laut.de-Kritik
Chillen mit Dylan.
Review von Giuliano BenassiDer Promotext verrät, wie schwierig es geworden ist, das Produkt Bob Dylan auszuschlachten. Die vorliegende Platte "versammelt auf einer 78-Minuten-Digipak-CD eine Reihe von selten gehörten Songs, die bis auf einen auf keiner der vielen 'Best Of'-Alben des Mannes zu finden sind, gleichwohl jedoch zum Besten gehören, was Dylan in den letzten 50 Jahren aufgenommen hat.". Klingt wie: Das gute Material ist uns ausgegangen, nun öffnen wir die Kisten mit der Ausschussware.
Das ist kaum verwunderlich, ist die umfangreiche wie aufwändige "Bootleg-Series" doch mittlerweile bei neun Veröffentlichungen angelangt, viele davon prall gefüllte Doppel-CDs. Was noch lange nicht bedeutet, dass "Pure" eine schlechte Platte ist, denn in der gigantischen Produktion Dylans gibt es noch einiges zu entdecken.
Selbst in seiner durchwachsenen Phase, die von den 80ern bis in die 90er Jahre hineinreicht, schrieb er das eine oder andere gute Stück. Etwa "Shooting Star" (1989), das auf dem Unplugged-Album von 1995 allerdings besser klang als in der hier vertretenen Studioversion.
Die Stärke des Albums liegt weniger in den einzelnen Stücken als in der abwechslungsreichen Zusammenstellung. Auf das schnellere "Trouble In Mind" von 1979, hier zum ersten Mal mit Mark Knopfler an der Gitarre auf CD zu hören, folgt das simple, aber ergreifende "Girl From The North Country" von 1963. Nach dem nachdenklichen "Sugar Baby" kommt das fröhliche "You're Gonna Make Me Lonesome When You Go" (1974). Zwischen "Born In Time" (1990) und "This Dream Of You" (2008) schmuggelt sich "Boots Of Spanish Leather" (1963).
Zuhörer, die nur den Dylan der Ursprünge und den des neuen Jahrtausends kennen, das bei ihm schon 1997 mit "Time Out Of Mind" begann, gewinnen durchaus die eine oder andere neue Erkenntnis. Schade jedoch, dass das Booklet mit einem kurzen Aufsatz und stichwortartigen Informationen zu den einzelnen Tracks ungewöhnlich mager ausfällt.
Erstaunlicherweise liegt der größte Pluspunkt dieser Zusammenstellung darin, dass sie keine Hits enthält oder Songs, die irgendeine politische Relevanz haben. So kann man sich ganz entspannt zurücklehnen und dieses eine Mal nicht interpretieren, sondern einfach nur zuhören und genießen. Chillen mit Bob Dylan eben.
1 Kommentar
Natürlich ist so was auch immer (gerade vor Weihnachten) Geldschneiderei, aber die stimmige Songauswahl geht absolut in Ordnung. Hier stehen halt mal nicht die totgenudelten bekannten Stücke im Vordergrund, sondern oftmals Übersehenes. Der Fan kennt und schätzt natürlich den "Billy the Kid"-Soundtrack oder "Oh Mercy" eh schon - für die Gelegenheitshörer gibt es hier aber durchaus neue Facetten von und an Bob zu entdecken.