", Copyright: Die Tagträume eines Achtklässlers).
Aber wenn wir es schon davon haben: "Tiefgaragen" wäre wohl dann der halbwegs passable Hit der EP. Gott sei Dank setzen die üblichen Beat-verdächtigen (Jumpa, Miksu, Macloud) hier nicht mehr auf Atmosphäre und Pömp, sie werfen einfach einen halbwegs tanzbaren Elektro-Beat auf, und über reine Stimmgewalt kommt so immerhin ein einigermaßen akzeptabler Track zustande.
Aber irgendwie verwundert es doch. Immerhin diese EP scheint fest überzeugt, dass Apache und Luciano Megastars sind. Wie kann es also sein, dass sie als Duo so absolut keine Persönlichkeit ausstrahlen? Die eine Line, in der Apache beteuert, er hätte einen Grammy, wäre sein Englisch nicht so schlecht, ist der einzige Farbtupfer in diesem sonst absolut schwarzweißen Stück Langeweile, in dem die beiden Rapper ihre Phrasen droppen wie Uno-Karten, Hauptsache, der Song wird bald fertig.
Aber es ist ja irgendwie by design: Nicht mal die größten Fans dieser Pappenheimer unterliegen der Illusion, dass die irgendetwas von Relevanz zu erzählen haben. Aber dann macht doch einfach ein kleines Tape, auf dem ihr ein paar supercatchy Beats mit eurem Vocal-Talent rasiert. "Sprinter" war auch nicht "No Church In The Wild", sondern einfach eine Spielwiese, auf der Dave und Cee ihr Charisma spielen ließen. Aber je mehr "Gesegnet" sich in diesen unverdienten, hohlen Pathos lehnt, desto schmachvoller macht es klar, dass Apache und Luciano weder klug, noch lustig, noch vielschichtig sind.
Es ist hohles Gerede von zwei Typen, die sehr sicher sind, sehr wichtig zu sein, wenn auch sie selbst nicht wissen, warum. Am Ende klingt dieses Machwerk aber trotz allen Pömps einfach nur nach zwei Brands, die eine Crossover-Zielgruppen-Analyse fürs schnelle Geld angeschmissen haben. Mit anderen Worten: Gehen sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
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