laut.de-Kritik

Bewegende Abenddämmerung einer großen Stimme.

Review von

So groß die Vorfreude auf ein neues Studioalbum von Barbra Streisand war, so stirnrunzelnd dann zunächst der Blick auf das Konzept. Nichts Neues gibt es hier, sondern nur eine weitere CD der Marke "Nehm' ich halt ein paar alte Songs und spiele sie neu ein". Dass das nicht immer gut geht, bewies jüngst Michael Bublé mit dem todlangweiligen "Meets Madison Square Garden". Nun eben die Streisand, ebenfalls mit nichts anderem im Gepäck als vornehmlich Tunes der Dreißiger und Vierziger. Doch obacht: Aus vielerlei Gründen bedeutet "Love Is The Answer" das vielleicht schönste Streisand-Album der letzten zwanzig Jahre.

Als ganz bedeutender Pluspunkt stellt sich zunächst die Herangehensweise der Produktion heraus. Hier weist nichts mehr auf die oft künstlich aufgeblasenen, von Streicher-Heerscharen in überflüssigem Pomp erstickenden Arrangements hin. Stattdessen herrscht eine Reduktion, Entschlackung und Besinnung auf die eigentliche Seele des jeweiligen Songs vor: Mitunter nur ein Piano, Barbras Stimme - mehr braucht es nicht! Das Orchester agiert, wenn denn eingesetzt, dezent und zurückhaltend im Hintergrund als Unterstützung; so hautnah und intim hat man die Stimme der Streisand schon lange nicht mehr gehört.

Das Lob für die Entscheidung zur zurückgenommenen Instrumentation gebührt der Produzentin des Albums: Jazz-Lady Diana Krallerkennt die eigentlichen Stärken der letzten amerikanischen Diva. Die Pianistin und Sängerin führt Barbra behutsam in Arrangement-Gefilde, die kein überflüssiges, stürmisch-aufgesetztes Wellengeschäum mehr nötig haben. Von der Titelauswahl wohl am bekanntesten sind "In The Wee Small Hours In The Morning" und "Smoke Gets In Your Eyes". Besonders Letzterem fügt die Künstlerin neue, fein ziselierte Nuancen hinzu. Die Jacques Brel-Komposition "If You Go Away (Ne Me Quitte Pas)" überzeugt mit seiner intensiven Eindringlichkeit.

Das Stimm-Volumen der Streisand ist in seiner künstlerischen Abenddämmerung angekommen - und sie zelebriert dies wohlwissend ohne Lifting oder künstliche Verschönerungen (im Gegensatz zu den Fotos im Booklet). Auch Sinatra bewies mit seiner brüchiger werdenden Intonation der letzten Jahre trotzdem immer wieder besonderen Stil und herausragende Klasse - warm leuchtende Patina kann oft schöner sein, als grell blendender, unausgereifter Jugendglanz.

"You Must Believe In Spring", beschwört Barbra Streisand das stetig wiederkehrende Hoffnungswunder des Frühlings in ihrem letzten Song, und gibt damit persönlicher Mutlosigkeit in dunklen Lebensabschnitten entscheidend und nachhaltig Kontra. Das ist ein besonderer Zauber dieser alten, oft fast vergessenen Songs: Die ursprünglichen Komponisten und Texter mögen bereits meist schon lang nicht mehr im Diesseits weilen, doch ihre messerscharfe Analytik von Lebens- und Liebens-Situationen bewegt zeitlos, tröstend, und vor allem - wahr.

Wer voluminöse Hollywood-Sounds und dramatische Song-Zuspitzungen erwartet, wird von "Love Is The Answer" gewiss enttäuscht sein. Doch wer sich aufs Hinhören versteht; der Entschleunigung Raum gibt; sich Zeit lässt zum Genießen; für den kann Barbras aktuelles Album ein wärmender Freund für kommende Winternächte sein. Und so mancherlei gewisse Momente danach.

Trackliste

  1. 1. Here's To Life
  2. 2. In The Wee Small Hours Of The Morning
  3. 3. Gentle Rain
  4. 4. If You Go Away (Ne Me Quitte Pas)
  5. 5. Spring Can Really Hang You Up The Most
  6. 6. Make Someone Happy
  7. 7. Where Do You Start?
  8. 8. A Time For Love
  9. 9. Heres That Rainy Day
  10. 10. Love Dance
  11. 11. Smoke Gets In Your Eyes
  12. 12. Some Other Time
  13. 13. You Must Believe In Spring

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LAUT.DE-PORTRÄT Barbra Streisand

"Viele Rocksänger haben eine Begabung, die mir leider fehlt, sie schreiben sich ihr eigenes Repertoire." So ehrlich stapeln die wenigsten Superstars …

5 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Aber obacht! Wie gesagt, das Ganze ist ein sehr leises und zurückgenommenes Album. Wem dafür die Ader fehlt, spielt die Songs an denkt: "Gott, was'n langweiliger Kram".

    Aber wer so etwas mag ... und der Stimme der Streisand zuzuhören, ist der eigentliche Reiz des Ganzen. :)

  • Vor 15 Jahren

    Was für ein Star was für eine Stimme einfach genial .... Ich verneige mich

  • Vor 15 Jahren

    Barbara, Verzeihung Barbra....ist und bleibt eine Ausnahmeerscheinung bis heute. Scheint sich das Musikkarusell immer schneller zu drehen und die Halbwertzeit junger Künstler sich um ein Vielfaches zu beschleunigen, legt hier die Streisand wieder ein Album hin, dass genau in die entgegengesetzte Richtung zielt.
    Ein Blick zurück in längt vergangen Zeiten der Musik, als es noch Sänger bedarf, die mit Ihren Interpretationen den Songs Leben und Bedeutung einhauchten. Jeder auf seine Weise..
    Klar sind viele Songs Standards der alten Garde, aber gerade die eigene Interpretation macht aus solchen Songs immer wieder etwas Neues. Stimmlich zurückgenommen intoniert sie gekonnt, ohne routiniert zu Wirken, die Songs Ihrer Wahl und entführt uns mit Ihre Stimme in ein Kaleidoskop der Gefühlswelt. Man hat den Eindruck, dass Sie genau den Punkt der Songs trifft und so leidet man selbst mit, wird sentimental oder schöpft neue Hoffung.
    Klar ihr Stimmvolumen ist in der Abenddämmerung angekommen (wie es in der Kritik heisst). Das wir kein "Don't rain on my parade" mehr hören werden oder a "Piece of Sky" dass sie mit solch einer Kraft singt, dass du das Gefühl hast eine Flutwelle kommt auf dich zu, um dich zu erfassen, einzuschliessen und wieder auszuspucken mit dem Gefühl, dass es einen Gott geben muss, wenn eine Frau eine solche Präsenz besitzt ist klar.
    Aber das braucht sie auf diesem Album nicht.
    Letztlich geht Sie zu Ihren Wurzeln zurück, als Sie Anfang der Sechsiger Ihre Karriere als Sängerin in so kleinen Nachtclubs wie dem " Bon Soir" in New York begann, mit nichts weiter als Ihrer Stimme, einem Piano, ein Schlagzeug, und einem Bass.

  • Vor 7 Jahren

    Auf “Love Is The Answer” singt Barbra Streisand Jazzklassiker und herausgekommen ist ein geniales Spätwerk. Im Laufe Ihrer langen und letztlich unvergleichlichen Karriere war Barbra Streisand immer wieder für musikalische Überraschungen gut – auch wenn so manche Ignoranten, besonders „Berufskritiker“, nie müde wurden zu behaupten, sie mache immer das Gleiche.

    Als sie 1971 mit „Stoney End“ ihr erstes wirkliches Pop/Rock Album präsentierte, war das eine radikale Änderung ihrer bisherigen Musik. Mindestens ebenso überraschend war auch das furiose, elfminütige (!) Disco-Duett mit Donna Summer. Inmitten dieser Disco-Ära der Siebziger stellte Streisand aber auch völlig unerwartet ein Album mit ausschließlich klassischen Liedern vor. Wer da ernstgenommen werden will, muss schon recht gut sein. Keine Geringeren als Leonard Bernstein oder Glenn Gould fanden es gut!

    Anzumerken ist, dass Streisand ihre Pop-Rock-Disco Aufnahmen klasse brachte, aber zu spüren war doch immer, dass sie sich die Merkmale dieser Musik „angeeignet“ hatte. Dank ihrer exorbitanten Begabung und ihrer fantastischen Stimme gelang das sängerisch sogar recht überzeugend. Allein: wirklich authentisch war es nicht.

    Mit hochachtungsvoller Erfurcht für die Komponisten, machte sie sich an die Stücke von „Classical Barbra“. Auch hier beeindruckt sie mit wunderbarer Stimme – aber trotz aller Schönheit ihrer Interpretation bleibt sie im Ausdruck vorsichtig und verhält sich eher neutral: Sie verbirgt Vieles von dem, was ihre künstlerische Persönlichkeit ausmacht.

    Mit ihrer neuen CD „Love Is The Answer“ hat Barbra Streisand sich nun zum ersten Male an ein relativ jazzorientiertes Album gewagt – und sie gewinnt auf allen Ebenen! Schon bei den ersten Tönen ist zu spüren: Barbra Streisand ist auf eine neue, überraschende Weise wieder bei sich angelangt! Angelangt bei der Authentizität, welche die Musikwelt 1963 in Enthusiasmus versetzte! Wir erinnern uns: Streisand’s erstes Soloalbum begann mit „Cry Me A River“, einem Jazzklassiker und wurde gleich mit einem Grammy geehrt..

    Auf keinem Studioalbum der letzten Jahre konnte Barbra so überzeugen wie hier. Auf „Love Is The Answer“ erweist sie dem Zuhörer noch einmal neue Dimensionen ihrer Kunst – einer Gesangskunst, die allerdings Zuwendung verlangt: Wer nicht richtig hinhört, verpasst die Nuancen – und verpasst Alles! Obwohl Streisand’s Stimme an Höhe, Kraft und Energie altersgemäß eingebüßt hat, ist Ihr Ausdrucksspektrum erweitert und tiefer. Ständig wechselnde Klangfarben ihrer Stimme faszinieren und sprengen das Kaleidoskop der Töne.

    Selten zuvor hat sie nuancierter und facettenreicher gesungen. An Stelle der stimmlichen Perfektion hat sich Sensibilität, Intimität, und eine für sie neue Art der Phrasierung in den Vordergrund gesetzt. Natürlich ist diese Stimme immer noch erstaunlich klangschön. Die wichtigsten Noten einer Melodie singt sie weiterhin klar und komplett aus, streckt und dehnt sie mit kaum hörbarem – oder wo es passt – auch extra betontem Vibrato.

    Dabei bleibt sie meistens erfreulich unprätentiös und gestattet sich nur dort Pathos, wo es einfach hingehört: zu Brel’s „Ne me Quitte Pas“. (If You Go Away). Rührseligkeit war das Hauptmerkmal so mancher Versionen anderer Interpreten und “abgedudelter” kann ein Song fast nicht sein. Deshalb ist es um so mehr große Kunst, wie innerhalb dieses Songs durch Streisand’s unverstellte Identifikation echte Dramatik und neue Spannung erzeugt wird. Anders als in früheren Jahren, in denen ihre Songs oft eine geradezu aufbrausende Steigerung kennzeichneten, nimmt sie sich heute zurück und gestaltet eine musikalische Steigerung behutsamer.

    „Love Is The Answer“ ist eine beeindruckende Gemeinschaftsarbeit mit Jazzstar Diana Krall.
    Sie produzierte das Album und sorgte für einen neuen, schlichteren Sound. Dieser Sound ist in seiner intelligenten Konzentration auf das Charakteristikum von Jazzballaden viel wirkungsvoller und adäquater, als beispielsweise die glatt-pompöse Orchestrierung des Moviealbums von 2003, auf dem Streisand auch einige Jazzklassiker wie „But Beautiful“ oder „Wild Is The Wind“ singt.

    Diana Krall, selber eine hervorragende Jazzpianistin, begleitet Streisand bei einigen Titeln. Aber auch die anderen Pianisten, allen voran der grandiose Tamir Hendelman, betonen versiert und inspirierend die Jazzakzente des Albums. Johnny Mandel arrangierte die Orchesterversion des Albums und hat außer beim ersten Titel „Here’s To Life“, bei dem die Streicher noch ein wenig heftig aufwallen, angenehme Zurückhaltung walten lassen. Barbra Streisand Stimme ist nie abgedeckt durch eine unkreative Orchestersoße. Seine Arrangements sind schwebend leicht und erfreuen durch ein transparentes Klangbild.

    Das Repertoire besteht aus Songs, die längst ihr Qualitätssiegel erhielten – also oberste Liga. Trotzdem sind einige davon vielen deutschen Hören weniger bekannt. Da bleibt „Smoke Gets In Your Eyes“ die große Ausnahme. Alle Songs sind ruhig gehalten und mehr oder weniger von Melancholie getragen. „Love Is The Answer“ wurde ein Jazzballadenalbum, vergleichbar mit dem Klassiker von Billie Holiday: „ Lady In Satin“ (1958), oder auch ähnlich wie „Like Someone In Love, ( 1957) von Ella Fitzgerald und Stan Getz.

    Macht heute jemand ein Album mit zwölf Songs, die rhythmisch alle ähnlich strukturiert sind, wird sofort von Gleichförmigkeit und Langeweile gesprochen. Die Oberflächlichkeit des „Anhörens“ ist weiter verbreitet als jemals zuvor. Das mag an der unüberschaubaren Menge produzierter Musik liegen – und an der Vorherrschaft des Mainstreams. Schnelles Konsumieren ist angesagt – kommt ein Titel der etwas ähnlich anmutet als der Vorherige, wird sofort weitergeklickt. Konzentration oder auch nur etwas Zuwendung an eine Leistung ist zuviel verlangt. Direkt daneben gibt es ja zig Sachen, die uns nur so zufliegen!

    Eine Stimme wie sie die Streisand heute hat, kann übrigens niemals langweilig oder fad sein, egal was sie nun gerade singt. Dafür sorgt unter anderem auch eine schwindelerregende Diskrepanz von noch immer mädchenhafter, fast unschuldiger Ausstrahlung in ihrer Stimme zu den brüchig- desillusionierten Untertönen einer lebenserfahrenen Diva.

    Erfreulicherweise haben meine Recherchen ergeben, dass die US-Kritiken für „Love Is The Answer“ überwiegend gut bis überragend sind. Es gibt CDs, die legt man auf und spürt schon in den ersten zwei oder drei Minuten: hier stimmt alles! Meistens sind das Alben, deren Konzept der Musik kompromisslos ist. Eben genauso ein kompromissloses Album ist „Love Is The Answer“.

    Barbra Streisand, die oftmals und besonders gerne auf ihrem Moviealbum ihre Interpretationen zu rein klangkultivierten Erbaulichkeiten stilisiert, befreit sich auf ihrem neuen Album von der reinen Ästhetik und bekennt sich zu Wahrhaftigkeit, Intimität und Verletzlichkeit. Sie ist bereit, gelebte Situationen zu vermitteln. Es gibt Momente, in denen ihre Stimme schwächelt oder Rauheiten aufweist – aber nicht nur dann beginnt sie die Noten zu improvisieren. Sie tut damit etwas, was dem Album auch eine Art von Jazzflair gibt – wissend, dass die Improvisation zum Jazz gehört wie das Wasser zur gedeihenden Pflanze. Das leuchtende Charisma von Streisand’s Stimme ist kleiner geworden: sie bedient auf „Love Is The Answer“ nicht ihre Stimme sondern voll und ganz den Song in seiner absoluten Essenz. Sie ist dadurch auch viel besser im Einklang mit ihren Musikern, weil sie nicht mehr die einzige Attraktion eines Albums, einer Musik ist.

    Die Bonus-CD von „Love Is The Answer“ (in der Deluxe CD Ausgabe) enthält die akustisch atemberaubende Quartettversion. Es sind die gleichen Titel in gleicher Reihenfolge und auch Streisands Gesang ist die gleiche Aufnahme – nur die Orchesterbegleitung fehlt. Diese Quartettversion liefert den eindeutigen Beweis für Streisands musikalische Reife. Inmitten dieser reduzierten Begleitung entfaltet sich die größtmögliche Intimität und höchste Reinheit im Klang. Eine neue unüberhörbare Qualität, ein neuer Impuls in Streisands Singen wird so viel deutlicher als auf der Orchesterversion des Albums.

    Die Bossa-Nova-Titel „Gentle Rain“ und “Love Dance” faszinieren durch betörende, hingetupfte Zartheit. In „Spring Can Really Hang You Up The Most“ gelingt Barbra im Mittelteil des Songs ihre beste Jazzphrasierung des Albums. Die zwei Songs „Make Someone Happy“ und „In The Wee Small Hours of The Morning“ sind mit ihrer durchdringenden Schönheit und Klarheit die lyrischen Glanzstücke der CD überhaupt.

    Wie individualistisch, eben unvergleichbar, Streisand wirklich singt, ist am ehestem bei einem Stück zu hören, welches die farbige Vokalgruppe „The Platters“ ehemals zu einer Weltschnulze gemacht haben: „Smoke gets In Your Eyes“ entbehrt in der Streisandversion gänzlich den triefenden Kitsch und gerät ihr fast ein wenig „schräg“ mit einer bittersüßen Betonung auf Schwermut. Aus der simplen Eingängigkeit des Songs macht Streisand auf meisterhafte Weise das Gegenteil und gibt dem Text des Liedes eine neue, vielleicht echtere Bedeutung.

    „Some Other Time“, eine Jules Styne Komposition mit unerwarteter Melodieführung und auch der Bonustrack „You Must Believe In Spring“, kunstvoll nur mit Pianobegleitung, legen am Ende der CD unmissverständlich das Siegel „It’s Art“ über dieses geniale „Spätwerk“.

    „ Love Is The Answer“ hat für mich die Aura einer leisen Sensation. Herzlichen Glückwunsch, Frau Streisand. Schön, dass Sie dieses Album gemacht haben – ich hatte schon lange auf so etwas gewartet!