laut.de-Kritik

Eines der vielseitigsten US-Indie-Labels stellt sich vor.

Review von

"Middel of dumbf...ing nowhere": Omaha, Nebraska. Was bis vor kurzem noch so Aufsehen erregend klang wie ein Schluck lauwarmes Wasser, hat sich im vergangenen Jahr zum viel versprechenden Nabel eines neuen Indie-Kosmos' gemausert. Genau dort sitzt nämlich das sympathische Label Saddle Creek, das nicht zuletzt dank des durchschlagenden Erfolges des "Lifted"-Albums von Bright Eyes und dem Überraschungs-Coup von The Faint wie die Jungfrau zum Kinde zu unverhoffter Bekanntheit kam.

Ganz und gar nicht zu unrecht, beherbergt das Label neben dem Hoffnungsträger und Frauenschwarm Conor Oberst noch eine ganze Riege von zweifellos talentierten Jungmusikern. Zeit also, der Welt zu zeigen was das Repertoire von Saddle Creek noch zu bieten hat bzw. was man in Omaha unter guter Musik versteht.

Und das ist allerhand. Aus gut zwei Dutzend Musikern setzen sich elf Bands zusammen, rund die Hälfte der jungen Männer und Frauen sind in zwei oder sogar drei Saddle Creek-Bands involviert. Was die letztjährige "Bright Eyes"-Tournee schon recht eindrücklich demonstrierte: Da bestand die 12-köpfige Besetzung der Band nämlich zu 90% aus den Vorbands Azure Ray und The Good Life und sorgte reihenweise für glasige Augen und ein Konzerterlebnis der unvergesslichen Sorte.

Die Doppel-CD beinhaltet jeweils zwei Tracks pro Band: Ein bereits veröffentlichtes und ein neues, exklusives Stück. Außerdem gibt es auf der ersten CD ein kleines Special Feature mit Privatvideos der Bands, auf denen Auftritte, ein Grillfest oder die Einrichtung des neuen Saddle Creek-Büros zu sehen ist. Sehr persönlich wirkt das alles, sehr familiär und authentisch, obwohl man mit dem Wort ja vorsichtig umgehen sollte.

Mit The Faint wird eines der zugkräftigsten Pferde im Stall vornan ins Rennen geschickt. Die Label-Boyband macht mit ihrem für Saddle Creek eher untypisch synthielastigen Sound den Anfang und mit "Take Me To The Hospital" den Mund ordentlich wässrig. Rilo Kiley erinnern mit "Jenny, You're Barely Alive" stark an die frühen Cardigans, während The Good Life von The Cure beeinflusst klingen, die ja beide als begrüßenswerte Inspirationsquellen gewertet werden dürfen. Selbst Tim Kashers Cursive, die sich mit ihrem neuen Album "The Ugly Organ" leider ein bisschen zu gewollt im Ton vergriffen haben, tragen zumindest mit dem schleppenden "The Martyr" eine gelungene kleine Rockballade zum Gesamtkunstwerk bei.

Während CD 1 die in Europa noch weitgehend unbekannten, hierzulande zum Teil noch nicht mal vertriebenen Bandprojekte featured, fährt CD 2 mit einschlägigen Namen auf. Wie Conor Obersts Zweitband Desparecidos. Die hat mit "Read Music, Speak Spanish" einen großen Wurf gelandet und an saftigen Gitarrenriffs nicht gespart. Der neue Song "Popn'Off At The F" steht den Albumtracks in nichts nach - Conor Obersts enthusiastischer, gepresster Gesang ist so präsent, daß man den Druck förmlich spürt.

Orenda Fink und Maria Taylor von Azure Ray stellen sich mit "November" von ihrer gleichnamigen und absolut zauberhaften EP vor. Sie tun gut daran. Die zwei zierlichen Mädchen haben einen wunderbaren, anrührenden Song geschrieben, der kein Auge trocken lässt. Gaanz groß. Groß schließt auch Label-Aushängeschild Bright Eyes die 22 Stück starke Song-Sammlung ab. Wieder und wieder: Conor Oberst, Protagonist im Saddle Creek-Zirkus, vereinnahmt mit seiner rotzigen und trotzigen Art zu singen der unverkennbaren Färbung seiner Stimme und seinen Songs die zwischen Wut, Depression und Weltschmerz.

Mit diesem Rundumschlag behauptet sich Saddle Creek als eines der frischesten und vielseitigsten Labels im Indie/Folk- und Singer/Songwriter-Bereich. Wer bereits Fan ist, kann sich an den bisher unveröffentlichten Stücken erfreuen oder noch unbekanntes Lieblingsband-Potential entdecken (Rilo Kiley, Now It's Overhead). Allen anderen ist hiermit der Grundstein für eine lange, liebevolle Beziehung zu Saddle Creek gelegt. Versprochen.

Trackliste

  1. 1. The Faint -Worked Up So Sexual
  2. 2. The Faint - Take Me To The Hospital
  3. 3. Now It's Overhead - Wonderful Scar
  4. 4. Now It's Overhead - Dark Cycle
  5. 5. Rilo Kiley - With Arms Outstretched
  6. 6. Rilo Kiley - Jenny, You're Barely Alive
  7. 7. Cursive - The Martyr
  8. 8. Cursive - Nonsense
  9. 9. Son, Ambulance - A Book Laid On Its Binding
  10. 10. Son, Ambulance - The Moral of Rosa, Parolee
  1. 1. Desparecidos - Man and Wife, The Latter (Damaged Goods)
  2. 2. Desparecidos- Popn - Off At the F
  3. 3. The Good Life - I Am An Island
  4. 4. The Good Life - Aftercrash
  5. 5. Azure Ray - November
  6. 6. Azure Ray - Beautiful Things Can Come From The Dark
  7. 7. Sorry About Dresden - Sick And Soar
  8. 8. Sorry About Dresden - People Have Parties
  9. 9. Mayday - Captain
  10. 10. Mayday - Pond Love
  11. 11. Bright Eyes- Something Vague
  12. 12. Bright Eyes - One Foot In Front Of The Other

Videos

Video Video wird geladen ...

Noch keine Kommentare