laut.de-Kritik
Vertrau' ihnen!
Review von Dani Fromm"Man denkt immer, man sei unbesiegbar", diktierte Gift of Gab 2012 einem Interviewer ins Protokoll. "Tatsächlich sind wir aber alle nur Menschen. Irgendwann holen uns unsere Aktionen ein." In seinem Fall bedeutete das: Nierenversagen. Wobei Blackalicious' rappende Hälfte noch Glück hatte: Gab fand einen Organspender, bleibt aber auf die Dialyse angewiesen.
Einschneidende persönliche Erlebnisse hinterlassen Spuren, gerade bei Künstlern, deren Arbeit schon immer recht kopflastig ausfiel. Was die eigene Welt erschüttert, rüttelt auch an der Perspektive. Frisch zurecht gerückte Prioritäten eröffnen neue Blickwinkel. Zeit bekommt einen ganz anderen Stellenwert. Eigentlich nur logisch, dass sich "Imani Vol. 1" in erster Linie um Zeit dreht, um ihre Limitiertheit und Unumkehrbarkeit, um die Flüchtigkeit des Moments.
"Reminiscing on how times fly" beobachtet Gift of Gab den rieselnden Sand in "The Hourglass" und lässt die Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Produzent Chief Xcel webt unterdessen aus drückendem Rhythmus und Melodie jazzige Vibes. Zuvor blickte bereits "Twist Of Time" zu leise melancholischer Klaviermelodei zurück: "Back then it was so much fun."
Mag sein. Mit der Gegenwart lässt sich trotzdem bestens leben: "The Blackalicious crew got rhymes galore", und ihr Produzent stets den stimmigen Beat dazu. Viel Soul, etwas Funk, Spuren von Reggae und Disco, wohl dosierte elektronische Spielereien, ein paar Scratches, Samples, Bläser- und Orgelsounds, dramatische Streicher, Gesänge und gesprochene Intermezzi, Klimperklavier, auch einmal eine harsche E-Gitarre und schön schrappende Basssaiten sortiert Chief Xcel zu Kompositionen, die trotz ihrer Detailfülle aufgeräumt und luftig erscheinen und sich wie eine warme Umarmung anfühlen.
Gab gießt darüber im Kreise seiner (im Vergleich zu früheren Blackalicious-Alben übersichtlich zahlreich) geladenen Gäste Reime aus vollen Kübeln aus. Verwurzelt in der klassischen alten Schule wirkt sein kantiger und zugleich eleganter Vortrag wie der Rap gewordene Brückenschlag zwischen einer schätzenswerten Vergangenheit und einer Zukunft, der sich getrost entgegen treten lässt, hat man die einleitenden Beschwörungsformeln erst einmal verinnerlicht: "Never let life's troubles block your flow."
Wie das geht, verraten Blackalicious mit dem Titel: "Imani" steht auf Swahili für Vertrauen oder Hoffnung. Das gilt es zu bewahren, um jeden Preis. Wenn Spaß an der Sache und Liebe zum Spiel wie in "The Blow Up" aus jeder Zeile quellen, fällt es leicht, den Augenblick zu genießen. "We make the most of every moment", verspricht "That Night", den Rest erledigt die Königin der Gefühle: "Love's Gonna Save The Day".
Wen kümmert es da, dass die Wirren des Lebens manchen Zeitplan über den Haufen rumpeln? Geplant hatten Blackalicious ihr Comeback-Album eigentlich schon für 2012. Dass seit "The Craft" inzwischen runde zehn Jahre ins Land zogen, hat "Imani Vol. 1" hörbar wenig geschadet. Das Album tritt vielleicht keine musikalische Revolte los, groovt aber gut.
Mehr davon? Kommt: Die Arbeiten am nächsten Kapitel laufen bereits. An Material dürfte es nicht mangeln: Als "sehr organischen Prozess" beschreibt Gift of Gab die neuerliche Zusammenarbeit mit seinem alten Weggefährten. "Xcel hat mir jeden Tag Beats rübergeschoben, hat viel Zeit im Studio verbracht. Es war so gar nicht geplant! Wir haben es einfach wachsen lassen."
Vielleicht ein bisschen zu unkontrolliert: Das einzige Problem des Albums stellt seine Länge dar. Bei fortschreitender Spieldauer fehlt zunehmend der eine oder andere Wechsel in der Grundstimmung. Doch vielleicht heben sich Blackalicious die Schattierungen ja für die Teile ihres als Trilogie angelegten Projekts auf, die innerhalb der nächsten beiden Jahre folgen sollen. Noch mindestens zweimal dürfen Gab und Xcel dann behaupten: "We Did It Again". Meinetwegen: gerne wieder und wieder.
3 Kommentare mit 2 Antworten
nia ist eines der besten alben der geschichte, auch blazin arrow war groß. neuer stuff von ihnen immer willkommen
Danke nochmal für den Reminder eben, Garri!!
Garri,
Auch hier habe ich nun einige mal durchgehört:
Überalbum, ein Niveau mit "Nia" und "Blazing Arrow".
Bin so begeistert. Sind sich treu geblieben, aber liefern absolut ab, fett.
Großartiges Album, hervorragende Arbeit was Beats und Produktion angeht. Flow und Texte gehen auch klar, sehr kreativ.
pflichtalbum