laut.de-Kritik
Mit so einem mitreißenden Comeback war nicht zu rechnen.
Review von Eberhard Dobler2020 - und was machen AC/DC? Die alten Männer (Obacht, Corona-Risikogruppe!) steigen in das 16. Studioalbum ein, als wäre nichts gewesen. Die zweite Single "Realize" räumt gleich mal den Weg für die eventuell beste Scheibe seit "Stiff Upper Lip" (2000) frei. Wer dachte, die Tage AC/DCs sind nach all den Schicksalsschlägen endgültig gezählt, merkt ziemlich schnell: Damn, waren die im Studio motiviert. Und gute Laune hatten sie obendrauf.
Angus und Stevie Young drehen die Gitarren maximal auf und machen Druck. Drummer Phil Rudd und Bassist Cliff Williams kommen verdammt wuchtig aus den Boxen. Und vor dieser rau verputzten Verstärkerwand verteilt Reibeisen Brian Johnson, vor kurzem 73 Jahre alt geworden, Hooks, die noch immer jedes Stadion abreißen. "Rejection" setzt quasi einen drauf. Kaum zu glauben, dass dieser coole Singalong bisher unter Verschluss geblieben ist: Bandboss Angus zufolge haben sich die "Power Up"-Songfragmente seit spätestens "Black Ice" (2008) angesammelt, das ein oder andere Riff datiere gar in die 90er zurück.
Nach drei Songs - die erste Single "Shot In The Dark" ist ein typisch bluesiger Move mit lässigen Bandchants - ist die Sache jedenfalls gegessen. Es käme einem Wunder gleich, sollten es AC/DC jetzt noch versemmeln. Tun sie natürlich nicht. "Through The Mists Of Time" könnte vielmehr im US-Mainstreamrock-Radio laufen: Mehr Power als Ballade und mit melancholischem 80s-Feel ausgestattet, dürften nicht wenige den Song als Plattenfavoriten ausmachen. Einen solchen Refrain hat man bei AC/DC noch nicht gehört, das direkte Gegenteil von diabolischen 70er-Nummern wie "Go Down".
Überhaupt zeichnet viele Tracks jene Melodieseligkeit aus, die man seit Hits wie "You Shook Me All Night Long" kennt, etwa "Witch's Spell". Beim breitbeinigen "Wild Reputation" shouten AC/DC tatsächlich ein "Oh Oh Yeah" ins Mikro, nicht die einzige Rock'n'Roll-Lautmalerei. Beim erwähnten "Rejection" beispielsweise holt man sich im Hintergrund ein zünftiges "Uhh Uhh" ab.
"Demon Fire", der schnellste Track der Platte, knallt wiederum dreckig los: Die frühen und späten AC/DC treffen hier am deutlichsten aufeinander. "Systems Down" springt über eine irritierend happy klingende Bridge in heavy groovende Refrain-Chords hinein. "Money Shot" klingt erst nach Albumfiller, pumpt sich aber in einen starken Refrain hinein, lässt ein ausführlicheres Angus-Solo folgen und überfährt nach hinten raus mit cool gesungenem Finale.
"Money Shot" steht stellvertretend für die Platte: Jeder weiß zwar, wie AC/DC klingen, dennoch beeindruckt, welchen Ehrgeiz, welche Wucht und ja, Optimismus, das Quintett an den Tag legt. Der Plattentitel hält jedenfalls, was er verspricht, was auch daran liegen könnte, dass die Instrumentals etwas lauter abgemischt sind als die Vocals. Dass "Code Red" den schwächsten Refrain der Platte auffährt (dafür ein schickes Solo und toughe Chords im Mittelteil), und sich "No Man's Land" etwas zu zäh dahinzieht, spielt kaum eine Rolle.
Die Lyrics bleiben gewohnt interpretationsoffen ("Systems Down"), mal höllisch ("Demon Fire") bis eindeutig zweideutig ("Money Shot"): So ließe sich etwa in "Shot In The Dark" viel Böses hinein interpretieren. Fragt man Angus, ist mit "Shot" aber nur ein Kurzer gemeint. Dagegen bleibt der Text von "Through The Mists Of Time" im Bandkontext geradezu gedankenversunken und mystisch angelegt.
Der verstorbene Bandmitbegründer Malcolm Young ist übrigens bei jedem Track als Co-Autor gelistet, original zu hören ist er aber nicht. Er, so Angus, habe das Gefühl gehabt, sein Bruder hätte es nicht gewollt, wenn er versucht hätte, dessen Recordings zusammenzubasteln bzw. in die Platte hinein zu montieren.
Ob "Power Up" nun die beste AC/DC-Platte seit "Stiff Upper Lip" ist oder nicht: Mit diesem mitreißenden Comeback war nicht zu rechnen. Und sollte es das letzte Studioalbum gewesen sein - Material für mindestens ein weiteres liege in der Schublade, so Johnson - kann von einem möglicherweise verpassten Abgang keine Rede mehr sein. Produzent Producer Brendan O'Brien und Toningenieur Mike Fraser dürfen sich die Schultern klopfen.
26 Kommentare mit 56 Antworten
Die Greise wollen's nochmal wissen! Fans, packt Konzertwindeln und Sauerstoffflaschen ein. Es ist Zeit, sich wieder jung zu fühlen! Wie damals, als das Rundstück warm nur 10 Reichspfennig kostete! Oder eure Kinder noch angerufen haben.
XD
Hallo Schwinger, das mit den Konzertwindeln und so geht im Moment ja leider nicht. Wegen diesem Virus; hast vielleicht schon mal davon gehört. Ansonsten ein super-Brüller-Kommentar von Dir. Sooooo witzig. Klasse! Großes Kino.
"Wegen diesem Virus; hast vielleicht schon mal davon gehört."
Aber sicher. Bis die Zielgruppe Erforderliches eingepackt hat und mit 30 km/h zum Konzert gefahren ist, ist die Pandemie lange vorbei.
Ist womöglich AC/DC das eigentliche Virus?
Gute Beiträge, krasse Konter.
Totaler Dummscheiß vom Schwinger - eigentlich wie immer.
Keine Sorge. Sofern du den Altersdurchschnitt der Zielgruppe teilst, wirst du meine Infamie schnell vergessen haben.
Infamer...a licky boom boom down
unser kahn-para rotiert und jubiliert vor freude!
Was für ein Comeback? Waren AC/DC jemals weg in den letzten 1000 Jahren?
Live nicht wirklich, Studioalben sind allerdings rar gesät. Auch wenns eh immer der gleiche Müll ist.
Was mich an diesem Album fasziniert ist die Sturheit, mit der AC/DC dem Rock'n'Roll trotz fortgeschrittenem Verwesungsstadium alle paar Jahre einen Stoß mit dem Defibrillator verpassen, als würde das sein Herz wieder zum Schlagen bringen.
Ja, absolut faszinierend und auch überraschend.
Diese Band hatt Groove,Soul und Funk von Anfang an. Wohl dem der dies "Fühlen"kann,einigen anderen bleibt dann nur Häme und Spott und die langweilige sich immer wiederholende Kritik;) Peace!
Soul und Funk, aber sicher.
jo, mitreißend und so.... ist halt was zusammengestellt worden, was so sich in der Schublade vom Hauptriffbeauftragten noch befunden hat.
Kann man nochmal ein paar Rechnungen mit bezahlen..