laut.de-Kritik

48 Minuten von der Stange.

Review von

Die glorreichen Zeiten des Metalcore – falls es sie jemals gab – sind eigentlich vorbei. Mangels aktueller Gegenbeweise braucht man dafür eigentlich keine Bestätigung mehr. All That Remains liefern sie trotzdem.

Gibts tatsächlich noch irgendjemanden auf der Welt, der in diesen 48 Minuten Stangenware auch nur einen Funken Originalität entdeckt? Phil Labonte kündigte stolz an, er habe in "No Knock" gleich zwei Mal die "F-Bomb" fallen gelassen – obwohl er eigentlich kein Fan davon sei. Aber es hätte so gut gepasst. Sorry Phil, Textzeilen wie "I'm fucking Superman" passen eigentlich nie und originell sind sie ganz bestimmt gar nicht. Ob nun mit oder ohne F-Wort.

Rein technisch kann man den Amerikanern kaum einen Vorwurf machen. Der Sound geht in Ordnung, ist vielleicht etwas leblos, aber doch ordentlich. An den Vocals gibts ebenfalls nichts zu meckern, auch wenn sie teilweise etwas nach Autotune müffeln. Wenn nur die Songs nicht alle so austauschbar wären. Tut mir leid, dass ich Klischeesätze auspacke. Allerdings braucht es die, um das wandelnde Klischee "The Order Of Things" zu beschreiben.

Angepasst trifft es wohl ganz gut. Klebrige Popchose macht den Großteil des Albums aus. Dazwischen ein bisschen Gegröle und Doublebass, damit die Kids was zu Moshen haben. Wobei diese Aufgabe hauptsächlich dem bereits erwähnten "No Knock" zufällt. Wozu einen Song schreiben, wenn man einen Breakdown auch auf drei Minuten ziehen kann?

Nachdem die Roundhouse-Fetischisten ihren Spaß hatten, gehts zurück zu Boygroupgeschlabber in "Divide". Immerhin bringt Bassistin Jeanne Sagan mit ihrem zuckersüßen Backgroundgesang ein wenig frischen Wind in die Sache.

Bei "For You" heißt es dann: Smartphones raus und den einfühlsamen Jüngling auf der Bühne anhimmeln, der da so toll den Winke-Winke-Pulk initiiert. Da schmelzen die Herzen. Hui, und dieses Solo macht an Notenreichtum gar Coldplay oder Kurt Cobain Konkurrenz. Wenn es doch nur halb so cool wäre.

Halt! All That Remains sind doch nicht etwa Softies? Nein, nein, bestimmt nicht. Sie tun schließlich alles, um dem Möchtegern-Image entgegenzuwirken und hauen einen ultrabösen Track namens "Tru-Kvlt-Metal" raus. No comment necessary würd' ich mal sagen. Klar, "Tru-Kvlt-Metal" zieht das Tempo an, die Kickdrum läuft auf Hochtouren, Geschrei gibts auch, und Hammer-On-Riffs dürfen ebenso wie einfallsloses Sweeping und Pinch Harmonics nicht fehlen. Hab' ich noch was vergessen? Ah ja: den Breakddown. Drrrrrrrrrd drrrrd drrrrd.

Oh, die Schlussnummer hat sage und schreibe sieben Minuten auf der Uhr. Wirds jetzt etwa progressiv? Nö, keine Sorge. Am Schluss beendet nur das Klavier, was es eine Dreiviertelstunde vorher bei "This Probably Won't End Well" vorausschauend begonnen hat. Passt super zum Rest: Dem 0815-Popcore, der glücklicherweise nur selten wirklich peinlich wird, dafür vorhersehbar und über weite Strecken nahezu völlig identitätslos vorbeirauscht.

Schade, denn Potenzial lassen die Herren vereinzelt dann doch durchblicken. Im traurigen Abgang etwa. Naja, vielleicht beim nächsten Mal. Dafür braucht es dann allerdings einen deutlichen Kurswechsel.

Trackliste

  1. 1. This Probably Won't End Well
  2. 2. No Knock
  3. 3. Divide
  4. 4. The Greatest Generation
  5. 5. For You
  6. 6. A Reason For Me To Fight
  7. 7. Victory Lap
  8. 8. Pernicious
  9. 9. Bite My Tongue
  10. 10. Fiat Empire
  11. 11. Tru-Kvlt-Metal
  12. 12. Criticism And Self-Realization

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