laut.de-Kritik
Geballte Faust, aber keine Gewalt.
Review von Jasmin LützRiot-Grrrl Kathleen Hanna ist zurück. Sie schmettert ihre Parolen lautstark in die Welt hinaus. Das aktive und sympathische Energiebündel gehört wohl zu den coolsten feministischen Punkrockern. Sie setzt sich seit den 90ern intensiv für Frauen in der Musikszene ein. Erst neulich war es wieder Thema in einem dieser Netzwerke: Warum tauchen eigentlich so wenig Frauenbands und Sängerinnen in den eigenen Top-Ten-Listen auf? Das kann sich jetzt ändern.
"Hit Reset" entpuppt sich als abwechslungsreicher Kracher: wild, hysterisch und vor allem politisch korrekt. Nach Bikini Kill und Le Tigre ist Kathleen seit 2009 mit The Julie Ruin unterwegs. Weniger Elektronik, aber dafür ein Rock-Pop-Punk-Gewitter, bei dem sie wie gewohnt ihre Message mit voller Energie in Mikro oder Megaphon brüllt. Geballte Faust, aber keine Gewalt.
"Hit Reset" symbolisiert den "Neustart". Dabei bezieht sie sich nicht nur auf ihre Krankheit, sondern befreit sich auch von anderen Altlasten. Das Punk-Rock-Girl rotzt alles raus. Kathleen leidet schon seit Jahren an Lyme-Borreliose. Die Infektionskrankheit bricht immer wieder aus und stoppt die sonst in ihrem Engagement für Menschenrechte und Gewalt gegen Frauen so aktive Künstlerin.
Immer wieder kam es zu Unterbrechungen der Konzertreisen und bei der Fertigstellung der Songs. Aber immer wieder rafft sich die starke Frau auf und verarbeitet ihre Krankheit, ihre Gedanken und Erlebnisse zu verbalen Sound-Raketen. Dabei ist "Hit Reset" keinesfalls ein steriles Jammertal. Im Gegenteil. Nicht umsonst landet die erste Single "I Decide" gleich auf Henry Rollins' Radiosender KCRW.
Es regnet Hits im Hause Julie Ruin. Liegt wohl auch an der klassischen Instrumentierung: Sara Landeau (Gitarre), Carmine Covelli (Schlagzeug), Kenny Mellman (Keyboard) und Bikini Kill-Bassisten Kathi Wilcox sorgen für den rumpeligen, aber auch melodiösen Sound ("Let Me Go"). "Mr. So And So" bejubelt Sleater Kinney und macht auf den wiederkehrenden Sexismus im Musikgeschäft aufmerksam.
Schrille Pop-Tanz-Nummern, wie "Planet You" erinnern an die großartigen The B-52's. Ein bisschen Le Tigre-Nostalgie taucht dann auch noch auf. "Deceptacon" hieß der Mädchen-Hit 1999, "I'm Done" läuft 2016 in freudiger Rotation. Der emotionale Höhepunkt findet beim finalen "Calverton" statt. Siehe: Kathleen kann nicht nur gut kreischen.
Dinge, die man in diesem Leben noch unbedingt tun muss? Alle Platten von und mit Kathleen Hanna kaufen, The Julie Ruin live sehen, eine eigene Band gründen und Arschlöcher immer mal wieder ordentlich treten. Aber gefühlvoll. Danke!
2 Kommentare
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Geiles Album, geile Band!
PS: Wann kommt eigentlich der Meilenstein für Le Tigre?