laut.de-Kritik

Akkordgeschrammel fast ohne elektronische Spielereien.

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Was waren das noch für Zeiten, als Anajo zu Beginn des neuen Jahrtausends an sonnigen Nachmittagen kleine bayerische Festivals mit "Monika Tanzband" und der "Ein Fall für Zwei"-Einspielmelodie in "Ich Hol Dich Hier Raus" unsicher machten. Als niedliche Kopie der Sportfreunde Stiller – so das anfängliche Stigma - hat es das Trio aus Augsburg weit gebracht: Chartplatzierung, Bundesvision Song Contest, Orchester-Album, "Mädchenmusik".

Natürlich haben sich Anajo über die Jahre durch ihren Stil und ihre Attitude längst von jeglichen Schmähungen emanzipiert. Sie gleiten an der Band seit jeher ab. Klar, besonders originell ist ihr recht schlanker Indie-Pop bzw. Bubblegum-Rock nie gewesen, dafür trafen ihre Songs aber bei erstaunlich vielen Menschen zwischen 14 und 40 Jahren mitten ins Herz. Ihr drittes Album "Drei" beschreitet kein Neuland.

So bündelt bereits der Opener "Decke Auf Den Kopf", wofür Anajo stehen: Das einfache Akkordgeschrammel, dass mittlerweile fast ohne elektronische Spielereien auskommt. Die produktionstechnische Suggestion, dass eine sympathisch polternde Band direkt vor einem im Kinderzimmer oder der WG-Wohnküche auftritt. Und nicht zuletzt den hohen, immer noch leicht krächzige Gesang von Oliver Gottwald, der einen mit seinen manchmal doch arg windschiefen Sprachbildern aus dem Jetzt zum Schmunzeln bringt. Oder auf die Palme.

Fans werden sich bei "Drei" sofort und dauerhaft heimisch fühlen, Kritiker dagegen monieren, Anajo klängen in "Schattenkabinett" wie Die Sterne auf Ritalin, weil sich Gottwald zu einem zackigen Orgelgroove um Kopf und Kragen singt. Doch genauso unernst-naiv wie die Augsburger hier Politik trivialisieren, so springen sie anschließend in "Mädchenmusik" mit sich selbst um.

"Aha, Anajo, ich kenne euch vom Radio / und vom Fernsehen, Stefan Raab / jetzt sagt nicht, ich hätt euch nicht gewarnt", hechelt Gottwald durch das Sammelsurium von Spitzfindigkeiten, die sich die Band über die Jahre anhören musste. Das Ganze gipfelt im spitzenmäßigen Refrain, bei dem man sich bildhaft vorstellen kann, wie ihn ein sagen wir einfach einmal boshafter Berliner Konzertveranstalter der Band einst an den Kopf geschmissen haben könnte:

"Ihr habt Mumm, hier im Laden diese Mädchenmusik / unser gestandenes Stammpublikum / steht auf alles außer Mädchenmusik / die bringen euch heut abend um". Der Upbeat-Hit mit Cheerleader-Chören ist somit platziert, danach landen Anajo mit dem Orgel-Indie von "Meine Wege", der großen Schlager-Geste "Mann Auf Dem Mond" und dem feingliedrigen Gitarren-Pop von "Kleine Lügen" weitere Punktlandungen.

Es sei jetzt Schluss mit Punk und Rock'n'Roll, trällert Gottwald im ebenfalls aufgeräumten "Kein Platz mehr". Um genau das zu unterstreichen, verabschieden sich Anajo mit "Blaue Stunde" extrem entspannt in die Nacht. "Weniger ist mehr", Gottwald spricht es zum Schluss wiederholt und beinahe salbungsvoll. Anajo wissen um ihre Stärken.

Trackliste

  1. 1. Decke Auf Den Kopf
  2. 2. Schattenkabinett
  3. 3. Mädchenmusik
  4. 4. Meine Wege
  5. 5. Halt Mich Fest
  6. 6. Mann Auf Dem Mond
  7. 7. So Wie Du Nicht Bist
  8. 8. Schade Um Die Schöne Fassade
  9. 9. Kleine Lügen
  10. 10. Sommer
  11. 11. Kein Platz Mehr
  12. 12. Blaue Stunde

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2 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Irgendwo ist hier mal der Satz gefallen, die Qualität einer Band steigt und sinkt durch den Sänger. Möchte ich persönlich nicht unbedingt unterstreichen, aber bei Anajo mach ich mal eine Ausnahme. Ich kann die Stimme vom Gottwald mit ihren schrecklich übertriebenen Betonungen einfach nicht länger als drei Minuten hören. Wer da genau das Gegenteil denkt, sollte sich mal Herbstrock anhören. Da ist Gottwalds weiblich(ere)s Pendant zu hören.

  • Vor 13 Jahren

    hab mir das album gerne mehrfach angehört. anajo machen einfach songs, die man auch 2 mal hintereinander anhört und sich aufs 3te mal freut.
    "meine wege", "decke auf den kopf" und "halt mich fest" gern mal auch öfter.
    die songs sind durchschnittlich 3 min lang. vielleicht ist das mitunteranderem ein rezept für unaufdringliche ohrwürmer.