laut.de-Kritik
Die Königin auf jedem Tauschkonzert.
Review von Yannik GölzKlingt es gemein, wenn man sagt, dass die Erwartungen an ein Yvonne Catterfeld-Album nicht gerade himmelhoch waren? Die Frau, der in den Nullerjahren ihren Durchbruch als GZSZ-Schauspielerin gelang, nahm immerhin von Tag eins an, auch erfolgreich Musik auf. Ein bisschen schnulzig, ein bisschen vorhersehbar, aber sie gehörte auch nie zu den schlimmen Protagonist*innen der Deutschpop-Branche.
Aber genau, wie sie in der Schauspielerei nun in der Krimiserie "Wolfsland" eine komplexere Figur verkörpert, hat sie auch die Musik zunehmend zum reinen Leidenschafts-Projekt gewandelt. "Change" erscheint nun erstmals in englischer Sprache, erneut auf dem eigenen Label – und auch, wenn ihr das Phrasenhafte immer noch anheftet, zeigt sich Catterfeld heute als Musikerin, die sich beweisen will.
Beweisen vor allem, dass sie stimmlich definitiv was auf dem Kasten hat. Wollte der Vorgänger "Guten Morgen Freiheit" noch zu gewollt trendy klingen, lässt sie hier nun ihre wahren Einflüsse durchschimmern. Yvonne spricht dabei von Alicia Keys und Lauryn Hill, und man versteht, was sie meint: Diese akrobatischen R'n'B-Runs in der Stimme, sie strahlt Emotion aus, sie holt sich gar einen Gospel-Chor in den Hintergrund und klingt davor nicht deplatziert.
So entstehen eine ganze Reihe Nummern, die solide funktionieren: Schon der Einstieg "Change" zeigt einen Hunger, wenn sie mit ambitionierten Harmonien und einem groß angelegten Auftakt beeindruckt. Es gehe ihr um Veränderung, wenn auch eher im abstrakten Sinne. Veränderung, vor der man sich fürchtet, Veränderung, von der man profitiert, mitgeprägt von diesem einen Virus im Hintergrund. Ein Corona-Album sollte man "Change" aber trotzdem nicht nennen. Dafür fehlt vielen Songs eine Spur persönliches Detail, um richtig großartig zu sein.
Oft haftet dem Projekt eine Aura des Persönlichen an, erfüllt dann diese Hoffnung aber nicht. Sie singt persönliche Songs mit professioneller Etikette, als würde sie am Mic die Work-Life-Balance doch nicht ganz in die Schieflage schreiben wollen. Dass die Platte dazu gerade neben einem Soul-Monster wie dem neuen Adele-Tape erscheint, hilft natürlich nicht. Diese zeigt in aller Virtuosität, wie man das Format der großen Ballade federleicht mit wirklich persönlichen Details und wirklich ausstrahlungsstarken Beobachtungen auflädt. Und wie man Spaß mit der Formel haben kann.
Catterfeld hat eine starke Stimme und den Willen, dies zu zeigen. Aber in den Schlüsselmomenten, in denen sie Talent und Tradition mit Persönlichkeit unterfüttern könnte, versteckt sie sich hinter Phrasen. Von "perfect imperfections" hören wir nicht ein Mal, sondern zwei Mal, "I said that we needed to change / but everything comes to an end" singt sie auf "Back In July".
Dass man denkt, da wäre mehr gegangen, und das Zurückschrecken vor dieser letzte Konsequenz bitter ist, spürt man vor allem deswegen, weil die Platte abseits davon teils wirklich richtig gut klingt, nicht nur so Deutschpop-Trostpreis-gut, sondern genuin gut. Catterfeld muss sich im internationalen Vergleich nicht verstecken. Und am besten ist sie immer dann, wenn sie ein bisschen locker lässt: "Bullshit" und "Tip Toe" texten am Leichtesten vor sich hin, bauen dafür aber die eingängigsten Grooves auf. Die Produktion strahlt untypisch viel Charakter aus, geschmackvoll werden Percussion-Elemente und Vocal-Schnipsel durch die Gegend geschoben, das klingt energetisch, das klingt tagesaktuell, das klingt catchy. Catterfeld etabliert sich als starke Performerin, und die Hörerschaft hat immer dann Spaß, wenn sie den auch hat.
Die Entscheidung, auf Englisch umzusatteln begründet Catterfeld damit, dass ihr das Deutsche stets so verkopft und rational vorkomme. Und da ist was Wahres dran. In den besten Momenten von "Change" schüttelt sie den Deutschpop regelrecht ab, wird ihren benannten Inspirationen gerechter und macht ein paar der besten Songs ihrer Karriere. Aber du kriegst den Deutschen aus dem Deutsch, aber das Deutsch nicht aus dem Deutschen – after all – und so bleiben doch ein paar der klassischen Schwächen an "Change" haften.
Gerade, die großen Töne kommen eben doch kaum aus dem Phrasen-Saft. Ironischerweise verwässert sich die Platte immer mehr zu nettem Radio-Gedudel, je mehr es sich den abstrakten, großen Themen annähert. Singt sie unverkopft, gerät es dagegen immer mehr zu einem Befreiungsschlag. Bleibt Catterfeld in dieser Zone, wird sie zweifelsohne in den nächsten Jahren zur Queen auf jedem Tauschkonzert.
3 Kommentare
That wee chaaaange, and wee groooow, and no matter how we try sometimes weee faaaaaalll... wer war das noch gleich, Monrose? No Angels?
O_________O
Das ist zwar überhaupt nicht meine Musike, aber stimmlich ist das schon sehr gut gemacht, so fair muss man sein. Ihre Stimmfarbe erinnert mich stellenweise an Nelly Furtado, was mir bei ihren deutschen Platten nie in den Sinn gekommen wäre. Von dem her: Richtige Entscheidung, auf Englisch zu singen.