laut.de-Kritik
Der Balthazar-Sänger auf dem Weg in den Regen.
Review von Stefan MertlikMit entschlossenem Blick tritt Maarten Devoldere in die Pedale seines Hollandrades. Die Wolken über ihm wirken bedrohlich, Gesichtsausdruck und Körperhaltung sagen: Ich muss hier weg. Doch die Fahrtrichtung des dandyhaften Mannes scheint unklar. Radelt er davon oder auf den Wolkenbruch zu?
Devoldere veröffentlicht mit "Karaoke Moon" sein viertes Soloalbum unter dem Banner Warhaus. Die zehn Stücke darauf verraten, wohin die Radtour geht, die auf dem Cover abgebildet ist: hinein in den Regen. Entsprechend moll-orientiert klingt die Musik des 36-Jährigen, der im Hauptjob als Sänger der belgischen Indie-Rock-Band Balthazar arbeitet.
Der Opener "Where The Names Are Real" hätte mit seiner dezent gezupften Akustikgitarre, der Glockenspielmelodie und dem Hintergrundgesang bestehend aus gesungenen Vokalen gut zum "Garden State"-Soundtrack gepasst. Und auch der Text zieht hinein, in der ersten Strophe heißt es: "I can still remember the number they pinned to my shirt / It was a talent show for kids and I was an introvert."
Der Belgier erzählt Geschichten, in denen die Protagonisten nur selten dort sind, wo sie gerne wären. Doch immer wieder gibt es Hoffnungsschimmer. Im Szenario mit der Talentshow ist es Love Interest Emily. Sie taucht im finalen Stück der Platte erneut auf. "Cause Emily you wanted me to take turns / I just wanted us to head on straight." Alles hängt irgendwie miteinander zusammen.
Im Mittelpunkt der Musik steht Devolderes Stimme: brummig, betont, ja fast schon blasiert. In Liedern wie "The Winning Numbers" treibt er es auf die Spitze. Begleitet von einem traurig klingenden Piano spricht er mehr als er singt. Und wieder sind es Zeilen, die bei all den ernsten Tönen auch witzig sein möchten: "They'll tempt you into removing your embarrassing browsing history when it's full of Freudian wisdom."
Auf "Karaoke Moon" müssen sich die Hörenden einlassen, sonst wird es öde. Die Refrains entfalten sich nur langsam. Das Soundbild wirkt mit Klavier, Streicher und leichtem Gitarreneinsatz wie aus einem Guss - manche würden monoton behaupten. Zudem hat Devoldere im Vergleich zu den drei Vorgängern kaum neue Ideen.
Es lohnt sich trotzdem, mit "Karaoke Moon" in die Welt von Warhaus einzutauchen. Hinter der dunkelgrauen Wolkendecke verbirgt sich ein smartes Album, das genau weiß, was es möchte - und Devoldere hat es patent umgesetzt.
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