laut.de-Kritik
Schmachten sich durch jeden Winkel der Herzkammer.
Review von Klaus TeichmannDas Katastrophale an Katastrophen ist, dass sie einfach passieren. Man weiß es vorher nie. Bryan McFadden zum Beispiel. Da ist der Westlife-Sänger Bryan auf dem Fluhafen von Seoul. Und zack, wird ihm mitten in Korea seine Reisetasche gestohlen – sämtliche Texte und Demoaufnahmen für die nächste Platte sind weg. Und so kann man von Glück sagen, dass es im Mai mit "Coast To Coast" eine neue Westlife-Scheibe unbeschadet auf den Markt geschafft hat.
Ganz so neu ist die allerdings auch wieder nicht, denn "Coast To Coast" kam bereits vor einiger Zeit heraus – die Neuauflage ist nur eine um drei Stücke erweiterte Platte. Wegen der Asienkrise, und dieser Begriff ist in Anbetracht der Vorfälle in Seoul keineswegs zu hoch gegriffen, freuen wir uns jedoch auch darüber. Neu sind der Billy Joel Hit "Uptown Girl", "I Have A Dream" und "My Girl". Westlife schmachten sich auf den 19 Stücken durch jeden Winkel der Herzkammer – bildlich gesprochen natürlich. Die akustische Gitarre wird auf so rührige Weise angeschlagen und das Klavier wird zu solch emotionsgeladenen Tönen gezwungen, dass beide Instrumente wahrscheinlich schon beim Spielen zerschmolzen sind.
Neben den ganzen tragischen Herzensangelegenheiten, die die fünf Iren mit einem unglaublichen Pathos zelebrieren, gibt es noch jenes besagte "Uptown Girl" und "When You're Looking Like That". Das Billy Joel-Stück ist auf der musikalischen Ebene wenigstens ein gutes Popstück und auf "When You're Looking Like That" wird tatsächlich ausnahmsweise gerockt. Gitarren kreischen immer wieder durch die groovende Synthiepop-Landschaft.
"Against All Odds", das mit Mariah Carey im Duett eingesungen wurde, ist ein Song, der berührt, gut funktioniert, aber nie peinlich wird. Der Rest leider ziemlich oft. "I Have A Dream" lässt das Wort Leidenschaft oder emotionale Tiefe einfach nicht mehr zu – ein Kinderchor drückt so penetrant auf die Tränendrüse, dass man beginnt, Menschen zu verstehen, die Kinder gar nicht so mögen. Die Lyrics bewegen sich allzu oft auf der Ebene wie in "My Love": "To Hold You In My Arms, To Promise You My Love". Dem Dieb, der die Texte der nächsten Platten in seinen Armen hält, werden diese vom Gewicht der Gefühle bald abfallen – dass kann an dieser Stelle bei aller Liebe versprochen werden.
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