laut.de-Kritik

Von griechischen Sagen und postmodernen Wundern.

Review von

Ouvertüre des Jahres: "I want to declare a war!" ruft Kele Okereke flankiert von sägenden Gitarren, treibenden Beats und geloopten Effekten im Opener "Ares". Wow! Bloc Party, die Dritte.

Ares, das ist der griechische Kriegsgott, wie überhaupt das neue Werk der East London-Boys immer wieder auf Mythologie rekurriert (siehe "Trojan Horse", "Zephyrus"). Was aber kann auf diese Prodigy-eske Explosion von einem Auftakt folgen? Und wo ist die im Albumtitel beschworene Intimität? Keine Angst, die kommt schneller als erwartet.

Zwar geht es mit dem rockistischen "Halo" und mit "Mercury" zappelig weiter - Kele gibt hier den John Lydon, während Disharmonien seinen Weg pflastern - doch plötzlich untermalen dann andere Tonfarben Lyrics wie "As I lay my head on your chest ...".

Blieb beim Vorgänger das Fenster zur Welt vornehmlich weit offen (Post-9/11-Terrorwahn et al.), sind nun Love'n'Sex die Haupt-Ingredienzien des Albums. "You used to close your eyes when we kissed goodbye", erinnert sich Kele etwa in "Trojan Horse" zu sich überschlagenden Gitarren, um im meditativen "Signs" zu konzedieren: "I'm the one that's drowning now."

Neben dem erzählerischen Neuland fasziniert auch das frische Sounddesign. Mit großer Experimentierfreude sind hier Synthieflächen, Hall-Effekte, gesampelte Stimmen und phobische Sci-Fi-Klänge à la John Carpenter untergebracht worden, die oft an Portisheads "Third" erinnern. Ohnehin verhält sich vorliegendes Werk zu "A Weekend In The City" wie Kino zur Short-Story-Sammlung.

Während die Rezeption des Vorläufers nur entlang der Texte Sinn machte, kann man sich "Intimacy" hingeben wie einem futuristischen Thriller - siehe zur Vergewisserung die "Planet Of The Apes"-Verweise des "Mercury"-Clips. Zudem erinnert der Albumtitel wohl nicht ganz zufällig an den gleichnamigen Skandalfilm. Patrice Chéreaus Drama von 2001 erzählt - fast analog zu Okerekes Abhandlungen - die Geschichte eines scheiternden Großstädters, der sich in London mit viel Sex die Zeit vertreibt.

So oder so bleiben Bloc Party Meister der Dialektik: Hektische Beats vs. Melancholie, Flächen vs. Glockenspiel, technoide Kälte vs. warme Vocals, Elektronik vs. Rock. Dass das funktioniert, ist auch 2008 noch ein kleines, postmodernes Wunder. Leichte Abstriche gibts lediglich für Manierismen wie den Chorgesang von "Zephyrus". Kele entlässt uns aber nicht ohne Happy End: "The space between us has disappeared." Alles wird gut.

Trackliste

  1. 1. Ares
  2. 2. Mercury
  3. 3. Halo
  4. 4. Biko
  5. 5. Trojan Horse
  6. 6. Signs
  7. 7. One Month Off
  8. 8. Zephyrus
  9. 9. Talons
  10. 10. Better Than Heaven
  11. 11. Ion Square

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