laut.de-Kritik

Der kraftvolle Punkrock lässt brodelndem Unmut freien Lauf.

Review von

"New Maps Of Hell", eine Anspielung auf den Titel ihres Erstlings "How Could Hell Be Any Worse" aus dem Jahre 1982, schlägt eine Brücke zur langjährigen Bandhistorie und lässt den Vorgänger "Empire Strikes Frist" in Sachen Songwriting isoliert dastehen. Übten Greg Graffin und Brett Gurewitz bei der letzten LP noch harsche und überdeutliche Kritik an der Politik ihrer Regierung, wenden sie sich nun wieder ihren typischen Textformen zu.

Eine Sprache voller teilweise kryptischer Metaphern prägt die Songs und bedient sich dabei eines religiös angehauchten Wortschatzes. Vor allem in den Texten offenbaren sich Qualität und Innovationskraft von "New Maps Of Hell". Mit der Rückkehr zu den ideellen Wurzeln der Band grenzt es sich eindeutig vom Vorgänger ab.

Gewisse Ähnlichkeiten im Arrangement der Songs sind dagegen nicht von der Hand zu weisen. Man kennt den ewigen Vorwurf an Bad Religion, sie würden den selben Song immer wieder mit neuen Titeln auf vermeintlich neue Platten packen. Die 16 Tracks auf "New Maps Of Hell" gießen Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Bad Religion spielen wie wir es seit über zwei Jahrzehnten gewohnt sind.

Für mich ein Grund zum Feiern und nicht zur Kritik. Greg Graffins Stimme klingt noch genauso wütend und kraftvoll wie in seinen Jugendtagen. Auch der Rest der Truppe hat nicht an Tempo und Schlagkraft eingebüßt und hämmert wie wild auf die Instrumente ein. Falls ihr den Sound nicht mögt, kauft euch andere Platten! Hier bekommt man, was auf dem Etikett steht: 100% Bad Religion.

Im Intro noch ironisch "I know I'm part of something greater than myself, don't know the meaning of it but I hope that matters less", stellen Bad Religion später inbrünstig die Gedankenlosigkeit und Leichtgläubigkeit der Gesellschaft an den Pranger. Damit aus dem "Sick brass boy day dreamin" keine "sympathetic cold blooded killing maschine" wird, pocht Dr. Graffin eindringlich mit "Think before you die" auf eine bewusstere Auseinandersetzung mit der uns umgebenden Hölle.

Bei "New Dark Ages" rät er zynisch, einfach den Worten des Propheten Ezekiel zu folgen und zu warten, bis die reifen Früchte der salbungsvollen Wahrheiten uns auf dem Silbertablett serviert werden. Getreu dem Bandlogo schreibt sich Bad Religion bei "New Maps Of Hell" den Kampf gegen Ignoranz und Konformität auf die Fahnen und nimmt gleichzeitig die Religion aufs Korn. Sich eigenes Wissen anzuschaffen und auf dieser Grundlage eigene Überzeugungen zu bilden, anstatt starre Ideologien einfach zu übernehmen, stellt für die Kalifornier den einzig richtigen Weg dar.

Bei "Dearly Beloved" bringt es der Interpret mit "Do you know my name- sing a lite refrain" auf den Punkt. Ja man kennt Greg Graffins Stimme und den zum Chor anschwellenden Support seiner Bandkollegen. Die Anspannung und Aggression der Verse löst sich im Refrain regelmäßig in diesen beschwingten Gesang auf, man will erst mit den Füßen auf dem Boden stampfen, um später kräftig in den melodischen Chor einzustimmen.

Mit manchen poppigen Elementen produzieren Bad Religion auch im Jahre 2007 hymnenartige Punkrock-Songs wie "Honest Goodbye" mit seinem routiniert gezimmerten Spannungsbogen oder das schon erwähnte "Dearly Beloved". In beiden Fällen reißt die Musik mit, egal ob man die Texte auf den ersten Versuch mitbekommt oder nur die markigen Sätze der Refrains mitgrölt.

Denn die verschlungenen Wege der Aussage richten den Fokus auf die Stimmung, die das Zusammenspiel des Schlagzeugers, der Gitarren und Graffins signifikanter Stimme erzeugt. Man lässt sich von der Energie der Songs mittragen und genießt kernigen, unverbrauchten Punkrock.

Obwohl Greg Graffin, Proffesor für Evolution und Life Science an der UCLA, im Interview vom Etikett des "Angry Old Man" nichts wissen wollte: Bad Religion lassen in ihrer Musik ihrem nun schon ein Vierteljahrhundert brodelnden Unmut freien Lauf. In ihrer neuesten Version der Hölle, mit all ihren Qualitäten und feinen Details.

Trackliste

  1. 1. 52 Seconds
  2. 2. Heroes&Martyrs
  3. 3. Germs Of Perfection
  4. 4. New Dark Ages
  5. 5. Requiem For Dissent
  6. 6. Before You Die
  7. 7. Honest Goodbye
  8. 8. Dearly Beloved
  9. 9. Grains Of Wrath
  10. 10. Murder
  11. 11. Scrutiny
  12. 12. Prodigal Son
  13. 13. The Grand Delusion
  14. 14. Lost Pilgrim
  15. 15. Submission Complete
  16. 16. Fields Of Mars

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