laut.de-Kritik

Die Dosis macht das Gift.

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Der Erfolg Auto-Tunes verläuft in Zyklen. 20 Jahre nach Cher und zehn Jahre nach dem globalen Siegeszug T-Pains ist die Tonhöhenkorrektur wieder allgegenwärtig. Dank RIN, LGoony, Ufo361 und der KMN-Gang um Miami Yacine sowie Zuna schwimmt Auto-Tune auch hierzulande auf der Erfolgswelle. Immer im Schlepptau: massive Kritik an den klanglichen Artefakten.

RIN nimmt den Effekt gegen pauschale Ablehnung in Schutz: "Diese ganzen Idioten, die Auto-Tune schlecht reden, sollen mir mal eine Hook ihrer Lieblingskünstler zeigen, wo es nicht verwendet wurde ... Dieser roboterähnliche Effekt, für manche der T-Pain-Effekt, entsteht nur, wenn man den Regler zu hoch setzt. Wenn man ihn aber nur ein wenig aufdreht, hört es kein Schwein raus, gleichzeitig werden aber die Töne begradigt. Ich kann dir versprechen, dass es keine Hook im Hip-Hop gibt, die ohne Auto-Tune ausgekommen ist."

Die Dosis macht also das Gift. Doch wo steht Zuna auf einer Skala zwischen den melancholischen Manifesten eines RIN und den Innenohr zersetzenden, toxischen Cocktails eines Hustensaft Jünglings? "Lhamdela" liefert die Antwort: Die Regler werden unnachgiebig aufgedreht. Zuna unterscheidet dabei selten zwischen Strophen und Refrains. Statt den Effekt gezielt einzusetzen, um zu variieren, treibt er die Auto-Tune-Abnutzung noch weiter voran, als Ufo361 mit "Ich bin 2 Berliner".

Auf Zunas Debütalbum "Planet Zuna" sorgten neben Trap-Songs noch G-Funk-Einflüsse und samplebasierte Stücke für Abwechslung. Dagegen betreibt der Dresdner auf "Mele7" weitestgehend Monokultur. Mit "Cazal" hat er einen Song sogar zweifach platziert. Dass er für den "Cazal (Remix)" nur den Beat ausgetauscht und Miami Yacine durch Bausa ersetzt, fällt im synthetischen Einheitsbrei zunächst gar nicht auf. "Nummer 1" und "Wieso?" überzeugen zumindest mit Dancehall-Rhythmen, für die größtenteils das Stuttgarter Produzententeam Jugglerz verantwortlich zeichnet, das insgesamt vier Beats zur Platte beisteuert. "Bitches tanzen zu Reggaeton", während Zuna für sommerliche Vibes ("Dale") sorgt.

Inhaltlich fällt das Urteil noch düsterer aus. Zuna dünnt die ohnehin überschaubare Themendichte des deutschen Straßen-Raps weiter aus. Es gilt Kokain auf Kilobasis zu verticken, um sich mit den erzielten Erlösen Statussymbole zu erwerben. Parallel dazu wird scharf geschossen. Das alles ist so taufrisch wie ägyptische Mumien.

Zunas Texte bleiben weitestgehend assoziativ. Insbesondere in der Lyrik ist dieser Ansatz nicht erst seit Everybody's Darling Haftbefehl grundsätzlich legitim. Wenn es der Dresdner allerdings mit vollständigen Sätzen probiert, wird es schnell haarsträubend: "Dein ganzes Label auf Straße ist falsch, weil du musst antanzen und zuhören, was Rücken dir sagt. Locker easy, seh' die Lutscher sich verbiegen. KMN-Gang bis Tod, guck' dafür gerade im Spiegel".

In "Czech Republic" skizziert Zuna Kokain als global verbindendes Element, unabhängig von jeglicher Ideologie: "Soldaten aus Tel Aviv, Guardia Civil in Brazil, im Osten Neonazis – aber glaub' mir, Bruder, alle sie zieh'n. Den besten Kurs macht Czech Republic". Möglicherweise liegt eine Verwechslung vor, aber es scheint unwahrscheinlich, dass Tschechien für ein südamerikanisches Produkt den besten Preis bietet. Nicht, dass sich die Fans bei einem Kurztripp nach Prag noch vollsynthetisches Amphetamin als Kokain aufschwatzen lassen.

Wenn Zuna schließlich die ganze Stadt mit Drogen überschwemmt hat, stellt er in "Ghetto" angewidert fest: "Diese Gegend von Junkies verseucht. Ich wollte schon immer raus da". Einen Zusammenhang sieht er scheinbar nicht. Ist wohl eher zweitrangig, solange das autogetunete Motto gilt: "Zieh'n ist vorbei, aber verkaufen okaahaay – verkaufen OK!". Zunas Motivation ist ohnehin profaner: "Stadt weiß, dass ich ticke groß für den AMG".

Doch all die Kritik wird ihn nicht berühren. Schließlich beeinflusste auch die vorübergehende Beschlagnahmung von "Mele7" bei einer Durchsuchung nicht den Erfolg der Dresdner. Dieser ist der KMN-Gang spätestens seit "Kokaina" nicht mehr zu nehmen. Beeindruckend gelingt es ihr, millionenfache Youtube-Klicks in Chartplatzierungen zu übersetzen. Ein Drittel der Songs von "Mele7" war bereits vor Album-Veröffentlichung in den Single-Charts präsent. Scheinbar trifft Auto-Tune weiterhin den Nerv der Hörerschaft.

Trackliste

  1. 1. Lhamdela
  2. 2. Cazal (mit Miami Yacine)
  3. 3. Czech Republic (mit Azet)
  4. 4. Viertel
  5. 5. Mele7
  6. 6. Cazal (Remix) (mit Bausa)
  7. 7. Guck Mama
  8. 8. Wieso?
  9. 9. Dale
  10. 10. Ghetto
  11. 11. Baby
  12. 12. KMN
  13. 13. Volles Magazin
  14. 14. Nummer 1 (mit Azet und Noizy)
  15. 15. Original (mit Nash)

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