laut.de-Kritik
Entrückter Psychedelic-Rock mit Rammsteins "Engel".
Review von Adrian Meyer15 Jahre sind eine lange Zeit - in der Zeitrechnung des Musikgeschäfts in etwa ein Jahrhundert. 15 Jahre ist es her, seit Frank Heise, Gitarrist von Bobo in White Wooden Houses den Freitod wählte, was die Auflösung der Band bewirkte.
Nun endlich traut sich Sängerin Christiane "Bobolina" Hebold wieder mit einer Neubesetzung der Band und dem tonnenschweren Neuling "Transparent" auf die Bühnen des Landes. "Keep Movin' On" muss sie sich gedacht haben, nachdem sie sich in der Vergangenheit verschiedensten Soloprojekten und Gastauftritten widmete (unter anderem in Rammsteins "Engel"). Ihren "Piece Of Mind" mit Bobo in White Wooden Houses scheint sie nun durchaus gefunden zu haben.
Von Industrial ist die Platte aber Meilen entfernt. Bobo in White Wooden Houses, die Anfang der 90er als beste Indieband Ostdeutschlands galt, produzieren im neuen Jahrtausend majestätisch entrückten, leicht psychedelisch angehauchten Rock. "Transparent" passt perfekt als Musik für den Grund des Ozeans.
Bereits die ersten Takte von "Run" beginnen mit massig gehalltem Schlagzeug und ebensolchen Gitarrenspuren, während Bobos markante, kühl-distanzierter Stimme im luftleeren Raum dahin schwebt: "Looking for the boundless, under the surface". Man möchte sich sogleich die Taucherbrille aufsetzen und sich von der warmen Meeresströmung treiben lassen.
Auch "Courage" eignet sich bestens als Soundtrack eines Tauchausflugs. "Are you ready to dive?" fragt Bobo, unterlegt mit blubbernden und schaurig opulenten Gitarrenschnipseln, doch wir haben uns schon längst rücklings vom Boot in den Ozean gestürzt.
Sowieso machen Bobo in White Wooden Houses insgesamt reichlich gebrauch von Hall, Echos und psychedelisch verzerrten Gitarren, welche mal an über der Hafeneinfahrt kreisende Möwen ("Keep Movin' On"), dann wieder an eine U-Boot-Fahrt durch stockdunkle Untiefen ("Bottom Of The Ocean") oder an ein sich unter Wasser küssendes Liebespaar erinnern ("Transparent").
Es ist kaum zu glauben, dass die Band auf "Transparent" konsequent auf Synthesizer verzichtet. Tatsächlich kreiert Produzent und Gitarrist Jan Stohlterfoht mit seinem Gitarrenspiel solch klanglich weitreichende Welten, dass man dahinter ungläubig sofort technische Hilfsmittel vermutet. In der Tat ist auf der Platte jedoch alles handgemacht: nur Gitarren, Drums, Gesang und zwischendurch ein Piano ("Shallow Silence", "So Called Pride").
Trotz einer leicht düsteren Grundstimmung sendet Bobos Musik wohlig-warme Strahlen aus. Vor allem Hebolds Stimme fühlt sich an wie eine schüchterne Welle, die den im Meer treibenden Körper sanft umgibt: "Floating through these waves in search of love and freedom" ("Heart Of Mine").
Während Stohlterfohts Gitarrenspiel oft einen gewissen Sonic Youth-Einschlag aufweist, erinnert "Transparent" stellenweise durchaus auch an Interpol (etwa im letzten Drittel von "Last Goodbye"). Dennoch haben Bobo In White Wooden Houses mit der neuen Platte einen unmissverständlich eigenen Stil gefunden für ihr Comeback, das eigentlich ein Neuanfang ist.
1 Kommentar
es gibt ja doch noch richtig gute musik aus d. das video macht auf jeden fall lust auf mehr.