laut.de-Kritik
Zwischen Wärme und Kühle, Deepness und Wucht.
Review von Toni HennigVril, der mit bürgerlichem Name Ulli Hammann heißt, tat sich zuletzt mit Mike Bierbach alias Rødhåd für die "Out Of Place Artefacts"-Albumreihe zusammen. Dazwischen gab es noch die Single "Alte Seele" sowie ein gemeinsames Kurzformat mit Efdemin. Nun bündelt der Hannoveraner auf "Animist" zwölf Tracks, die laut Pressetext "den unbekannten Raum zwischen dem greifbaren Bewusstsein und der Astralebene zu erforschen scheinen und selbst die scheinbar synthetischsten Materialien mit einer lebhaften Essenz versehen". Dabei beweist er, dass ihm das Dub-Techno-Korsett mittlerweile zu eng geworden ist.
Der anfängliche Titeltrack baut mit deepen Texturen, auf- und abebbenden Sounds und einer kreisenden Melodie eine technoide Spannung auf, die sich jedoch nicht entlädt. In "Love Rollout" schlägt Vril, der die Scheibe auch gemastert hat, dagegen mit verrauschten Klängen, straighter, dumpfer 4/4 und vernebelten Flächen erdigere und puristischere Töne an, lässt es ab der Mitte aber auch ungewohnt groovig angehen, während "Zukunftsstraße" ein wenig komplexer ausfällt und die Spannung weiter Aufrecht hält.
"Katharsis" entwickelt sich nach einem abrupten Break zu einer lebhaften Dancefloor-Nummer, die tatsächlich so etwas wie eine reinigende Wirkung besitzt. Kühler fällt dagegen "Terraformink" aus, das von minimalistischen Strukturen und mysteriösen, alienhaften Sounds lebt. "Boom To The Moon" kommt in einem höheren Tempo daher, hat jedoch noch einen eher unterschwelligen Groove, während in "Unwelt" und "Kuru" der Groove endgültig die Oberhand gewinnt.
An die Industrial Techno-Klänge seines Zweitwerkes "Portal" knüpft der Hannoveraner in "Anomal Beta" an, das mit harter 4/4, peischender Snare und maschineller, muskulöser Elektronik Richtung Berghain schielt. In "Errorist" schlägt dagegen die Komplexitätskeule gnadenlos zu. Bei den Sounds denkt man schon fast an Autechre. Zupackender gerät wieder "Mortem Cellula" mit dröhnendem, dunklem Bass, markanter Clap und vor sich hinfiependen Tönen. Den Abschluss bildet mit "Sohn" ein Stück, das mit knackenden Sounds im Background und warmen, ambienten Melodien zu majestätischer Größe heranwächst.
Jedenfalls legt Vril mit "Animist" ein Album vor, das Wärme und Kühle, Deepness und Wucht erfolgreich unter einem Hut bringt und auf dem er seine einzigartige Handschrift perfektioniert und zugleich erweitert. Nur stehen die Tracks eher separat für sich alleine, anstatt wie auf dem meisterlichen "Anima Mundi" vor rund sechs Jahren, das mehr wie ein einziges, langes Stück klang, zu einer geschlossenen klanglichen Einheit zu verschmelzen.
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